10.53
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! (Ruf: Das war gut! Recht hat er, der Rosenkranz! – Abg. Jarolim: Deswegen ist der Herr Rosenkranz nur mehr mit 60 Prozent gewählt worden! Ihnen rennen die eigenen Leute davon! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der FPÖ und des Abg. Jarolim.) – Ist jetzt einmal, Herr Kollege Jarolim, kurz Ruhe im Karton? (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)
Wir sehen hier im Hohen Haus ziemlich viele Taferl auf beiden Seiten, und wir sehen ziemlich wenig Hirnschmalz in der parlamentarischen Arbeit. (Ruf: Hallo?!) Jetzt stehe ich hier wirklich als überzeugter Befürworter der Arbeitszeitflexibilisierung, aber Sie machen es einem wirklich schwer. Sie schleudern am 14. Juni einen Entwurf daher, Sie schleudern am 29. Juni einen korrigierten Abänderungsantrag nach, und heute um 9.27 Uhr kriegen wir noch einen Abänderungsantrag. Okay, der war nicht mehr viel anders, aber gut. (Abg. Gudenus: Den hätten Sie auch machen können, den Antrag!) Daran sieht man, mit welcher Qualität Sie arbeiten, nämlich mit einer minderwertigen. Das Gesetz ist so schlecht gemacht, dass man tatsächlich glauben könnte, es wäre in den schwarzen und blauen Parlamentsklubs geschrieben worden (Abg. Belakowitsch: Aber hallo?!), und zwar in einer Woche, als Vizeklubdirektor Hartig Urlaub hatte; der hätte das nämlich vielleicht noch gekonnt. (Beifall bei den NEOS.)
Kommen wir zum Inhaltlichen! Also ich gehe davon aus, dass Sie als Parlamentarier Ihre Arbeit ernst nehmen, die Anträge genau lesen und sich überlegen, was Sie tun. Wir haben einen Antrag auf getrennte Abstimmung eingebracht, und zwar zur Frage, wie wir mit den Vollausnahmen aus dem Arbeitszeitgesetz umgehen. Ich sage Ihnen als langjähriger Personalleiter: Das, was Sie da machen, geht zu weit, und Sie sollten sich das überlegen! Kollege Keck hat einmal gesagt, der Loackerismus ist noch schlimmer als der Thatcherismus, und jetzt sage ich Ihnen: Das geht zu weit. Da sollten Sie ins Nachdenken kommen.
Wenn Sie die dritte Führungsebene vom Arbeitszeitgesetz voll ausnehmen, dann sieht man, dass tatsächlich die Industriellenvereinigung dieses Gesetz geschrieben hat. Natürlich, die dritte Führungsebene in der OMV, die dritte Führungsebene bei Böhler-Uddeholm oder bei der Voest, das sind wirklich Kapazunder – aber die dritte Führungsebene bei Ihrer regionalen Sparkasse, die dritte Führungsebene bei Ihrer Fabrik um die Ecke mit 200 Mitarbeitern ist ein kleiner Teamleiter mit fünf Nasen, die er verantwortet. Das ist die dritte Führungsebene, die Sie voll vom Arbeitszeitgesetz ausnehmen wollen. Da gelten dann keine 10 Stunden, keine 12 Stunden, da gilt gar nichts mehr, keine Vorschrift über die Nachtruhe, über die Wochenendruhe. Diese Person kann dann auch keine Überstunden ablehnen, die ihr aufgetragen werden, denn sie ist ja von diesem Gesetz dann ausgenommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)
Bis mit der neuen Regelung, die Sie im Begriff sind, zu beschließen, klar ist, wer denn jetzt eine Vollausnahme vom AZG ist und wer nicht, wird es Jahre dauern. Professor Marhold von der WU sagt, das wird Rechtsstreitigkeiten provozieren – also Sie provozieren Rechtsstreitigkeiten. Natürlich freut sich der Rechtsanwalt Rosenkranz (Abg. Rosenkranz: Der bearbeitet das gar nicht!), weil natürlich Anwälte mit diesen Rechtsstreitigkeiten dann viel Arbeit haben. (Abg. Rosenkranz: Das ist falsch! Das ist falsch!) – Es ist kerzengerade richtig.
Wir bringen folgenden Abänderungsantrag ein, den ich jetzt verlese und in weiterer Folge erkläre:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:
I. In Art 1 Z 5 lautet § 7 Abs. 1:
„(1) Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes können durch Betriebsvereinbarung Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden. Dabei darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unbeschadet den Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 bis 5 zulässige Dauer innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten. Die Regelungen des § 9 Abs. 4 bleiben unberührt.“
II. Art. 1 Z 8 lautet wie folgt:
„§ 7 Abs. 6 und Abs. 6a entfallen.“
III. Nach Art. 1 Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:
„10a. Dem § 10 wird folgender Abs. 4 angefügt:
(4) Abweichend von Abs. 1 und 2 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Überstunden, durch die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, bestimmen, ob die Abgeltung in Geld nach Abs. 1 Z 1 oder durch Zeitausgleich nach Abs. 1 Z 2 erfolgt. Der Zeitausgleich kann ganztägig verbraucht werden und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit darf nicht ausgeschlossen sein. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben.“
*****
Jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo Sie (in Richtung ÖVP und FPÖ) den Arbeitgebern einen schlechten Gefallen tun, nämlich bei Ihrer Konstruktion der Freiwilligkeit. Was ist die Konstruktion, die die Regierungsmehrheit da wählt? – Nämlich: Nur für Gleitzeitvereinbarungen wollen Sie eine Betriebsvereinbarung vorschreiben. Jemand, der im Schichtdienst arbeitet, braucht hingegen keine Betriebsvereinbarung. Ihm kann der Arbeitgeber einseitig die Überstunden vorschreiben, und der Mitarbeiter muss einseitig widersprechen und hat dann einen Kündigungsschutz, einen Motivkündigungsschutz.
Jetzt wird die Gewerkschaft zu Recht – ich täte es auch, wenn ich Gewerkschafter oder Arbeiterkämmerer wäre – hergehen und den Mitarbeitern sagen, sie sollen bitte alle sechs bis zehn Monate eine solche Überstunde ablehnen, denn damit haben sie sich selbst den Kündigungsschutz eingekauft und sind pragmatisiert. Ob Ihre Arbeitgeber das wollten, Frau Graf, Frau Winzig, ob Sie da weit genug gedacht haben, das frage ich mich. Da wäre es schon klüger, ich habe eine Betriebsvereinbarung und habe kein solches individuelles Ablehnungsrecht mit einem Kündigungsschutz und pragmatisierten Mitarbeitern.
Was Sie auch gemacht haben, ist Folgendes: Nachdem Ihr Antrag am 14. Juni gekommen ist, wurde reklamiert, dass kein ganztägiger Zeitausgleich vorgesehen ist. Das haben Sie jetzt hineingenommen, und den ganztägigen Zeitausgleich sehen Sie jetzt für Mitarbeiter in Gleitzeit vor, aber wenn der Schichtarbeiter angeordnete Überstunden machen muss, dann kann er zwar den Zeitausgleich wählen, er hat aber keinen Anspruch auf ganztägigen Zeitausgleich. Ihm kann der Chef den Zeitausgleich auch nur stundenweise gewähren. Jetzt müssen Sie sich die Situation in einer Fabrik vorstellen – ich war zum Beispiel in einer Papierfabrik –: Die im Büro dürfen ganztägig Zeitausgleich nehmen, und die Kollegen, die – bei 40 Grad Hitze und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit – in der Fabrik arbeiten, dürfen nur stundenweise Zeitausgleich nehmen. (Abg. Rosenkranz – den Kopf schüttelnd –: Das ist doch schon ...!) – Das ist die Logik, die Sie in Ihr Gesetz hineingezimmert haben! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)
Was Sie gemacht haben, ist unlogisch, es ist ganz schlecht gemacht, es wird Rechtsstreitigkeiten provozieren. Als wirklich überzeugter Verfechter einer Arbeitszeitflexibilisierung kann ich sagen: Man kann wirklich alles, was man vorhat, schlecht machen – und das haben Sie zusammengebracht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)
10.59
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
zum Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:
I. In Art 1 Z 5 lautet § 7 Abs. 1:
„(1) Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes können durch Betriebsvereinbarung Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden. Dabei darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unbeschadet den Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 bis 5 zulässige Dauer innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten. Die Regelungen des § 9 Abs. 4 bleiben unberührt."
II. Art. 1 Z 8 lautet wie folgt:
„ § 7 Abs. 6 und Abs. 6a entfallen."
III. Nach Art. 1 Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:
„10a. Dem § 10 wird folgender Abs. 4 angefügt:
(4) Abweichend von Abs. 1 und 2 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Überstunden, durch die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, bestimmen, ob die Abgeltung in Geld nach Abs. 1 Z 1 oder durch Zeitausgleich nach Abs. 1 Z 2 erfolgt. Der Zeitausgleich kann ganztägig verbraucht werden und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit darf nicht ausgeschlossen sein. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben."
Begründung
Ad I.
Der ÖVP/FPÖ-Antrag sieht Betriebsvereinbarungen als Voraussetzung für Gleitzeitmodelle mit 12h-Tagesarbeitszeit vor. Die Ausdehnung der Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden für Arbeitnehmer_innen, die nicht im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung arbeiten, soll nur mittels einer Betriebsvereinbarung möglich sein. Dadurch wird die Mitbestimmung von Arbeitnehmer_innen auf betrieblicher Ebene gestärkt und eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer_innen, die in verschiedenen Formen der Arbeitszeit arbeiten, verhindert. Außerdem stellt dieses Erfordernis eine Stärkung der betrieblichen Ebene und einen Schritt hin zu mehr Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Unternehmen und deren Mitarbeiter_innen dar und ermöglicht mehr maßgeschneiderte Lösungen auf betrieblicher Ebene.
Ad II.
Im vorliegenden Initiativantrag der Abg. Haubner/Klinger ist sowohl die einseitige Anordnung, als auch die einseitige Ablehnung von Überstunden möglich, was einem partnerschaftlichen Miteinander auf betrieblicher Ebene fundamental zuwider läuft. § 7 Abs. 6 und 6a AZG regeln derzeit die Vorgehensweise für Sonderfälle von Überstundenarbeit, sofern keine Betriebsvereinbarung vorhanden ist. Aufgrund der im gegenständlichen AÄA vorgesehenen Änderungen, wonach eine Ausdehnung der Arbeitszeit auf 12 Stunden bei erhöhtem Arbeitsbedarf nur auf Basis einer Betriebsvereinbarung möglich ist, können diese Bestimmungen entfallen. Damit machen wir einen Schritt hin zu betrieblichen Lösungen und stärken ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen vor Ort.
Ad III.
Während der ursprüngliche Gesetzesvorschlag der Abg. Haubner/Klinger Arbeitnehmer_innen, die in Gleitzeit arbeiten, ermöglicht, ihr Zeitguthaben jedenfalls ganztägig zu verbrauchen, fehlt eine entsprechende Regelung für Arbeitnehmer_innen, die nicht in Gleitzeit arbeiten und trotzdem 11 oder 12 Stunden erbringen. Mit einer Änderung analog zur Formulierung des Art. 1 Z 4 (§ 4b Abs. 4) wird diese Ungleichbehandlung behoben. Damit ist es allen Arbeitnehmer_innen möglich, längere Freizeitblöcke als Kompensation für die 11. und 12. Stunde in Anspruch zu nehmen. Auch das Ziel flexiblerer Arbeitszeiten, nämlich bessere Vereinbarung von Beruf, Familie und Freizeit, kann damit besser erreicht werden.
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Wöginger. – Entschuldigung, es erfolgt zuvor noch eine tatsächliche Berichtigung durch den Abgeordneten Jarolim. – Bitte.