14.01

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Bundesministerin, du hast mich persönlich angesprochen und hier eine Studie erwähnt, die laut deinen Aussagen besagt, dass die flexiblen Arbeitszeiten dazu führen, dass es den Menschen gesundheitlich besser geht.

Ich unterstelle dir nicht, dass du das mutwillig gemacht hast, aber ich darf sagen, dass man, wenn man wissenschaftliche Studien und vor allem Publikationen liest, sich nicht nur die Überschriften dieser Publikationen anschauen sollte (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein), denn die relevanten Informationen stehen im Kapi­tel Resultate und Schlussfolgerungen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Genau in diesem Kapitel deiner Studie steht ganz klar geschrieben, dass sich die ver­besserten Gesundheitsdaten ausschließlich auf selbstbestimmte flexible Schichtarbeit beziehen – und das ist in diesem Sinne nicht das Thema der heutigen Diskussion. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Die Studienautoren deiner Studie schlussfolgern auch ganz klar, dass ihre Daten nicht ausreichen, um Schlüsse zum Gesundheits-Outcome der überlangen Arbeitszeiten zu machen.

In diesem Sinne ist diese Studie keine adäquate zur Untermauerung Ihres neuen Ar­beitszeitgesetzes. Wenn das die einzige Studie war, die die Frau Bundesministerin vor­legen kann (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein), dann heißt das für mich, dass sie keine einzige wissenschaftliche Arbeit im medizinischen Bereich finden konnte, die diese Arbeitszeitregelung, die Sie hier vorschlagen, untermauert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Hingegen kann ich Ihnen sagen: Das (ein Konvolut an Unterlagen in die Höhe haltend) sind die Arbeiten, die ich allein in den letzten drei Tagen zu diesem Thema überlange Arbeitszeit ohne adäquate Ruhepausen und Freizeitblöcke finden konnte. (Abg. Dei­mek: Die kommen gleich nach den vier Tagen! Haben Sie mal woanders gearbeitet als am Schreibtisch?) Und das ist nur ein kleiner Auszug aus den wissenschaftlichen Ar­beiten zu diesem Thema.

Diese Arbeiten und viele mehr, auch Ärzte und Ärztinnen dieses Landes – wir hatten das schon einmal, Déjà-vu Rauchverbot – sagen, dass überlange Arbeitszeiten ohne adäquate Ruhepausen Menschen kränker machen, mehr Herzinfarkte, Depressionen, Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus verursachen. (Abg. Hai­der: Es gibt ja Ruhepausen!)

Das ist volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich wirklich totaler Nonsens, was Sie hier machen. Und was folgt aus diesen Erkrankungen? – Es folgen mehr Kranken­stände, mehr Frühpensionierungen und die Arbeitslosigkeit wird steigen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.) Und warum? – Weil Menschen keine Maschinen sind, die einen Knopf haben, mit dem man einfach eine längere Betriebszeit einschalten kann, um bei 28 Grad statt 8 einfach 12 Stunden am Bau arbeiten zu können – nein. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

Sie schaffen dadurch auch – ich hatte es schon erwähnt – eine Zweiklassengesund­heit, Frau Ministerin! Warum? (Ruf bei der FPÖ: Die gibt es schon längst! – Abg. Ro­senkranz: Mehrklassengesundheit!) – Weil die gesundheitlichen Schäden und Auswir­kungen für jene Gruppen signifikant höher sind, die wenig Mitspracherecht und wenig Entscheidungsfreiheiten im Bereich ihrer Arbeit haben und weniger qualifiziert sind.

Das trifft uns Privilegierte in diesem Raum nicht, da gebe ich Ihnen recht. Wir saßen gestern 13,5 Stunden hier, aber das wird uns gesundheitlich nicht wirklich schaden. (Abg. Rosenkranz: Dem Herrn Kern, glaube ich, nicht!) Genau dieser Gruppe aber wird es schaden (Zwischenrufe bei der FPÖ), und auf die schauen wir ganz genau. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Somit ist dieses neue Arbeitszeitgesetz nach dem Kippen des Rauchverbotes ein wei­teres Gesetz, das den Menschen in diesem Land nachweislich gesundheitlichen Scha­den zufügt. (Ruf bei der FPÖ: Es wird niemand zum Rauchen gezwungen!)

Und nicht nur das, denn Sie beschließen im ASVG unter dem Deckmantel der Miss­brauchsbekämpfung heute auch einen Lauschangriff auf Menschen im Krankenstand. Damit sollen kranke Versicherte mit Auffälligkeiten entdeckt werden. Was heißt denn das? Was heißt das? Was wollen Sie damit erreichen? – Dass Menschen nicht mehr ohne Angst, ihren Job zu verlieren, in den Krankenstand gehen können? Dass Men­schen Angst haben müssen, dass der Arbeitgeber von ihren Krankheiten erfährt? Ist das Ihr Menschenbild? Ist das Ihr Menschenbild von Arbeitnehmern, die für Sie Tachi­nierer sind? – Für uns nicht!

Und weil Sie sich so gerne mit dem Thema der Grenzsicherung und Grenzschließung befassen – sei es die Südgrenze, die EU-Außengrenze, das alles ist ein wichtiges The­ma (Zwischenrufe bei der FPÖ), und zwar in den letzten Tagen vor allem zur Ablen­kung (Abg. Mölzer: Frau Merkel hat uns geholfen!) –, sage ich Ihnen: Sie haben zwei wichtige Grenzen vergessen, sehr geehrte Damen und Herren, nämlich die gesund­heitliche Grenze der Menschen und die soziale Grenze der Menschen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Ich sage Ihnen: Sorgen Sie dafür, dass Menschen in diesem Land künftig vor sozialen und gesundheitlichen Grenzüberschreitungen geschützt sind! – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.