17.03

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ zu lesen ist.) Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns im Ausschuss einstimmig darauf verständigt haben, dass wir den Bericht zur Jahresvor­schau 2018 im Plenum diskutieren wollen. Ich bin ganz einfach deshalb sehr froh da­rüber, weil das die Gelegenheit gibt, aktuell zu gewissen Praktiken der österreichischen Bundesregierung in Bezug auf die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping Stellung zu nehmen. Ich vermisse hier jegliche Initiative, wenn es um die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, die Bekämpfung von Steuerbetrug auf europäischer Ebene wie auch auf nationaler Ebene geht.

Ich beginne mit der europäischen Ebene. (Die Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen ebenfalls „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ zu lesen ist.) Die Europäische Kommission hat sich bereits im Vorjahr darauf verständigt, dass sie eine Arbeitsbehörde, eine Europäische Arbeitsbehörde, ins Leben rufen will. Zu dieser Europäischen Arbeitsbehörde wird es bereits am 10. Juli, Frau Bundesministerin, einen Zwischenbericht mit Änderungsanträgen aller Mitgliedstaaten geben. Und gestern habe ich vom zuständigen Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes gehört, dass Österreich sich da bis dato nicht eingebracht hat; ich höre von Spitzenbeamten der Europäischen Kommission, dass sie es äußerst bedauerlich finden, dass Öster­reich sich nicht einbringt, wenn es darum geht ...

Präsidentin Doris Bures: Entschuldigung, Herr Abgeordneter!

Meine Damen und Herren! Wir haben die Botschaft verstanden (Abg. Haubner: Ist das jetzt jeden Tag?), ich ersuche, dass wir uns jetzt wieder voll und ganz dem Redner wid­men. (Die Abgeordneten der SPÖ senken die Tafeln wieder.) – Danke vielmals.

Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Wir wissen, dass diese Europäische Arbeitsbehörde notwendig ist, Kollege Haubner, um mehr Fairness auf dem europäi­schen Arbeitsmarkt zu erreichen, und zwar genau für jene Betriebe, die in Österreich darunter leiden und schnaufen, nämlich die Klein- und Mittelunternehmen, aufgrund von Entsendeunternehmen, daher verstehen wir nicht, warum wir diese Chance nicht nützen, warum die österreichische Bundesregierung da so passiv agiert.

Ich habe den Regierungsmitgliedern angeboten, diesbezüglich in einen Dialog einzu­treten. Frau Bundesministerin, ich habe angeboten, sämtliche Kontakte und auch Er­gebnisse bisheriger Initiativen dazu zur Verfügung zu stellen. Wir wissen, Frankreich unterstützt diese Arbeitsbehörde, wir wissen, Schweden unterstützt diese Arbeitsbe­hörde, wir wissen, Deutschland unterstützt diese Arbeitsbehörde, noch dazu – auch im Interesse Österreichs – mit einem Sitz in Österreich. Und diesen aufgelegten Elfer, den nimmt diese Bundesregierung nicht an. Das ist einfach fahrlässig gegenüber den Klein- und Mittelunternehmen Österreichs (Beifall bei der SPÖ), und das ist fahrlässig ge­genüber den Arbeitnehmern insgesamt in ganz Europa.

Wenn ihr diesen Elfmeter vergeigt, der hier für uns aufliegt, dann machen wir euch da­für verantwortlich, wenn der Sitz dieser Arbeitsbehörde nicht in Österreich sein wird. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Dieses Desinteresse spielt sich ja nicht nur auf europäischer Ebene ab, sondern auch auf nationaler Ebene. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich erinnere, Budgetver­handlungen, Budgetbegleitgesetz: Ihr habt eingebracht, dass es eine Sozialbetrugs­pauschale bei Meldeverstößen zur Sozialversicherung geben soll (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), maximal 855 Euro. Wir haben das aufgezeigt, ihr seid unmittelbar da­nach zurückgerudert, am 19. April 2018 habt ihr gesagt: Nein, diesen Deckel auf So­zialbetrug wird es nicht geben, dieses Budgetbegleitgesetz wird repariert! – Wir haben den 14. Juni, und zwei Monate lang ist nichts passiert! (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Warum reparieren Sie dieses Gesetz nicht? Es kann nicht sein, dass ein Un­ternehmen, das 1 000 Leute falsch anmeldet, bei dem 300 Personen zu wenig gemäß Kollektivvertrag gemeldet werden, mit einer Pauschale von 855 Euro Strafe billig da­vonkommt. (Ruf bei der SPÖ: ... Geschenke für Unternehmen!) Das ist Förderung von Sozialbetrug! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb geben wir Ihnen heute die Chance, unseren Entschließungsantrag zu unter­stützen, zuzustimmen, wenn es darum geht, die von Ihnen angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes zu beschließen, damit dieses Kapitel auch wirklich abge­hakt werden kann.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „angekündig­te Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Bereich Strafen gegen Meldevergehen“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses 160 der Beilagen be­treffend EU-Jahresvorschau 2018

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für den Standort Österreich als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einzusetzen und auf nationaler Ebene dem National­rat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der der Deckel bei der Verhän­gung von Strafen für Meldeverstöße [...] noch vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2019 aufgehoben wird.“

*****

Abschließend: Frau Bundesministerin, Sie dürfen hier nicht die Schutzherrin für all je­ne, die in diesem Land Lohn- und Sozialdumping betreiben (Zwischenruf bei der ÖVP), spielen. Sie dürfen auch nicht das Heft aus der Hand geben, wenn es darum geht, Arbeitnehmer zu schützen, wenn es darum geht, Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Ich fordere Sie auf, Ihre Verantwortung als Sozialministerin wahrzunehmen und die Men­schen in diesem Land, die schwer arbeiten, auch wirklich zu schützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Bereich Strafen ge­gen Meldevergehen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses 160 dB betreffend EU-Jahresvorschau 2018

Sozialbetrug ist auf allen Ebenen zu bekämpfen. Auf EU-Ebene genauso wie auch auf nationaler Ebene.

Diese Bundesregierung setzt sich aber weder auf der europäischen Ebene entspre­chend für die Bekämpfung von Sozialbetrug ein, indem sie sich zum Beispiel verstärkt für den Standort Österreich als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einsetzt, noch handelt sie auf nationaler Ebene entsprechend. Im Gegenteil:

ÖVP und FPÖ haben im Budgetbegleitgesetz 2018 die Strafen für falsche Anmeldun­gen bei der Sozialversicherung praktisch gestrichen. Auch wenn ein Unternehmen für hunderte Arbeitnehmer verspätete oder falsche Daten an die Sozialversicherung mel­det – es wird immer nur die neue „Sozialbetrugspauschale“ von 855 Euro kosten.

Der Hintergrund: Ab 1.1.2019 gibt es die neue Meldepflicht für Unternehmen, wodurch sie bis 15. des Monats für jeden Arbeitnehmer die tatsächliche Beitragsgrundlage an die Sozialversicherung melden müssen. Für jede falsche Meldung waren pro Mitarbei­ter Strafen zwischen 5 und 50 Euro vorgesehen. Ein Großbetrieb mit 1.000 Mitarbei­tern konnte bei zweiwöchiger Verspätung auf Strafen bis zu 50.000 Euro kommen, wie die Regierungsparteien selbst in den Erläuterungen zum BBG geschrieben haben.

Brisant ist aber, dass diese De-facto-Straffreiheit nicht nur für die monatliche Beitrags­meldung gilt, sondern auch für die falsche, das heißt verspätete oder fehlerhafte Mel­dung zur Sozialversicherung. Egal, wie viele Arbeitnehmer falsch angemeldet werden, die Strafe dafür beträgt nie mehr als 855 Euro. Wenn beispielsweise eine Baufirma dreihundert Arbeiter auf einer Baustelle falsch anmeldet, um ihre Mitarbeiter um Bei­träge zu betrügen – sie zahlt dafür maximal die 855 Euro „Säumniszuschlag“.

Das heißt auch: Je mehr Fälle von Sozialbetrug es in einem Unternehmen gibt, umso billiger wird es für das Unternehmen. Dazu kommt noch, dass auch kombinierte Verge­hen nicht mehr als 855 Euro kosten. Wer sowohl die Beitragsgrundlagen nicht meldet als auch fehlerhafte/verspätete Meldungen bei der SV macht – die 855 Euro gelten als gemeinsame Obergrenze.

Nachdem der Sozialausschussvorsitzende Abg. Muchitsch die fatalen Auswirkungen dieser Regelung öffentlich gemacht hatte, wurde von den Regierungsparteien folgende Aussage getroffen: „Mit uns wird es keinen Deckel geben. Wenn es hinsichtlich der Säumniszuschläge bei Anmeldeverstößen noch einer gesetzlichen Klarstellung bedarf, dass für unterlassene Anmeldungen zur Sozialversicherung auch die Säumniszuschlä­ge so wie die Strafen nicht gedeckelt sind, sehen ÖVP-Sozialsprecher August Wögin­ger und FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch kein Problem, diese jederzeit zu treffen. Diese Klarstellung kann bei nächster Gelegenheit gemacht werden, das Gesetz tritt ohnehin erst mit 1. Jänner in Kraft“, teilten die Parlamentsklubs von ÖVP und FPÖ in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme mit.“ (APA 0389 2018-04-19/15:08)

Am 27. Juni findet der letzte Sozialausschuss vor der Sommerpause des Nationalrates statt und damit die letzte Möglichkeit eine Reparatur noch vor dem Sommer vorzuneh­men. Die Regierungsparteien müssten demnach heute, also in der Sitzung des Natio­nalrates am 14.6. einen entsprechenden Initiativantrag zur Reparatur einbringen. Das ist bis jetzt nicht geschehen. Wieder einmal halten diese Regierungsparteien nicht das, was sie vollmundig versprechen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für den Standort Österreich als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einzusetzen und auf nationaler Ebene dem Na­tionalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der der Deckel bei der Ver­hängung von Strafen für Meldeverstöße – § 114 Abs. 6a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL I Nr. 30/2018 – noch vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2019 auf­gehoben wird.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag bezieht sich auf die Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 30/2018, ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Belakowitsch. – Bitte.