11.43

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Die Regierungsfraktionen haben sich ja entschieden, den Weg, den dieses Gesetz hier im Haus gehen soll, so zu beschreiten, dass es eigentlich keine in­tensive Auseinandersetzung damit geben kann. Es wurde keine Ausschusssitzung an­gesetzt, und es wurde auch alles unternommen, damit es keine Begutachtung gibt.

Wir als sozialdemokratische Fraktion haben gesagt, das nehmen wir nicht hin, die Zi­vilgesellschaft muss trotzdem die Möglichkeit haben – und wir geben sie ihr –, ihre Stellungnahmen abzugeben. Das ist dabei rausgekommen (das Konvolut an Schriftstü­cken in die Höhe haltend): über 200 Stellungnahmen von Institutionen und einzelnen betroffenen Personen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das schafft bei all der Polemik, die wir uns vorher haben anhören müssen, vielleicht einmal auch die Möglichkeit, ein paar Sachargumente herauszugreifen. Zum Beispiel steht in einer Stellungnahme: „Die beabsichtigten Gesetzesänderungen [...] sind ver­fassungsrechtlich bedenklich. Die Planung derart umfassender Gesetzesänderungen ohne Begutachtungsverfahren ist demokratiepolitisch bedenklich und eine Geringschät­zung des Familienlebens mit gravierenden Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ord­nung.“ – Das sagt die Österreichische Bischofskonferenz.

„Die Änderung des Arbeitszeitgesetzes widerspricht insbesondere den Prinzipien der Soziallehre der katholischen Kirche [...], da sie die Freiheit der Beschäftigten ein­schränkt [...], damit auch in die Würde der Arbeit eingreift [...], das Familienleben nach­teilig beeinflusst [...], die Bedeutung der ArbeitnehmerInnenvertretung massiv beschnei­det [...], Wettbewerbsinteressen über den Schutz der ArbeitnehmerInnen stellt [...] und damit das Ungleichgewicht in der Arbeitswelt [...] verstärkt.“ – Das sagt die Arbeitsge­meinschaft Kirchlicher DienstnehmerInnenvertretungen Österreichs.

Oder, um Ihnen eine weitere Stellungnahme vorzulesen: „Der [...] Initiativantrag würde zu einem massiven und ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmerschaft gehenden Eingriff in das bestehende Arbeitszeitregime führen [...] Offenbar dient dieser Initiativ­antrag mit der allgemeinen Einführung eines 12-Stunden-Tages und einer 60-Stunden-Woche ausschließlich dazu, Arbeitgebern die gesetzliche Grundlage zu bieten, um Ar­beitnehmer über längere Zeiträume hinweg bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich, zum Teil auch ohne Überstundenzuschläge beschäftigen zu können – und dies bei gänzlicher Außerachtlassung der für die Wahrung der Interessen der Arbeit­nehmerschaft bedeutsamen gesundheitspolitischen, familienpolitischen [...] und gesell­schaftspolitischen Zwecksetzungen des Arbeitszeit- und Arbeitsruherechts. Der Initia­tivantrag muss [...] als Gesamtes abgelehnt werden.“

Wer sagt das? – Erwin Zangerl, Arbeiterkammerpräsident in Vorarlberg und nach Ei­gendefinition ein sozialer Schwarzer. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: In Tirol! In Tirol! – Abg. Lausch: Das ist alles falsch, was Sie da reden!) Vermutlich der letzte soziale Schwar­ze aus der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß ja nicht, wie es bei der ÖVP ist, wie schnell man auf Leute pfeift, die ein bisschen eine Meinung und eine Ahnung von einem Thema haben und das dann auch öffentlich kundtun. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es stimmt mich sehr nachdenklich, dass Sie jetzt mit der Meinung von Präsident Zangerl derart missachtend vorgehen.

Aber ich darf Ihnen noch etwas zitieren. Auch Professor Risak vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht auf der Universität sagt Folgendes: „Die in der medialen Diskussion immer wieder hervorgehobene ,Freiwilligkeit‘ bildet der Entwurf nicht ab [...].“

Genau das Gleiche ist es auch, was es zum Abänderungsantrag zu sagen gibt.

Fassen wir zusammen, und das steht in all diesen Stellungnahmen drinnen: Die Ein­führung des 12-Stunden-Tages, die 60-Stunden-Woche bedeuten einen Anschlag auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land: Lohnraub, Freizeitraub, Ge­sundheitsraub. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Das ist nicht wahr, das wissen Sie!)

Das wissen auch die Leute! Gehen Sie hinaus auf die Straße und hören Sie sich um! Und wenn Sie nicht hinausgehen wollen, dann schauen Sie einmal auf Ihre Facebook-Seite, was Ihnen dort die Leute schreiben! (Abg. Gudenus: Aus der Giftküche des ÖGB!) Die Leute sagen nämlich: Wir wollen nicht weniger Geld, weil es keine Über­stundenzuschläge gibt. Weniger Freizeit und weniger Zeit für Familie, das ist nicht das, was wir wollen. Weniger Zeit für das Vereinsleben, für das freiwillige Engagement oder Arbeiten auch am Wochenende, das ist nicht das, was wir wollen. Und weniger Ge­sundheit – weil nämlich länger arbeiten krank macht –, das ist auch nicht das, was wir wollen.

Wo kommt das alles her? Wir fragen uns ja: Wie kann es sein, dass eine Regierung aus ÖVP und FPÖ einen derartigen Protest in Kauf nimmt? Wir haben lange nachge­dacht, woher das kommt. Und dann sieht man es: Das hat sich jemand bestellt wie beim McDonald’s beim Drive-Thru. KTM-Chef Pierer sagt (eine Tafel mit den Zitaten in die Höhe haltend): „Starre Gesetze sind ein Hemmschuh.“ „Zwölf Stunden sollten mög­lich sein“, wünscht sich Stefan Pierer in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 2. Februar 2017. Und er hat es sich nicht nur gewünscht, er hat auch Geld dafür her­gegeben. Er hat es der ÖVP gespendet, und heute muss die ÖVP natürlich das liefern, wofür sie die Spenden kassiert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Was nehmt ihr dafür in Kauf? – Ihr nehmt in Kauf, dass Hunderttausende Menschen in diesem Land ihre Sorgen kundtun. Und was sagt Sebastian Kurz dazu? – Er sagt, es ist ihm wurscht. Die Bedenken dieser Hunderttausenden Menschen (eine Tafel, auf der eine große Menge von Demonstranten zu sehen ist, in die Höhe haltend), die am ers­ten Ferienwochenende auf die Straße gegangen sind, sind Sebastian Kurz einfach wurscht. Wie heißt es auf gut Deutsch: Ihr fahrts drüber. Ihr fahrts drüber über die so­zialen Rechte in unserem Land, ihr fahrts drüber über die Ängste der Leute. Und: Ist das gut für unser Land? – Nein! (Abg. Belakowitsch: Sind Sie gut für unser Land? – Nein!)

Heute ist ein schwarzer Tag. (Abg. Brückl: Pflastersteine-Tag!) Oder, um mit Zangerl zu sprechen: Heute ist ein türkiser Tag. Heute ist ein schlechter Tag für Österreich, ein schlechter Tag für den sozialen Frieden in unserem Land. Die Verantwortung dafür tra­gen der Konzernkanzler Kurz und der Arbeiterverräter Strache. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brückl: Räumen Sie einmal Ihre Pflastersteine weg!)

11.49

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.