17.50

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Dass ich mit Herrn Kickl nicht mehr gut Freund werde, das wird man wissen; das ist auch nichts Besonderes. Ich halte ihn mit Pouvoir des Bundeskanzlers für den Teilchenbeschleuniger der Orbánisierung in Österreich. Es ist sein politisches Recht, das zu tun. Ich halte ihn nach dem knappen Jahr, in dem er im Amt ist, auch insgesamt für die Inkarnation einer antidemokratischen Gesinnung. Das ist die politische Auseinandersetzung, die wir hier führen. Letztlich wird bei den Wahlen entschieden werden, ob das in diesem Land Erfolg haben wird oder nicht. (Abg. Rädler: Da seid ihr nicht mehr dabei!)

Zwei Punkte allerdings gehen weit über diese politische Auseinandersetzung hinaus. Erstens: Offenkundig hat Herr Kickl keine zutreffende Vorstellung davon, was ein mo­nokratisches Organ in der Bundesvollziehung ist. Das zeigt alles, was in den letzten Monaten vorgekommen ist, sei es die BVT-Durchsuchung, sei es die rechtswidrige Suspendierung von Gridling (Abg. Jenewein: Wer hat die durchgeführt?), sei es jetzt dieser Bürokratenchat, der angeblich nur eine Anregung und quasi ein Gespräch unter Beamten war. Die Antwort von Herrn Kickl ist immer dieselbe: Es war jemand anderer, ich war es nicht. – Das ist die stehende Phrase. Immer redet er sich auf etwas anderes aus.

Ich muss Ihnen gestehen, ich bin da ziemlich altmodisch, für mich als Chef wäre das nie infrage gekommen, mich hinter Mitarbeitern zu verstecken, Mitarbeiter vorzuschi­cken und zu sagen: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts! (Beifall bei der Liste Pilz sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Belakowitsch: Wer hat die Sus­pendierung durchgeführt?) – Das ist das Erste.

Das Zweite, was sehr auffällig ist, ist diese Sache mit der Weisung. Jetzt habe ich das ja nicht nur studiert, habe nicht nur die Venia Legendi für öffentliches Recht, habe nicht nur ein paar Professoren für öffentliches Recht und Mitglieder unserer Höchstgerichte gefragt, sondern verfolge seit gut 30 Jahren auch die einschlägige Rechtsprechung dazu, was als Weisung zu werten ist und was nicht. (Abg. Steger: Jetzt kennen wir die Quelle vom Bericht!) Selbstverständlich ist das glasklar eine Weisung, die da erteilt wurde. Frau Belakowitsch, das ist keine Frage der Tatsachenbehauptung, wie Sie fälschlich gemeint haben, das ist eine Frage der rechtlichen Würdigung. (Abg. Lausch: Ja eh, genau!)

Wenn das eine Weisung ist, woran es wenig Zweifel gibt, dann ist auch ganz klar, was Inhalt dieser Weisung ist, und da tröstet einen auch nicht die hermeneutische Barm­herzigkeit, mit der die Regierungsfraktionen hier an die Lektüre gehen. Dort steht ganz klar drinnen: Es sind manche zu bevorzugen, denen ist ein Zuckerl zu geben, und an­dere sind zu benachteiligen. Und was, wenn nicht das – dass in bewusster Schädi­gungsabsicht die Befugnis der Zutreffenden überschritten wird, und das in diesem Fall sehr wohl auch wissentlich –, ist Inhalt des § 302 StGB? (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt, ich sehe nicht nur einen Angriff auf die Pressefreiheit – das ist das, was aus diesem Schreiben implizit hervorleuchtet –, noch viel mehr sehe ich in Tateinheit mit dem, was unsere Bundesregierung insgesamt macht, durchaus eine Verhinderung der Informationsfreiheit. Wir haben seit 1979 eine Empfehlung des Europarates, dass die Mitglieder des Europarates endlich ein Informationsfreiheitsgesetz nach dem Muster Schwedens und der USA machen sollten. Auch die SPÖ hat sich nicht wirklich ent­schieden darangemacht. Jetzt ist das eine ganz entschiedene Facette bei der Blo­ckade von Informationsfreiheit.

Zwei Worte noch zur Frage der Stigmatisierung oder der beabsichtigten Stigmatisie­rung von Mitgliedern anderer Nationalitäten und von bestimmten Tatverdächtigen: Viel fehlt nicht mehr, dass man der Polizei die Brandeisen austeilt, damit man den Tat­verdächtigen etwas auf die Stirn brennt, um sie zu stigmatisieren. Da wird, genauso wie Reinhard Kreissl das gestern und heute in Interviews schon gesagt hat, versucht, grassierende Vorurteile zu bestärken, zu evozieren und in der Bevölkerung zu ver­breiten.

Kollege Nehammer und auch Kollege Gudenus haben gesagt, dass das Ergebnis der Befragung von Herrn Kickl ein überzeugendes Bekenntnis zur Presse- und Meinungs­freiheit ist. – Ja, so habe ich das auch gehört. Jetzt könnte man sagen, damit ist ja al­les klar – ich höre die Worte wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wer zunächst rechts­widrig einen Generalsekretär beschäftigt, um dann nachträglich und rückwirkend das Ausschreibungsgesetz zu ändern, wer Gridling rechtswidrig suspendiert, um dann vom Gericht die Auskunft zu erhalten, dass es rechtswidrig war, wer nichts darüber weiß, dass sein Ressortsprecher eine derartige Gesinnung hat und solche Mails hinaus­schickt, dem nehme ich dieses Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit einfach nicht ab.

Ich glaube, das Misstrauen, das sich in den Misstrauensanträgen zeigt, ist berechtigt, zumal der Innenminister Rechtsstaatlichkeit bisher immer nur in dem Umfang in Erfah­rung gebracht hat, in dem ihn seine wahlwerbende Hetzerei vor strafrechtlicher Verant­wortung gerade noch geschützt hat. (Abg. Neubauer: Herr Pilz ...!)

Wenn man sich die Reaktionen des Auslands anschaut – nicht nur auf dieses Vor­kommnis, sondern auch auf die BVT-Sache und auf alles andere, was Herr Kickl bisher geleistet hat –, dann sieht man meines Erachtens, dass der kleinste Innenminister die­ser Republik bisher den größten Schaden für diese Republik provoziert hat. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Jenewein: Der war nicht gut!)

17.56

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Dr.in Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.