10.41

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dem Jahressteuergesetz 2018 werden unterschiedlichste Gesetzesmaterien in einem Ge­setz zusammengefasst. Das ist prinzipiell begrüßenswert. Wenn ich eine Tour de Rai­son durch dieses Jahressteuergesetz machen wollte, dann könnte ich das so zusammen­fassen: wenig Licht, viel Schatten.

Wo sind die Lichter zu erkennen? (Ruf bei der ÖVP: Familienbonus!) – Ein Licht ist etwa die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungs­prak­tiken, was mein Vorredner ja schon erwähnt hat. Ich möchte diesbezüglich aber fest­halten, dass die Verve, mit der diese Regierung an die Steuervermeidung und Steuer­hinterziehung im europäischen Kontext herangeht, doch etwas stärker sein könnte. Wenn ich mir vorstelle, wie viel Gewicht der Bundeskanzler auf die Schließung von Fluchtrouten legt, so möchte ich demgegenüber schon erwähnen, wie wenig Gewicht etwa diese Bundesregierung und mit Sicherheit auch diese Präsidentschaft auf die Schließung von Steuerfluchtrouten legen wird – da sehe ich Nachholbedarf. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nachholbedarf sehe ich aber auch bei der Umsetzung der EU-Richtlinie. Da gibt es nämlich eine Hinzurechnungsbestimmung. Ich möchte das im Einzelnen nicht erläu­tern, aber man hätte natürlich für den Steuersatz eine höhere Grenze als 12,5 Pro­zent wählen können, meinetwegen 15 Prozent, was schon ein Schritt in die richtige Rich­tung gewesen wäre. Ich vermisse da den Mut der Bundesregierung, bei der Umset­zung dieser Richtlinie einen Schritt weiter zu gehen.

Zwei weitere Beispiele möchte ich noch erwähnen, die mir positiv aufgefallen sind: eines betrifft die Änderung der Bundesabgabenordnung, nämlich den erleichterten Zugang zu mobilitätsbezogenen Begünstigungen für behinderte Menschen; ein weite­res betrifft das Gebührengesetz, nämlich die Gebührenbefreiungen für Bürgschafts­erklärungen im Zusammenhang mit Mietverträgen.

Da ich eingangs gesagt habe, dass dieses Jahressteuergesetz auch viele Schatten­seiten enthält, möchte ich zwei erwähnen. Die eine ist die Grunderwerbsteuer. Bei der Grunderwerbsteuer wird eine Klarstellung gemacht, die zu einer völligen Kehrtwende gegenüber einer Information des Bundesfinanzministeriums vom Dezember vergan­genen Jahres führt, wonach nämlich eine mittelbare Grundstückszugehörigkeit auch den Tatbestand der Grunderwerbsteuer auslöst. Von diesem Grundsatz verabschiedet man sich nun. Und es wird festgelegt, dass Immobilienverkäufe von Konzernen, so sie über Holdingkonstruktionen abgewickelt werden, steuerfrei gestellt werden.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, ist nichts anderes als ein Geschenk an die Großspender, die ja sehr häufig aus dem Immo­bilienbereich kommen, Großspender an die ÖVP. Das ist ein Dank der ÖVP und FPÖ an diese Großspender. In Deutschland ist man diesen Weg im Übrigen nicht gegan­gen. In Deutschland sind solche Vorgänge, die bei uns nun grunderwerbsteuerfrei ge­stellt werden, weiterhin grunderwerbsteuerpflichtig.

Nun aber noch einmal zurück zum Familienbonus: Mein Vorredner, Herr Kopf, hat darauf hingewiesen, dass die Einkommensverhältnisse in Österreich so egalitär wären. – Ja, es schaut bei Weitem nicht so schlecht aus wie in anderen Staaten, bei­spielsweise den USA, Großbritannien und anderswo. Wir müssen aber in den letzten 15, 20 Jahren erkennen, dass sich auch bei uns die Schere zwischen niedrigen Einkommen auf der einen Seite und hohen Einkommen auf der anderen Seite wieder öffnet. Der Familienbonus – das habe ich früher ohnehin schon ausgeführt – wird diese Scherenentwicklung weiter befördern.

Eines ist mir in diesem Zusammenhang auch wichtig: Hinsichtlich des Familienbonus ist immer wieder die Rede davon, dass er für jene Menschen geschaffen worden ist, die Steuern zahlen – das wird gemeinhin so gesagt –; es tut mir weh, wenn ich das höre. Gemeint sind natürlich die Menschen, die Lohn- und Einkommensteuern zahlen. Wenn wir aber einen Blick auf die Gesamtabgabenbelastung werfen, so können wir feststellen, dass die niedrigen Einkommen eine nahezu gleich hohe Abgabenbelastung wie die höchsten Einkommen haben. Das untere Einkommensdrittel zahlt nahezu gleich viel an Abgaben und Steuern wie das obere Einkommensdrittel: das untere 43 Prozent, das obere 45 Prozent.

Das heißt nichts anderes, als dass wir in Österreich ein Steuer- und Abgabensystem haben, das nicht progressiv ist, sondern einer Flattax sehr nahe kommt. Warum ist das so? – Das ist deshalb so, weil das untere Einkommensdrittel zwar keine Lohn- und Einkommensteuern zahlt, aber alle anderen Verbrauchsabgaben und Sozialversiche­rungsbeiträge, und diese belasten die niedrigen Einkommen relativ stärker als die obe­ren Einkommen.

Das bedeutet andererseits aber auch, dass alle Steuerpflichtigen zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates in unserem Lande beitragen. Daher empfinde ich diese Debatte, die hier geführt wird, und auch den Familienbonus als etwas, das sehr unehrlich ist. Viel ehrlicher wäre es, zu sagen: Ja, die Steuerbelastung, wie sie ist, ist ungerecht. Und daher wäre es auch ehrlicher, zu sagen: Wir entlasten nicht über einen Familien­bonus – mit allen Nachteilen, die ich vorher schon erwähnt habe, nämlich dass er vom Einkommen abhängig ist und daher untere Einkommen benachteiligt und obere begünstigt –, sondern wir machen eine ganz andere Lösung, die alle gleich begünstigt.

Das kann man auf verschiedene Arten und Weisen machen. Man kann das bei­spiels­weise machen, indem man die Kinderbeihilfe erhöht. Das hätte halt nicht den ge­wünschten Nebeneffekt, den die Regierung gerne hätte, nämlich dass es die Steuer- und Abgabenquote senkt. Man kann natürlich auch den Familienbonus auf eine Art und Weise sanieren, dass er sehr wohl die Steuer- und Abgabenquote senkt, aber auch aus verteilungspolitischer Perspektive gerecht ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich daher folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Adaptierungen gemäß ihres selbst gesteckten Ziels einer fairen und gerechten Familienpolitik, einen echten Familienbonus, der sowohl rechtskonform ist, als auch durch einen Sockel nach unten sowie eine Decke­lung nach oben für soziale Gerechtigkeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen sorgt und sich nicht ausschließlich am Einkommen der Eltern orientiert, in die Regierungs­vorlage einzuarbeiten.“

*****

Wie kann ich das begründen? – Es geht ja aus dem Entschließungstext eigentlich ziemlich klar hervor. Was brauchen wir dazu? – Wir brauchen schlicht und einfach einen negativsteuerwirksamen Sockel nach unten und einen Begrenzungssockel nach oben. Das wäre ein gerechter Familienbonus beziehungsweise eine gerechte Familien­leistung, die unabhängig vom Einkommen ist und tatsächlich mehr Steuergerechtigkeit schaffen würde, als es der Familienbonus derzeit tut. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages.

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 (Bericht des Finanz­ausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ge­sundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundes­finanz­ge­richtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.))

Begründung

Der Gesetzesentwurf zum neuen Familienbonus sieht eine finanzielle Entlastung für Familien vor – jedoch nicht für alle Familien. Im Kapitel „Fairness und Gerechtigkeit“ des aktuellen Regierungsprogramms heißt es: „Familie gibt Halt, Sicherheit und Gebor­genheit in jeder Lebenslage. Wichtige Aufgabe der Politik ist es daher, die erfor­derlichen Rahmenbedingungen anzubieten, damit die Familien in Österreich weiter gestärkt werden, um den Alltag und die Herausforderungen des Lebens bestmöglich meistern zu können.“ Weiters heißt es: „Familien sollen in unserem Land in gesicherten Verhältnissen leben und auch die Familiengründung samt Kinderwunsch darf nicht an Finanziellem scheitern. Die Finanzierung der familienpolitischen Leistungen ist daher einer Reform zu unterziehen, um diese auch nachhaltig auf Dauer sicherstellen zu können.“

Eine Argumentation, die nachvollziehbar und unterstützenswert klingt, betrachtet man aber den Regierungsvorlage zum geplanten Familienbonus inklusive Kindermehrbetrag (190 d.B. XXVI. GP), wird diese den hohen Ansprüchen nicht gerecht, weil diese eben nicht für „Fairness und Gerechtigkeit“ sorgt, da viele Familien von dieser Entlastung ausgeschlossen sind. Personen mit niedrigerem Einkommen, sei es bei Allein­erzie­henden oder auch Paaren, profitieren nur in geringem Maße oder gar nicht von den geplanten Maßnahmen, obwohl diese Personengruppen eine Entlastung am drin­gendsten benötigen würden.

Insgesamt erhalten die untersten 30 Prozent der Haushalte laut einer Modellrechnung der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) nur 17 Pro­zent der gesamten Entlastung. Selbst dann, wenn der für Alleinverdiener(innen) einge­zogene Mindestbetrag von 250 Euro pro Kind und Jahr berücksichtigt wird und auch dann, wenn man die Senkung der Arbeitslosenbeiträge für geringe Einkommen hin­zurechnet (140 Mio. Euro).

Mit Einführung des Familienbonus wird auch die steuerliche Absetzbarkeit von Kinder­betreuungskosten gestrichen. Diese Entlastungspolitik fällt für Alleinerziehende, die eine erhöhte Betreuungsabhängigkeit aufweisen, besonders unverhältnismäßig aus. Etwa 60.000 Alleinerziehende verdienen unter der Lohnsteuergrenze und können somit den Familienbonus nicht ausschöpfen. Sie werden mit nur 250 Euro pro Jahr und Kind im Rahmen des Kindermehrbetrages abgespeist. Dieser Kindermehrbetrag be­trägt ein Sechstel des Familienbonus in voller Höhe – von einer „nachhaltigen Entlas­tung“, wie es in der Kurzinformation des Ministerialentwurfs heißt, kann bei 20,83 € monatlich nicht die Rede sein. Obwohl die Erwerbsbeteiligung unter alleinerziehenden Müttern durchschnittlich höher ausfällt als bei Müttern in Paarbeziehungen, werden Alleinerziehende in der aktuellen Regierung zur Familienform zweiter Klasse erklärt und man begegnet ihnen mit finanziellen Benachteiligungen.

In den Erläuterungen steht bezüglich Kindermehrbetrag: „Durch den Kindermehrbetrag sollen nur jene Eltern mit Kindern entlastet werden, die berufstätig sind. Daher soll der Kindermehrbetrag nicht zustehen, wenn ganzjährig Sozialleistungen, die gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG steuerfrei sind (insbesondere Arbeitslosengeld und Notstands­hilfe), oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung entsprechend den diesbezüglichen Regelungen der Länder bezogen wurden.“

Dies bedeutet, dass Alleinerziehende, die zwar berufstätig sind, aber so wenig verdie­nen, dass sie eine Aufzahlung aus der Mindestsicherung beziehen, nicht einmal diese 250 € jährlich erhalten. Für viele Alleinerziehende ist es aber aufgrund der örtlich schlechten Verfügbarkeit von ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht mög­lich, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, um für ein ausreichendes Familienein­kommen zu sorgen.

Ein-Eltern-Haushalte haben mit im Schnitt 40 % das größte Risiko für Armut oder Ausgrenzung. Einer der Gründe dafür ist, dass der getrenntlebende Elternteil seinen Unterhaltsbeitrag nicht leisten kann oder will. Da auch eine rasche Reform des Unter­haltsgesetzes mit einer Unterhaltsgarantie nicht in Sichtweite ist, bleibt die Lage für viele Alleinerziehende weiterhin prekär.

Der Druck von Opposition, Öffentlichkeit und Medien konnte die Regierung schon zu einigen Verbesserungen und der Schließung von Lücken bewegen, die teilweise aber noch einer weiteren Adaptierung bedürfen. Wir wollen daher folgende konkrete Maß­nahmen zur sozial gerechten, sowie rechtskonformen Ausgestaltung des Familien­bonus sowie des Kindermehrbetrages vorschlagen:

Maßnahme 1: negativsteuerwirksamer Sockel nach unten:

Fixiert und indexangepasst sollen für 2019 festgelegt werden:

         1000 € Entlastung für ein Kind und pro Jahr

         1500 € Entlastung für zwei Kinder und pro Jahr

         2000 € Entlastung für drei Kinder und pro Jahr

         Für jedes weitere Kind erhöht sich der Betrag um weitere 500 €.

Maßnahme 2: Deckel nach oben für SpitzenverdienerInnen

Da es unser Ziel ist im Rahmen der von der Regierung vorgegebenen Beträge zu arbeiten, sollen diese zusätzlichen Kosten durch eine geringfügig kleinere Entlastung bei den sehr gut Verdienenden hereingespielt werden. Wir schlagen dafür eine „flexible Obergrenze“ vor.

Konkret soll entsprechend der aufzuwendenden Negativsteuer für einkommens­schwächere Familien, der Bonus für einkommensstärkere Familien jährlich angepasst werden, um die budgetierten Mittel nicht zu überschreiten.

Maßnahme 3: Nichtdiskriminierung von in Ausbildung befindlichen Jugendlichen

Laut Steuerrechtsexperten birgt die geplante Diskriminierung von in Ausbildung befind­lichen Jugendlichen über 18 Jahren – für sie soll es nur 500 € statt 1500 € Familien­bonus geben – die Gefahr, verfassungswidrig zu sein. So gebe es keine rationale Erklärung, warum der Bonus im Vergleich etwa zur Familienbeihilfe mit dem 18. Le­bensjahr reduziert werden solle. Die Reduktion ab dem 18. Lebensjahr soll daher entfallen, um einerseits Rechtskonformität herzustellen und andererseits auch Jugend­liche über 18 Jahren, die sich in Bildungs- und Ausbildungsverhältnissen befinden, optimal zu unterstützen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Adaptierungen gemäß ihres selbst gesteckten Ziels einer fairen und gerechten Familienpolitik, einen echten Familienbonus, der sowohl rechtskonform ist, als auch durch einen Sockel nach unten sowie einer Decke­lung nach oben für soziale Gerechtigkeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen sorgt und sich nicht ausschließlich am Einkommen der Eltern orientiert, in die Regierungs­vorlage einzuarbeiten.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort ist Abgeordneter Angerer gemeldet. – Bitte.