16.50

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist jetzt 30 Jahre her, dass Francis Fukuyama gedacht hat, dass wir uns mit diesem Blöd­sinn eigentlich nicht mehr beschäftigen müssen. Damals hat er gesagt, die Faschisten hat man im Zweiten Weltkrieg besiegt, der Kommunismus war gerade implodiert und das mit China würde sich schon noch irgendwie von selbst regeln.

Er sinnierte auch von einer „common ideological heritage of mankind“, die liberale De­mokratie, und gegen Ende seines ursprünglichen Artikels, der danach zu einem Buch wurde, war er fast schon traurig, denn wie fühlt es sich an, wenn man nichts mehr hat, wofür man kämpfen muss? Wie wird es sich denn anfühlen, wenn die liberale Demo­kratie sich überall durchgesetzt hat? Ist es dann eigentlich nicht fast schon traurig, wenn man für Demokratie keinen Mut mehr braucht? (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Ja, genau, ich weiß, man kann darüber lachen. Er hat sich seitdem auch ge­dacht: Huch, es ist noch genügend Arbeit übrig! Man braucht noch genügend Mut, sich für die Demokratie einzusetzen. Er hat heuer auch noch einmal ein Buch darüber ge­schrieben.

Ich möchte etwas zu den Ausführungen des Herrn Gudenus sagen: Sie haben unzu­längliche Vergleiche gemacht, weil Sie gemeint haben, Pressefreiheit, das ist ja quasi, wie wenn ich eine Anfrage vom „Standard“ bekomme zu einer Privatsache und die dann nicht beantworte. – Das ist nicht dasselbe, denn hier geht es um offizielle Infor­mationen, die das Ministerium ausgibt (Abg. Gudenus: „Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“, das steht drin! „Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“! Sie haben es gelesen, oder?), und das ist nicht dasselbe, wie wenn Sie eine Anfrage vom „Stan­dard“ bekommen, ob Sie Waffen besitzen. (Abg. Gudenus: „Im Rahmen der rechtli­chen Möglichkeiten“!) Sie haben einen Vergleich gemacht, der einfach nicht gepasst hat, weil das nicht dasselbe ist. Es geht nicht darum!

Es geht auch nicht darum, ob Christian Kern gern mit dem Boulevard gesprochen hat oder nicht, es geht hier um Informationen, die das Innenministerium zu seiner offiziel­len Arbeit herausgibt. (Abg. Rosenkranz: Der Bundeskanzler! – Abg. Belakowitsch: Der Bundeskanzler!) Das ist etwas ganz anderes, und das wissen Sie selbst auch. (Abg. Rosenkranz: Ach so, der Bundeskanzler! Das ist der Portier am Ballhausplatz, oder was glauben Sie? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte jetzt aber noch einmal auf das zurückkommen, was Sie alle gesagt haben, nämlich dass es hier nicht um die Pressefreiheit geht, sondern um etwas ganz ande­res, das sei kein Angriff auf die Pressefreiheit – oder wie der Herr Innenminister ge­meint hat: eigentlich war es das genaue Gegenteil. (Abg. Rosenkranz: Ist es ja auch!)

Aber wovon hat denn der jetzige Bundeskanzler gesprochen, wovon hat denn der Bun­despräsident gesprochen? (Abg. Gudenus: Prinzipiell die Pressefreiheit, die hochzu­halten ist!) – Ah, prinzipiell?! Ah so, das sollte man jeden Tag zum Frühstück einmal betonen, denn sonst könnten es die Leute vergessen?! Es hat eigentlich gar keinen wirklichen Grund dafür gegeben. Es ist ihnen einfach gerade so eingefallen! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.) Sie wurden in New York danach gefragt und haben sich gedacht: Ein guter Tag, etwas zur Pressefreiheit zu sagen!, aber eigentlich gab es gar keinen Grund dafür. (Abg. Gudenus: Wenn er doch gefragt wird!)

Ich frage mich ja auch schon, wann endlich auch hier Donald Trump wirklich ankommt und man anfängt, gescheit zu sagen, was geht. Die linken Mainstream-Medien? – Das geht einfach nicht! Die erfinden ständig Dinge wie, dass es Angriffe auf die Pressefrei­heit gäbe, dabei hat das ja gar nicht stattgefunden, und der Bundeskanzler hat es sich einfach zum Hobby gemacht, heute zum Frühstück zur Verteidigung der Pressefreiheit einen Aufsatz zu schreiben.

Hätte die FPÖ beim Vorbild und dem ÖVP-Parteifreund Orbán aber gut aufgepasst, hätten Sie auch gewusst, dass es taktisch unklug ist, so etwas mit einer Ratspräsident­schaft zusammenkommen zu lassen. Ungarn hat das 2011 versucht: Es gab einen massiven internationalen Aufschrei, und die Regierung musste letzten Endes – das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen! – ein bisschen zurückrudern. Sei­ne, also Orbáns, Liste der kritischen Medien oder der fiesen Auslandskorrespondenten hat er erst dann veröffentlicht, als die Medien schon längst unter Kontrolle waren. Das ist etwas, was erst im Nachhinein passiert ist.

Was kommt jetzt aber von der ÖVP? – Das ist eigentlich auch ein bisschen ein Sich-Abputzen: Die anderen sind schuld! – Es mag schon stimmen, dass es nicht Ihr Minis­ter ist, aber es ist schon Ihr Koalitionspartner.

Das ist etwas, auf das man auch erst nach zehn Monaten in einer Koalition drauf­kommt: Ach, das sind die? – Eine späte Erkenntnis, aber doch! Und wie heute auch schon online in Diskussionen auf Twitter dargestellt worden ist, ist das ja auch etwas, was Alltag ist und im Übrigen auch ein schwieriger Umgang, den auch zum Beispiel der Bundeskanzler hat, weil von diversen Medien, die beispielsweise auch in dieser E-Mail genannt wurden, berichtet wurde, dass es immer wieder Presseveranstaltungen gibt, die einen exklusiven Charakter haben, wo die üblichen verdächtigen Medien zufäl­lig nicht eingeladen waren, oder sie haben im Nachhinein davon erfahren, dass Dinge stattgefunden haben, wo auch offizielle Informationen - - (Abg. Rosenkranz: Haben Sie schon etwas von Exklusivinterviews gehört?) – Nein, das waren Pressetermine! (Abg. Rosenkranz: Nein? Ach so, davon haben Sie noch nichts gehört! Das wollte ich nur wissen!) Es ging um Pressetermine, wo offizielle Informationen herausgegeben wur­den, wo ganz gezielt gewisse Medien nicht eingeladen waren (Abg. Gudenus: Sapper­lot!), andere aber schon. Wir wissen ja, dass es natürlich - - (Abg. Rosenkranz: Wir haben sogar manchmal welche eingeladen, und die sind gar nicht gekommen! Das ist ja eigentlich auch unerhört!) Es tut mir sehr leid, wenn manche nicht zu Ihrer Presse­konferenz kommen, Herr Rosenkranz! Ich möchte mich dafür bei Ihnen wirklich ent­schuldigen. Das ist ja wirklich frech! Ja, das stimmt, dagegen sollte man etwas tun. (Abg. Rosenkranz: Genau! Man sollte eigentlich die Medien verpflichten, dass sie kommen, weil nur so können sie wahrheitsgemäß berichten!)

Im Übrigen hat das BMI im ersten Halbjahr 2018 mehr als 1,6 Millionen Euro für Insera­te ausgegeben, und ein Teil davon ist auch an rechte alternative Medien gegangen – das ist neu. Das ist neu! Es ist an gewisse Medien natürlich nicht gegangen, das muss ich jetzt auch nicht weiter erwähnen, aber das, was daran wahrlich schlimm ist, ist, dass dabei gar keine rote Linie überschritten wurde, denn: Die rote Linie hat sich schon längst verschoben! Die rote Linie ist seit Antritt, seit Angelobung dieser Bundesregie­rung weit nach rechts gegangen. Die rote Linie ist nicht mehr dieselbe, die sie vorher war, und das ist das, was uns wirklich Angst machen sollte. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Übrigen musste jetzt auch Othmar Karas auf Twitter hinausgeschickt werden, um zu warnen – Zitat –: Das Verhalten „würde [...] den europäischen Werten und der Rechts­staatlichkeit widersprechen“ und „würde [...] dem Ansehen der Bundesregierung scha­den“, wenn es denn so wäre. – Ja, hallo, liebe ÖVP?! Bitte wacht auf! Wir sind mitten in der Ratspräsidentschaft, der Schaden ist schon längst passiert! Unsere internationale Reputation hat schon Schaden davon genommen. Hier hat kein „würde“ Platz, hier braucht es schon längst keinen Konjunktiv mehr: Wir befinden uns jetzt aktuell in dieser Situation, wo wir international wieder einmal berühmt geworden sind, ohne es in die­sem Fall wirklich sein zu wollen.

„Wo fing das an und wann? Was hat dich irritiert?“ ÖVP, „was hat dich bloß so rui­niert?“ – Die ÖVP war einmal eine Europapartei, sie war einmal eine Partei der Rechts­staatlichkeit, und ich denke, wir haben Ihnen viel zu verdanken, auch betreffend den Mitaufbau der Zweiten Republik, aber Danke zu sagen für diese Koalitionsregierung, die Sie initiiert haben, für die FPÖ-Minister, die Sie in die Regierung geholt haben? Wir werden uns in der Nachbetrachtung sicher noch lange anschauen müssen, welchen Schaden die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Pressefreiheit in Österreich davon genommen haben. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Stein­acker zu Wort. – Bitte.