17.12

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Was immer auffällt, wenn ein Mitglied des ÖVP-Klubs hier eine gut vorbereitete Rede hält, ist der tiefe Kniefall zum Schluss, der tiefe, dankbare Kniefall vor dem Bundeskanzler und Parteivorsitzenden. (Widerspruch bei der ÖVP. – Bundeskanzler Kurz: Es war eher umgekehrt!)

Der Tiroler Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl liefert dafür eine Erklärung im heutigen „Standard“. Ich weiß nicht, ob es die richtige Erklärung ist, ich zitiere diesen hohen ÖVP-Arbeiterfunktionär. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) „Die Abgeordneten wer­den nicht informiert, deshalb will ich sie gar nicht kritisieren, die tun mir leid. Diese Regierung hat sich sektenartig strukturiert. Ein kleiner Kreis entscheidet, und der Rest wird dumm gehalten. Das hat diktatorische Züge, das ist erschütternd.“ (Ruf bei der ÖVP: Ist das die Liste Pilz?)

Das sagt der schwarze Präsident der Tiroler Arbeiterkammer. Da gibt es noch viel mehr. (Abg. Stefan: So demokratisch wie die Liste Pilz? – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Da beschreibt er auch: „Die türkisen Putschisten sitzen nun an der Spitze und bezahlen mit Zinsen an die Großsponsoren und die Industriellenvereinigung zurück, was die ihnen im Wahlkampf gespendet haben. Das gab es früher in diesem Ausmaß nicht, das ist demokratiegefährdend.“ Das ist parteiinterne Diskussion in der ÖVP. Ich bin froh, dass diese Diskussion beginnt und auch in dieser Offenheit geführt wird.

Ich danke aber auch Kollegen Jenewein für seine sehr offene Kritik am Koalitions­partner. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein freiheitlicher Abgeordneter den damali­gen Außenminister und jetzigen Bundeskanzler als Totalversager bezeichnet. (Beifall bei Abgeordneten von Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Jenewein: Habe ich nicht getan!) Er muss es wissen, und da Kollege Jenewein seine Reden immer penibel und sachlich vorbereitet (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jenewein), halte ich es für äußerst un­wahrscheinlich, dass er hier einem Irrtum unterliegt.

Jetzt ist natürlich die Frage: Warum hält die Freiheitliche Partei einem Totalversager in Fragen der Integration und der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik die Treue? – Ich kann es nicht beantworten, wir müssen da selbst fragen. Eine mögliche Antwort liegt in der Politik selbst. Die Regierungspolitik besteht ja aus zwei Kernen; einem türkisen Kern, das ist so das Modell KTM (Abg. Gudenus: Steht alles im Text! Den haben wir schon gelesen!): Ich spende 400 000 Euro und lukriere zwischen 4 und 15 Millionen Euro innerhalb einer Legislaturperiode, also Verzinsung immer so zwischen tausend und ein paar tausend Prozent. Das ist das türkise Modell.

Der blaue Kern – und das ist für mich persönlich das wirklich Überraschende – findet sich in der Regierung in der Europapolitik. Das ist freiheitliche Politik, reden wir einmal offen darüber! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Alles, was die FPÖ in den letzten Jahren an der Europapolitik ändern wollte, wird unter Bundeskanzler Kurz vollzogen.

Visegrád: Strache fordert im September 2016, Österreich soll der Visegrádgruppe beitreten. – Na, was wir jetzt mit Sebastian Kurz erleben, ist im Prinzip eine Orbán-Imi­tation; das ist die Nummer Orbán, bis hin zu: Österreichische Botschaft interveniert in Washington bei amerikanischen Journalisten persönlich. Das ist Viktor Orbán, nur etwas freundlicher, burschikoser und wienerischer. Das ist die Geschichte; und die Geschichte, zu renationalisieren und unter dem Schlagwort Subsidiarität die euro­pä­ische Entsolidarisierung zu verkaufen, gehört auch dazu.

Vielleicht ist es auch eher freiheitliches Verhalten – weil es das in der ÖVP bis jetzt nicht gegeben hat –, dass man sich mit den CSU-Freunden und -Freundinnen in Linz trifft, um offen einen Putsch, einen politischen Putsch, gegen die deutsche Bundes­kanzlerin zu unterstützen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das habe ich noch nie erlebt, dass ein amtierender österreichischer Regierungschef und Parteifreund den politischen Hin­ter­grund, den Nachbarschaftshintergrund für einen politischen Putsch aus München liefert.

Na, wie war es denn (Zwischenrufe bei der SPÖ), als es das Treffen in Linz gab und Kurz zu den CSU-Freunden und -Freundinnen sagte: Das Weiterwinken nach Mittel­europa muss beendet werden!? (Abg. Bösch: Bravo! Da hat er recht!) Das war noch zu der Zeit, als der Bundeskanzler kurzfristig vergessen hat, dass hinter der bayeri­schen Grenze Österreich ist. Das hat sich ja jetzt wieder geändert. (Abg. Bösch: Das war jetzt eine Wiederholung, Herr Kollege!) Darauf Söder: Ich danke dir für deinen Mut und dass du hier für neue Bewegung sorgst! (Abg. Stefan: Wahnsinnsaussagen! Bist du narrisch!)

An dieser Stelle mischt sich dann Matteo Salvini ein und erklärt, wie in dieser Gemein­schaft Politik zu betreiben ist (Ruf bei der FPÖ: Ein gewählter Innenminister!) – Matteo Salvini, der italienische Innenminister, dem jetzt Strache und Kickl einen ersten Besuch abgestattet haben. Zitat Salvini: Wir brauchen ein großes Aufräumen, Straße für Straße, Platz für Platz, Nachbarschaft für Nachbarschaft. (Abg. Gudenus: Sapperlot! – Abg. Bösch: Pilz ist alt geworden!) – So haben das letzte Mal in Italien die Trupps von Mussolini auf den Straßen gesprochen, und nicht die Mitglieder einer demokratischen Regierung. (Abg. Gudenus: Sie wirken müde, Herr Pilz!) Auf den Straßen, in der Nachbarschaft aufräumen, das sind die Worte eines italienischen Regierungsmitglieds. (Abg. Gudenus: Müde und zermürbt!)

Da tritt aber wieder Sebastian Kurz auf und sagt: „Wer auf Orbán und Salvini herab­schaut, zerstört die EU“. – Wer auf Salvini herabschaut, wer Salvini kritisiert, wer sich von Salvini distanziert, gefährdet die EU? – Nein, Herr Bundeskanzler, Ihre neuen Freunde gefährden die EU, Ihre neuen Kollegen. Ihre neuen Kameraden sind erstran­gige Gefährder der Europäischen Union. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Nicht wir, nicht die Sozialdemokraten, nicht die NEOS (Abg. Zanger: Wenn du die SPÖ nicht hättest, würde keiner mehr klatschen bei dem Blödsinn!) und nicht die noch halbwegs selbstständig handlungsfähigen Teile der alten ÖVP gefährden die EU, son­dern Salvini gefährdet die EU, Seehofer gefährdet die EU, Orbán gefährdet die EU, Strache gefährdet die EU, und Sebastian Kurz gefährdet die EU! Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Die Allianz der Trittbrettfahrer in der Achse München-Wien-Buda­pest, das ist die Gefahr für die Europäische Union. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Dann wird das ja von einem Berufenen zusammengefasst, der die Gruppe, ihre Wir­kungs­macht und ihre Bedeutung erkennt – ich zitiere –: „Die, mit denen wir zusam­menarbeiten wollen, müssen, die heißen zum Beispiel: Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz, Matteo Salvini und auch Victor Orban“. – Das sagt Jörg Meuthen, der Vorsitzende der AfD. (Abg. Gudenus: Na, hör auf! – Abg. Zanger: Wahnsinn!) Der beschreibt - - (Abg. Gudenus: Empöret euch! Wahnsinn! Hat er noch mehr gesagt? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Freudige Zustimmung vonseiten der Freiheitlichen Partei! AfD, Freiheitliche Partei, es ist nichts Neues.

So, das ist der Punkt, an dem wir sind. Und vor diesem Hintergrund, Herr Bun­des­kanzler - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte schön, schreiben Sie (in Richtung des Parlamentsstenographen) da rein: Aufregung bei der Freiheitlichen Par­tei. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gudenus und Schimanek. – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Bitte schön, schreiben Sie da rein: Anhaltende Aufregung bei der Freiheitlichen Partei. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Bitte, schreiben Sie rein: Die Aufregung geht wieder zurück. (Abg. Schimanek: Das ist nicht korrekt! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

So, Herr Bundeskanzler, eines wollte ich trotzdem noch kurz mit Ihnen besprechen: Sie haben das Parlament heute bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage in einer Art und Weise behandelt, die ich ganz vorsichtig nur als letztklassig bezeichnen kann. Sie haben einfach keine einzige der konkreten Fragen konkret beantwortet. (Abg. Jarolim: Ist ja nicht das erste Mal! – Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Beispiel, Frage 14: „Was kostet der jährliche Grenzschutz gegen illegale Übertritte an der österreichischen Ost- und Südgrenze?“ – Ihre Antwort: Die Ressorts haben Kostenschätzungen erarbeitet. Auf unsere Fragen zu konkreten Zusagen von Staaten für Lager in Nordafrika: keine Antwort. Konkrete Absagen? – Keine Antwort. Ich kann es der Reihe nach durchgehen. Ich erspare es mir.

Das Problem dabei ist: Einiges davon wissen Sie. Einige Antworten würden Ihr Ver­sagen zuerst als Außenminister, dann als Bundeskanzler dokumentieren. (Abg. Gudenus: Wie war das vor Gericht bei Ihnen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Bevor Sie Fragen beantworten, nehmen Sie sich heraus, diesem Parlament (Zwischenruf des Abg. Zanger) – und damit ignorieren Sie gesetzliche Bestimmungen, die in diesem Haus gelten – Fragen dieses Parlaments nicht zu beantworten. Sie gehen mit diesem Parlament bereits in einer Art und Weise um, wie wir es nur aus östlichen Nachbar­staaten kennen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Und ich will – ich schreibe es Ihnen gleich in Ihr Stammbuch, Herr Bundeskanzler Kurz – keinen Visegrádostblock und ich will nicht, dass Österreich Mitglied eines Vise­grádostblocks wird (Abg. Gudenus: Diese Ausländerfeindlichkeit! Unbeschreiblich!), auch wenn sich Bundeskanzler Kurz Chancen auf eine Führungsrolle in diesem Ost­block ausrechnet. – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Jarolim: Das war eine vernünftige Rede!)

17.22

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Bißmann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.