16.42

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Lieber Kollege Gudenus, Sie haben gesagt, es gibt keinen 12-Stun­den-Tag; all das, was die Gewerkschaften und Kammern sagen, ist eine Lügenpropa­ganda, entspricht der Unwahrheit. (Abg. Gudenus: Na, ganz sicher nicht! Das haben Sie gesagt!) – Sie haben das nicht? – Ich verstehe dann nicht, wieso in diesem Initiativ­antrag (ein Schriftstück in die Höhe haltend) Folgendes steht:

„In § 4b Abs. 4 wird die Zahl ‚zehn‘ durch die Wortfolge ‚fünfmal pro Woche bis zu zwölf' und die Wortfolge ‚nicht überschreiten‘ durch ‚betragen‘ ersetzt.“ – Das heißt, ich habe da den 12-Stunden-Tag. Und weiter: „In § 7 Abs. 5 letzter Satz sowie § 8 Abs. 1 und 2 wird jeweils das Wort ‚zehn‘ durch das Wort ‚zwölf‘ ersetzt.“

Wenn es also keinen 12-Stunden-Tag gibt, wie Sie es sagen, dann ziehen Sie diesen Antrag zurück! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. Rufe bei der FPÖ: Freiwillig!) Wir können ihn hier zerreißen. (Der Redner hält einen Ausdruck des Initiativantrages in die Höhe und zerreißt ihn.) Es gibt ihn nicht. – Oder Sie haben hier am Rednerpult die Unwahrheit gesagt, Kollege Gudenus! (Ruf: Realitätsverweigerung! – Zwischenruf des Abg. Gudenus. Rufe bei der FPÖ: Freiwillig! – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Kollege Wöginger August, wenn du dir schon von unserem Christian Kern die Arbeits­zeit nicht erklären lässt, wie du es hier gesagt hast, dann erkläre ich sie dir als Arbeiter. (Abg. Höbart: Statt 1,2 ...1,2 Promille offensichtlich!)

Ich erkläre dir, was gesundheitsschädlich ist und was nicht. Ich habe sehr lange als Arbeiter im Schichtbetrieb auch Schwerarbeit geleistet und jeden Schichtrhythmus durchgenommen, meine Damen und Herren, egal ob es eine Dreierschicht, eine Vie­rerschicht oder ein Zwölferradl war. (Abg. Höbart: Er versteht es noch immer nicht!) Ich habe alles durchprobiert beziehungsweise durchprobieren müssen, weil es diese Schichtvarianten gegeben hat. Ich weiß, welche Schichtvariante wirklich körperlich am schwersten war: Es war das Zwölferradl und nichts anderes! Wir haben aber bei uns durch Betriebsvereinbarungen und gute Belegschaftsvertreter Vereinbarungen getrof­fen, sodass wir lange Freizeitblöcke haben.

Man hat am 30. Juni, wenn ich vom heutigen Datum ausgehe, gewusst, wie man am 30. Juni des nächsten Jahres arbeiten wird. Das wird jetzt mit diesem Initiativantrag nicht passieren, weil jetzt der Chef zu mir kommen und sagen kann: Pass auf, du bleibst mir da, ich brauch dich 12 Stunden, denn wir arbeiten just in time, und der Auf­trag muss heute noch hinausgehen!

Ich bringe dir ein Beispiel, lieber August. Da gibt es den Josef aus Nebelberg. Der muss um 3.30 Uhr in der Früh aufstehen, denn um 4 Uhr muss er wegfahren, weil da Abfahrt in die Arbeit ist, weil da der sogenannte Schichtbus weggeht. – Du weißt, dass wir das so nennen. Es gibt einen Pendlersprecher hier im Saal, der das auch bestä­tigen wird. – Da geht der Schichtbus weg, und um 5.30 Uhr kommt er in der Arbeit an. Eine halbe Stunde hat er Zeit, er muss sich umziehen und dann zum Arbeitsplatz be­geben; um 6 Uhr ist Arbeitsbeginn. Um 9.30 Uhr hat er 15 Minuten Pause, natürlich un­bezahlt, denn bezahlte Pausen gibt es ja nicht. Um 12.30 Uhr hat er dann 30 Minuten Mittagspause, selbstverständlich unbezahlt, denn eine bezahlte Mittagspause gibt es ja nicht. Und um 16 Uhr hat er dann wieder 15 Minuten Pause, wenn er 12 Stunden ar­beitet, selbstverständlich unbezahlt, denn bezahlte Pausen gibt es ja nicht.

Um 19 Uhr ist dann Arbeitsende, denn diese eine Stunde Pause, die er hat, muss er natürlich einarbeiten, die kriegt er vom Unternehmen nicht geschenkt. Um 19 Uhr ist Arbeitsende, dann muss er noch duschen gehen, weil er bei der Arbeit schmutzig wird, weil er Schwerarbeit leistet. Um 19.30 Uhr kann er endlich nach Hause fahren und trifft um 21 Uhr zu Hause ein. Er kann gerade noch Abend essen, sich niederlegen, dann hat er sechs Stunden Schlaf, denn um 3.30 Uhr muss er schon wieder in die Höhe, da muss er schon wieder aufstehen, weil er zum nächsten 12-Stunden-Arbeitstag gehen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage dich, August Wöginger – du warst Betriebsratsobmann beim Roten Kreuz und hast uns erzählt, du hast eine Betriebsvereinbarung für eine 60-Stunden-Woche unter­schreiben müssen –: Dann sag aber auch, was für eine Betriebsvereinbarung du für die 60-Stunden-Woche unterschrieben hast. Es war eine solche Betriebsvereinbarung: Wenn mehr als 40 Prozent der Arbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft bestehen, dann be­steht die Möglichkeit, eine 60-Stunden-Woche zu arbeiten. Was heißt denn Arbeitsbe­reitschaft? – Der Mitarbeiter kann sich ausruhen – und ich sage das jetzt nicht im Bö­sen –, er hat keinen Dienst, er sitzt in der Zentrale, kann dort von mir aus seinen Kaf­fee trinken oder sonst etwas tun. Im Produktionsbetrieb aber hackelt er die 12 Stunden durch; da geht nichts anderes. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Meine Damen und Herren, ein Betriebsratsvorsitzender aus Tirol hat den Herrn Vize­kanzler – leider ist er jetzt hinausgegangen – und den Herrn Kanzler eingeladen, in dem Betrieb, es ist eine Gießerei, zu arbeiten. Der Herr Vizekanzler hat ihn wissen las­sen, das sei aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Er arbeite ja auch 12 Stunden am Tag und länger als 60 Stunden in der Woche. (Abg. Deimek: Geh einmal in andere Firmen, die nicht Voest heißen! Geh einmal in der Werkhauptstraße auf die andere Seite, dass du einmal weißt, was Arbeit ist!)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen jetzt etwas: Wenn ich in der Früh vom Chauffeur mit dem Dienstauto abgeholt und ins Büro gefahren werde, eine Bespre­chung im Büro habe und dann irgendwo ein Referat von einer Viertelstunde oder 20 Minuten Länge zu halten habe (Abg. Martin Graf: Lass doch den Kern in Ruhe!), danach vielleicht ein kleines Buffet habe und dann ich in die nächste Besprechung gehe, und so meinen 12-Stunden-Tag vollende, und das mit 12 Stunden in einer Gie­ßerei vergleiche, meine Damen und Herren, und sage, ich arbeite länger (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ), dann ist das doch wirklich ein Witz! Es ist ein Witz, was hier gesagt und getan wird, wie hier mit den Arbeiterinnen und Arbeitern umgegangen wird, meine Damen und Herren!

Ich kann nur eines sagen: Wenn Sie es ehrlich meinen, dann ist jeder Einzelne von euch von mir eingeladen. Er soll einmal vier, fünf Wochen lang am Hochofen oder im Stahlwerk der Voestalpine 12 Stunden am Tag arbeiten, unter den Bedingungen, wie sie die Beschäftigten dort haben, mit der Bezahlung, wie sie die Beschäftigten dort ha­ben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Hafenecker.) Dann vergeht euch der Antrag auf einen 12-Stunden-Tag, dann werdet ihr ihn mit ruhigem Gewissen wie­der zurückziehen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

16.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Peter Haub­ner. – Bitte, Herr Abgeordneter.