11.06

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Gale­rie! Herr Kickl, ich an Ihrer Stelle würde mir Sorgen machen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe das jetzt beobachtet: Die Volkspartei klatscht schon gar nicht mehr mit, und die FPÖ müssen wir auffordern, damit sie klatscht; also das ist wirklich ein bedenk­liches Zeichen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine ...-Diskussion! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, rechtspopulistische Abschottung macht uns ärmer und spaltet die Gesellschaft. (Ruf bei der FPÖ: Gespaltet habt nur ihr!) Dadurch wird kein Problem gelöst, sondern es werden Menschen gegeneinander ausgespielt und der so­ziale Friede gefährdet. Sie wissen, dass das so ist! (Abg. Zanger: Sind das deine Er­fahrungen der letzten Woche?) – Sie wissen, dass das so ist, und Ihr Metternich’scher Versuch, jetzt sogar die Presse zu zensurieren, wird auch nicht helfen, das zu ver­tuschen, Herr Kickl, auf keinen Fall! (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gibt es in dieser Diskussion drei Prinzipien. (Ruf bei der FPÖ: Gehen Sie auch nach Europa?) Das erste Prinzip ist: Flucht ist kein Verbrechen, geschätzte Damen und Herren! Es gibt Gründe, warum Menschen flüchten – persönliche, politische Verfolgung, Krieg, Naturkatastrophen, Hunger –, und erste Aufgabe von jedem, der überlegt, muss es doch sein (Abg. Rie­mer: Alle in die Obersteiermark!), diese Gründe zu verringern und zu beseitigen. Das heißt, wieder zurück zur aktiven Neutralitätspolitik mit unserer traditionell westlichen Ausrichtung und nicht das Anbiedern an zweifelhafte Gestalten dieser Weltgeschichte, geschätzte Damen und Herren! Das heißt auch, einen europäischen Entwicklungsplan entwerfen, das heißt auch, österreichische Entwicklungshilfe stärken und nicht kürzen, und das heißt auch, dass wir uns im Bereich Klimaschutz engagieren. Dieser Klima­wandel ist ja auch ein massiver Grund für Fluchtbewegungen, geschätzte Damen und Herren! – Das sind die Dinge, die einmal primär angegangen werden müssen, und man sollte sich nicht nur auf ein Thema versteifen, so wie Sie das machen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Das zweite Prinzip, geschätzte Damen und Herren, ist: Um Asyl anzusuchen ist gleich­falls kein Verbrechen (Ruf: Die Rede ist ... Thema verfehlt!), wie das manche glauben. Für die österreichische Sozialdemokratie steht in dieser Frage das uneingeschränkte Bekenntnis zur Genfer Flüchtlingskonvention im Zentrum, geschätzte Damen und Her­ren, und unsere humanitäre Verpflichtung, vor Terror, Gewalt und Krieg Flüchtenden zu helfen. Das ist im Zentrum unseres Handelns, geschätzte Damen und Herren, nicht nur Grenzen aufzubauen, wie Sie das möchten! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Aber – da vermisse ich Ihr Engagement als Bundesregierung komplett –, es geht auch darum, Ungerechtigkeiten und Schieflagen, die es in Europa gibt, zu beseitigen. We­nige Länder, darunter auch Österreich, bearbeiten die meisten Asylanträge in Europa, und es ist nicht hinzunehmen, dass sich andere Länder zu einer Art doppelten Mitglied­schaft entschieden haben: Wenn es etwas zu holen gibt, bin ich bei der EU dabei, wenn es darum geht, Solidarität zu leisten, verabschiede ich mich. – Diese Situation ist zu beenden, Herr Bundesminister! Es ist Ihre Aufgabe als Bundesregierung, auch dafür zu sorgen, dass in Europa wieder Solidarität in allen Bereichen herrscht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen, wenn Ihre Freunde, die Orbáns, die Kaczyńskis und Ähnliche, weiter diese Solidarität nicht leisten wollen, dann geht es auch darum, dass die österreichi­schen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf Dauer ihre finanzielle Solidarität mit die­sen Ländern einstellen sollen, Herr Kickl. Es wäre einmal an der Zeit, auch darüber nachzudenken! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Es ist aber auch wichtig, dass wir in dieser ganzen Angelegenheit nicht vergessen, dass Österreich ein Rechtsstaat ist und dass Rechtsstaatlichkeit dort, wo es an ihr mangelt, immer zu bewahren, durchzusetzen und zu fördern ist. Deshalb: rasche Asyl­verfahren, viel mehr Geld für die Abwicklung dieser Verfahren, ein europäisches Quo­tensystem, ja, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungsabkommen. – Ich frage Sie: Wie viele Rückführungsabkommen haben Sie in Ihrer Zeit schon abge­schlossen? – Die Antwort ist einfach: kein einziges. Groß reden, aber nichts dahinter, Herr Kickl, das ist Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Zadić und Zinggl.)

Und das dritte Prinzip: ja, Integration vor Zuzug. – Was ist darunter aber zu verstehen? Eine Migrationsstrategie für Österreich und für die Europäische Union zu entwickeln, an der der Bundeskanzler, der damals dafür zuständig war, schon da und bis heute ge­scheitert ist, aber auch dafür zu sorgen, dass nicht Sozialdumping in Österreich und europaweit diese Ungleichheit und diesen Disput weiter fördert. Da sind Sie geschei­tert, weil Sie es gar nicht ändern wollen, geschätzte Damen und Herren! Sie wollen die­se soziale Ungerechtigkeit weder in Österreich noch in Europa abschaffen, Sie wollen darauf noch beharren.

Rechtspopulismus macht uns ärmer und spaltet die Gesellschaft. Durch das, was Sie tun, wird kein einziges Problem gelöst, geschätzte Damen und Herren! Kein einziges Problem wird gelöst, und daran werden Sie am Ende scheitern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Abgeordneten Gudenus und Kassegger.)

11.11

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt das Mitglied des Europäischen Par­laments Harald Vilimsky zu Wort. – Bitte.