17.15

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich hätte mir nie gedacht, dass wir hier eine Debatte über die Pressefreiheit führen müssen. Ich hätte es mir auch nie gedacht, dass wir eine Debatte darüber führen müssen, wie Sie, Herr Innenminister, die Berichterstat­tung in Österreich lenken wollen.

Als Sie angelobt wurden, haben wir gewusst, dass Sie das Mastermind hinter bekann­ten FPÖ-Slogans wie „Daham statt Islam“ und weiteren hetzerischen Aussagen sind. Wir alle haben aber gehofft, dass Sie Ihr Amt als Minister gewissenhaft ausüben wer­den, unsere Gesetze und unsere Verfassung achten werden; aber immer und immer wieder wird uns das Gegenteil vorgeführt. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Diese Woche hat uns ein E-Mail Ihres Ministeriumssprechers erreicht, das wirklich auf eine beispielhafte Art und Weise vor Augen führt, wie weit Sie zu gehen bereit sind, wie weit Sie unsere Gesetze und unser Staatsgrundgesetz zu missachten bereit sind und wie weit Sie das gerade noch Zulässige verwenden wollen, um weiterhin Ihre hetzeri­sche Politik zu betreiben. „Wer Medien in gute und schlechte einteilt, handelt wie ein Autokrat, nicht wie ein demokratisch gewählter Politiker“ (Zwischenruf der Abg. Bela­kowitsch), das hat heute bereits der Präsident der Vereinigung Europäischer Journa­listen gesagt.

Ein großer Vordenker und französischer Philosoph, Voltaire, hat es bereits vor 200 Jah­ren gesagt und formuliert (Zwischenruf des Abg. Gudenus): „Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht“ (Rufe bei der FPÖ: Ja! Richtig! – Abg. Höbart: Bravo!), „welches man ihm nicht nehmen könnte, oh­ne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben.“ (Ja-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Höbart: Gilt für alle!) Ein Innenminister, der dieses Zitat nicht beherzigt, ist eine ernsthafte Be­drohung für unsere offene Gesellschaft. (Zwischenruf des Abg. Gudenus. – Abg. Bela­kowitsch: Gilt aber für alle!)

Herr Innenminister, offenbar orientieren Sie sich – wenn man sich die Vorgänge der letzten Monate und der letzten Wochen anschaut – immer stärker an Ungarn oder an Polen. (Abg. Gudenus: EU-Länder übrigens! – Ruf: Das sind die großen Vorbilder!)

Einen Punkt möchte ich hier noch bringen, und zwar möchte ich auf den Punkt einge­hen, in dem es um Ihre vermeintliche Nichtweisung ging, dass in den polizeilichen Presseaussendungen vermehrt die Staatsbürgerschaft der Täter oder der Verdächti­gen genannt werden soll und auch verstärkt die Sexualdelikte veröffentlicht werden sollen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie die tatsächlichen Ursachen von Ge­walt bekämpfen, auf Panikmache lieber verzichten und mehr Geld in die Hand nehmen sollten, um für Opfer zu sorgen, in Opferschutzzentren zu investieren und für Gewalt­prävention zu sorgen. (Beifall bei der Liste Pilz sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Jenewein: In der Liste Pilz!)

Stattdessen nehmen Sie lieber Geld in die Hand und führen sinnlose Grenzschutz­übungen durch (Abg. Gudenus: „Sinnlose“!? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch – Abg. Höbart: Das haben wir 2015 gesehen, ob das sinnlos war oder nicht!) oder ste­cken das Geld in die vorhin gezeigten antiterroristischen Verhaltensregeln. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass 80 Prozent der sexuellen Übergriffe im eigenen Haus­halt passieren. (Abg. Belakowitsch: Schon lange nicht mehr! – Ruf bei der FPÖ: Und in Alpbach!) – 80 Prozent! Was tun Sie, um diese Frauen zu schützen? (Abg. Belako­witsch: Was tun Sie? – Abg. Höbart: Da kann uns der Onkel Alpbach etwas darüber erzählen!) Der Herr Innenminister hat das nötige Geld und auch das Mandat, diese Frauen zu schützen. (Abg. Jenewein: Auch die in Alpbach!)

Wenn es um die Nennung der Staatsbürgerschaft geht, dann stelle ich mir schon die Frage, was es Ihnen denn bringt, wenn die Staatsbürgerschaft genannt wird. Gewalt ist Gewalt, Herr Innenminister, es ist egal, von wem sie begangen wird.

Was Sie damit beabsichtigen, ist klare Hetze und Spaltung. Es geht Ihnen um eine ver­suchte Manipulation und Lenkung der Berichterstattung. Es geht Ihnen schlicht und ergreifend um das Schüren von Vorurteilen. (Abg. Gudenus: Immer die gleiche Leier! Das ist unglaublich!)

Ihr beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit letzte Woche hat mich dazu veranlasst, Ihnen heute zwei Geschenke zu machen. (Abg. Jenewein: Da wird er sich sicher freuen, der Herr Minister! – Die Rednerin ergreift das beim Rednerpult abgestellte Sa­ckerl und entnimmt diesem einen Antrag.) Zum einen habe ich hier einen Misstrauens­antrag. (Abg. Belakowitsch: Den haben wir schon! Wie viele noch? Doppelt hält bes­ser!) Wir bringen hier einen weiteren Misstrauensantrag ein, weil es uns wichtig ist, zu zeigen, wie schlimm wir das finden. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Gudenus: Wie schlimm? Ziemlich schlimm! – Abg. Stefan: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie schlimm?)

Deswegen bringe ich hier folgenden Antrag ein:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Das zweite Geschenk, das ich Ihnen heute mitbringen möchte, ist die aktuellste Ausga­be der österreichischen Bundesverfassung. (Die Rednerin nimmt ein mit einer roten Schleife versehenes Buch mit dem Titel „Kodex des österreichischen Rechts – Verfas­sungsrecht 2017/18“ aus dem Sackerl. – Abg. Gudenus: Das können Sie dem Sche­rak einmal geben!) Ich habe Ihnen darin natürlich auch das Staatsgrundgesetz mar­kiert, insbesondere Artikel 13, und möchte Ihnen dies heute überreichen, damit Sie viel­leicht noch einmal nachlesen, was in unserer Bundesverfassung steht. – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Aber nicht anfüttern, gell!)

17.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Peter Pilz, Alma Zadic

Freundinnen und Freunde

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend

„Frontalangriff des Innenministeriums auf die Pressefreiheit“

Begründung

Der Pressesprecher des Innenministers hat – wie Kurier und Standard berichten – ein Mail an die „lieben L1-Leiter“ – die Polizei-Pressesprecher in den Bundesländern – ver­sandt. Darin erklärt er, wie in Zukunft „gute“ Medien gut und „schlechte“ Medien schlecht zu behandeln seien.

Bereits am Abend des 24. September 2018 sah sich der Leiter der Kommunikations­abteilung des Innenministers gezwungen, von der politischen Verantwortung des Minis­ters abzulenken und ihn in Schutz zu nehmen:

„Dem Schreiben wohnt in vielen Passagen die Absicht inne, einen einheitlicheren Auf­tritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit anzuregen.

Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mittei­lung – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI.“

Die uns vorliegende Kopie des Mails belegt einen bisher unbekannten Umgang des BMI mit missliebigen Medien und einen neuen Grad der Orbanisierung Österreichs durch den Innenminister.

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Misstrauensantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht dann auch zur Abstimmung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss. – Bitte, Frau Abgeordnete.