18.01

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Vor allem aber: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf mich zunächst einmal dafür entschuldigen, dass ich zu Beginn der Sitzung nicht dabei sein konnte.

Wir hatten gestern eine sehr lange, aber Gott sei Dank erfolgreiche Sitzung in Brüssel, wo nach sehr langer Diskussion um 4.30 Uhr früh endlich eine Einigung in Richtung der sogenannten Anlandezentren außerhalb Europas, also der sicheren Schutzzonen, wie wir sie immer bezeichnet haben, möglich war. Es sollte also in Zukunft möglich werden, dass Menschen, die im Mittelmeer gerettet werden, nicht auf europäisches Territorium gebracht werden, sondern außerhalb Europas gesichert werden, was dazu führt, dass der Zustrom deutlich weniger wird – ein, glaube ich, großer, wichtiger Schritt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich entschuldige mich aber natürlich dafür, dass es dadurch heute erst einen späteren Sitzungsbeginn gegeben hat und ich daher erst mit einiger Verspätung zu Ihnen kom­men konnte.

Jetzt aber zur Sondersitzung und zur aktuellen Debatte: Ich glaube, die Debatte ist eine hitzige, obwohl die Veränderung, die hier gerade stattfindet, ja gar nicht eine allzu große ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben, glaube ich, weder den Bedarf, hier in Jubelchöre auszubrechen, als wäre das die größte und positivste Veränderung der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten, noch ist es, glaube ich, sinnvoll, Angst zu ma­chen und Menschen zu verunsichern, ohne dass das eigentlich notwendig ist.

Richtig ist vielmehr, dass wir natürlich im 21. Jahrhundert in einer modernen und globa­lisierten Welt leben, dass sich die Art und Weise, wie wir arbeiten, dass sich auch die Art und Weise, wie wir Freizeit gestalten, geändert haben und dass das Zusammen­wirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein ganz anderes ist als in vorherigen Jahr­hunderten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, richtig ist auch – und das gilt es ebenfalls festzuhalten –, dass wir heute, im 21. Jahrhundert, in einem globalen Wettbewerb stehen. Nicht nur die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern auch die österreichischen Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer stehen in diesem Wettbewerb. Es ist wichtig, dass wir als Ös­terreich uns auch so aufstellen, dass wir wettbewerbsfähig sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist ja der Grund dafür, dass nicht nur die Volkspartei, sondern viele Parteien und politische Bewegungen schon lange in diese Richtung denken. Die NEOS, aber auch Klubobmann Kern mit seinem Plan A sind in diese Richtung gegangen, weil wir wissen, dass es notwendig ist, dass wir wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir Arbeitsplätze in Österreich sichern wollen und wenn wir auch unseren Sozialstaat finanzieren wollen.

Ohne eine ordentliche Wirtschaftsleistung, ohne Menschen, die tagtäglich arbeiten ge­hen in unserem Land, ohne Wettbewerbsfähigkeit haben wir auch nicht die Steuerein­nahmen, die wir brauchen, um Pensionen zu bezahlen, um unser Gesundheitssystem zu finanzieren und um den Lebensstandard in Österreich so aufrechtzuerhalten, wie wir ihn kennen und schätzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein gewisses Maß an Flexibilität ist nicht nur notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, es ist auch in sehr vielen Fällen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Ich bin mit einer wirklich großen Zahl an Menschen im Austausch (Ruf bei der SPÖ: Große Erfahrung! Abg. Leichtfried: Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, dann noch einmal In­dustriellenvereinigung, dann wieder Wirtschaftskammer!), mit der Bevölkerung vor der Wahl, während des Wahlkampfs, und in der Tätigkeit jetzt. Ich kenne sehr, sehr viele Menschen, die heute wesentlich individueller und unterschiedlicher leben, als das vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Es gibt sehr viele Menschen, die auch ein Interesse daran haben, dass dieser Individualität Rechnung getragen wird, dass es einfach mög­lichst flexible Regelungen für sie gibt.

Insofern glaube ich, dass es richtig ist, dass dieser Schritt gesetzt wird. Und ich glaube, dass viel der Aufregung sich wahrscheinlich auch beruhigen wird, wenn Sie sehen, dass die gesetzliche Regelung in Kraft tritt, und wenn Sie sehen, dass das, was jetzt viele behaupten, so nicht eintritt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte daher ganz schnell ein paar Punkte einfach nur inhaltlich festhalten, die, glaube ich, wichtig sind, damit es hier auch nicht zu falschen Interpretationen kommt.

Es wird keinen Eingriff in bestehende Kollektivverträge geben. Es wird keinen Eingriff in bestehende Betriebsvereinbarungen geben. (Rufe bei der SPÖ: Geh bitte!) Sie ha­ben in der Vergangenheit nicht von der 50-Stunden-Woche gesprochen, weil es in der Vergangenheit keine 50-Stunden-Woche gab, genauso wie es in der Zukunft keine 60-Stunden-Woche geben wird, sondern wir haben in Österreich eine Normalarbeits­zeit von 40 Stunden; das ist gut so. Das war gestern richtig und gut so, das ist morgen richtig und gut so, daher wird es auch so bleiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wo ich einigen Rednern recht geben möchte, ist, dass es natürlich oftmals Anregungen gibt, die richtig und sinnvoll sind, dass es natürlich oftmals auch die Notwendigkeit gibt, Dinge zu präzisieren, damit sie nicht falsch verstanden werden können oder auch nicht absichtlich falsch verstanden werden können. Insofern darf ich auch den Klubobleuten Danke sagen, die hier tätig sind und die jetzt auch auf die Anregungen, die es gegeben hat, eingegangen sind, die das Gesetz präzisiert haben und auch einen dementspre­chenden Vorschlag vorgelegt haben, der nächste Woche hier zur Abstimmung kom­men wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Text, sehr geehrte Damen und Herren, ist nicht nur die Freiwilligkeitsgarantie festgeschrieben, sondern auch die Wahlfreiheit für Arbeitnehmer. Das halte ich für ent­scheidend, dass sie sich aussuchen können, ob die Überstunde abgegolten, also aus­bezahlt wird oder ob sie sich Zeitausgleich nehmen wollen. Auch da sind die Wünsche nämlich höchst unterschiedlich. Es gibt Menschen, die sich im Arbeits- und Berufsle­ben ohnehin ordentlich belastet fühlen, und auf die muss Rücksicht genommen wer­den. Es gibt aber auch genauso viele, die jung, fit, kräftig sind, sich etwas aufbauen wollen, vielleicht einen Kredit abbezahlen müssen und froh sind, wenn sie mehr arbei­ten können und auch dementsprechend mehr verdienen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass die Gleitzeit unverändert bleibt, ist, glaube ich, bekannt. Ich möchte es aber noch einmal betonen, damit es auch da nicht zu Missverständnissen und Unsicherheiten kommt.

Erlauben Sie mir vielleicht nur einen letzten Gedanken, nachdem vorher in der Diskus­sion die Frage war, wer das erfunden hat: Waren es die NEOS? Die Volkspartei? Oder kam es doch das erste Mal im Plan A von Christian Kern vor? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich glaube, es geht nicht darum, wer es erfunden hat, es geht auch nicht da­rum, wer es schon wie lange gefordert hat, sondern es geht darum, dass man manch­mal Entscheidungen trifft.

Ich bin froh, wenn es in Österreich ein Parlament gibt, das auch den Mut hat, Entschei­dungen zu treffen – auch wenn hitzige Diskussionen stattfinden –, weil die Entschei­dung aus meiner Sicht eine inhaltlich richtige ist. Und ich bitte Sie alle – egal ob Sozial­partner, Interessenvertreter oder Abgeordnete –, solche Diskussionen in unserem Land möglichst sachlich zu führen.

Gerade was das Argument der Gesundheit betrifft, wäre ich doch sehr vorsichtig (Zwi­schenrufe bei der SPÖ): Wir alle wissen, dass die größte Gesundheitsbelastung oft bei Menschen vorhanden ist, die in unserem Land leider Gottes keinen Job finden, die ar­beitslos sind. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind diejenigen, die oftmals unter der größten gesundheitlichen Belastung leiden.

Wenn wir dem Argument der gesundheitlichen Belastung folgen würden, dann würde ich mich schon fragen, warum es gerade bei besonders belasteten Berufsgruppen, wie bei Polizistinnen und Polizisten, bei Ärztinnen und Ärzten, bei Pflegekräften oder auch bei Menschen, die im öffentlichen Dienst in anderen Bereichen arbeiten, schon möglich ist, auch bei den ÖBB und in anderen Bereichen, in vielen Betrieben. Ich habe sogar dazugelernt, ich wusste es nicht: In Kärnten ist es im öffentlichen Dienst in gewissen Bereichen heute schon möglich.

Insofern: Machen wir nicht den Fehler, so zu tun, also würde hier etwas eingeführt wer­den, worüber es notwendig ist, so zu jubeln, als hätte es das noch nie gegeben, denn das ist nicht richtig. Es ist aber auch nicht sinnvoll, Ängste zu schüren, als hätte es so etwas noch nie gegeben, denn es gibt viele Berufsgruppen, die davon berichten kön­nen, dass es bei ihnen heute schon Realität ist. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.10

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann. (Ruf bei der SPÖ: Muss das sein?)