9.50

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Herr Minister! Werte KollegInnen! Liebe ZuseherInnen! Ja, nun ist es also soweit und der Familienbonus soll heute beschlossen werden, ein Bonus für einige, aber eben nicht für alle – denn besonders jene, die jetzt schon nichts oder sehr wenig zum Leben und zum Auskommen haben, werden auch vom Familienbonus dementsprechend wenig bis gar nichts erhalten.

Ich spreche von den 324 000 Kindern und Jugendlichen in Österreich, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind. Das ist eine Situation, die in einem der reichsten Länder, wie Österreich es ist, nicht toleriert werden darf und auch nicht toleriert werden soll. Das bedeutet, die Wohnung nicht ausreichend heizen zu können, es bedeutet, kein Geld für neue Kleidung zu haben, eventuell nur für ein Paar Schuhe, keinen Urlaub oder natürlich auch keine ausgewogene Ernährung zu haben. Und es bedeutet, von unerwarteten Ausgaben, etwa, was die Schule betrifft, vor finanzielle Heraus­for­derungen gestellt zu werden, die diese Familien dann nicht meistern können.

Ich habe Sie, Frau Familienministerin, im Familienausschuss sehr oft gefragt, immer und immer wieder, was gegen Kinderarmut gemacht wird. Sie haben mir immer und immer wieder die gleiche Antwort gegeben, nämlich: Wir führen ja jetzt den Familien­bonus ein! – Da frage ich Sie, Frau Ministerin: Können Sie mich nicht verstehen, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Familienbonus bei genau diesen Kindern, die von Armut betroffen oder gefährdet sind, überhaupt nicht ankommen wird, oder wollen Sie es nicht verstehen?

Was Sie hier machen, ist eine Familienpolitik, die ich ganz und gar nicht unterstützen kann, denn Sie fördern Kinder nicht, weil sie Kinder sind, weil sie Bedürfnisse haben und sich nicht selbst erhalten können, sondern Sie fördern Kinder aufgrund des Ein­kommens ihrer Eltern. Und wie sich ein Kind nicht aussuchen kann, ob es in Europa, in Asien oder in Afrika auf die Welt kommt, kann es sich auch nicht aussuchen, ob es in eine Familie mit gut verdienenden Eltern oder schlechter verdienenden Eltern geboren wird. Diesen Unterschied fördern Sie aber mit dem Familienbonus weiterhin, anstatt für soziale Gerechtigkeit zu arbeiten oder, wie es geheißen hat, eine Punktladung zu machen.

Ich habe Ihnen heute symbolisch ein Paar Schuhe mitgebracht. (Die Rednerin hält ein Paar Kindergummistiefel in die Höhe.) Es sind die kleinen Kindergummistiefel meines Mannes, in die ich sehr verliebt bin, weil sie mich immer an den Gedanken erinnern, dass wir alle einmal klein, jung waren, dass wir alle einmal klein angefangen haben und in unserem Leben auch völlig unterschiedliche Startbedingungen vorgefunden haben. Diese völlig unterschiedlichen Startbedingungen befeuern Sie mit dem Fami­lien­bonus weiter und weiter. Sie schaffen weiterhin einen Unterschied zwischen Familien, die gut situiert sind, zwischen jenen, die einen tollen Job haben, sich etwas leisten können im Leben, und zwischen anderen, die von Armut bedroht sind. (Abg. Deimek: 1 700 Euro im Monat ist der direkte Übergang zu Reichtum?!) Deshalb er­suche ich Sie, Frau Ministerin: Hören Sie auf mit einer Politik, die diese Unterschiede zwischen den Kindern noch weiter befeuert! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Sie lassen 150 000 Kindern in Österreich keinen Cent dieses Familienbonus zukom­men, und weitere 550 000 Kinder in Österreich werden den Familienbonus nicht in voller Höhe oder maximal 250 Euro pro Jahr bekommen. Da frage ich mich: Handelt es sich da nicht um Familien? Warum bekommen nicht alle Familien die Unterstützung, die sie beziehungsweise die Kinder brauchen? Ich verstehe nicht, wie man als Minister, als Abgeordnete, als Spitzenverdiener auf der einen Seite den vollen Bonus aus­schöpfen kann und auf der anderen Seite andere Menschen komplett leer ausgehen lassen kann. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Machen Sie bitte eine Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient hat! Machen Sie eine Familienpolitik, einen Familienbonus, der dementsprechend allen Kindern zu­kommt, denn ein Kind braucht, was ein Kind braucht! Ein kleines Geheimnis: Das sind kleine Gummistiefel (neuerlich das Paar Kindergummistiefel zeigend), und diese klei­nen Gummistiefel braucht ein Kind dann, wenn es regnet, wenn es im Kindergarten draußen in der Wiese gatschig ist und man rausgeht, aber trotzdem Schutz braucht. Der nächste Schritt ist, dass man Kletter braucht – und für alle, die das nicht verstehen, das sind Schuhe mit Klettverschluss –, die braucht ein Kind dann, wenn es die Schuh­bänder noch nicht binden kann. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und der nächste Schritt sind dann Schnürer, wenn man stolz darauf ist, dass man es geschafft hat.

All diese Entwicklungsschritte braucht ein Kind. Dazu braucht ein Kind nicht ein Paar Schuhe, dazu braucht es mehrere Paar Schuhe, und deshalb braucht es auch eine Fa­milienpolitik, die bei allen Kindern ankommt. Eine Familienpolitik muss sich daran orientieren, was das Kind braucht, und nicht daran, welche Steuerpolitik damit erreicht werden will, welche Steuersenkungen damit umgesetzt werden wollen. Gestalten Sie den Familienbonus folgendermaßen aus, Frau Ministerin: Ziehen Sie für Spitzen­verdiener einen Deckel ein! Damit würde es möglich werden, einen Sockel nach unten einzuziehen und genau für diese Kinder und Jugendlichen ebenfalls einen Bonus umzusetzen. (Abg. Deimek: Also das Kind vom Rossmann ...!) Gestalten Sie diesen Bonus sozial gerecht aus! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.