12.53

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Lieber Reinhold Lopatka, ich werte dein dauerndes Erwähnen meiner Person einfach schon als frühzeitigen Abschiedsschmerz (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ), daher möchte ich dir wegen dieser häufigen Erwähnung gar nicht böse sein, denn im Kern steckt da ja, wie du weißt, auch ein Stück Mensch­lichkeit und Nähe drinnen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber zur Sachfrage – damit ich da gar nicht herumdrücke –, weil erwähnt worden ist, wie nahe man beim Menschen sein kann: Na, wie nahe kann man beim Menschen sein, wenn fast eine Million Leute ein Volksbegehren für ein Rauchverbot in der Gastronomie unterschreiben, und dann redet man hier als Regierung nicht einmal darüber und wischt das einfach vom Tisch? (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Wie volksnah ist es, wenn man das Frauenvolksbegehren von vorne bis hinten ignoriert, obwohl es da große Missstände gibt, die ja auch von ÖVP-Frauen oft angesprochen wurden? – Das ist nicht volksnah, lieber Reinhold Lopatka. (Beifall bei der SPÖ.)

Und um auch über die Grenzen in aller Klarheit zu sprechen: Ja, es ist eine Maß­nahme, die Sie da setzen können, nur versteht eigentlich niemand ganz, wie Sie diese setzen. Man muss einmal erklären: Warum an einzelnen Grenzen, aber an anderen nicht? Das müssen Sie erklären. Das ist ein System, löchrig wie ein Schweizer Käse. (Abg. Deimek: Aus der Schweiz kommt relativ wenig herüber, und aus der Tschechei kommt auch relativ wenig! Ein bisschen was aus Deutschland, aber ...!) Wenn Sie es ernst meinen, dann müssen Sie zusätzlich noch ganz andere Maßnahmen setzen, denn ganz ehrlich – das ist auch das, was in unserem Antrag, den wir einbringen, steht –: Wann wird diese Bundesregierung, neben Symbolakten, endlich einmal in dieser Frage aktiv?

Gehen wir einmal zurück in das Jahr 2015, und versuchen Sie, dabei auch einmal ein bisschen an das Jahr 2014 zu denken! Was ist denn da passiert? – Die Weltge­meinschaft hat die Unterstützung für die Flüchtlingslager im Nahen Osten drastisch zusammengekürzt, und auf einmal waren die Millionen Menschen, die dort infolge des syrischen Bürgerkriegs in Flüchtlingslagern gesessen sind, von Hunger und schlechter Versorgung bedroht. Was haben diese Menschen dann gemacht? – Sie haben sich nach Europa aufgemacht. Seither haben wir hier das Problem! Und ehrlich gesagt, wenn wir einmal eine Sekunde nachdenken, dann müssten wir doch endlich einmal eine österreichische Außenpolitik machen, die auch vor Ort hilft, die den Menschen hilft, damit sie sich nicht auf die Flucht begeben müssen, sondern damit sie dort, wohin sie geflüchtet sind, bleiben können und sich nicht in kaputten Booten auf das Mittelmeer begeben müssen, weil sie dort ebenso eine Perspektive haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) – Aber Sie machen es nicht.

Das Zweite ist das große Wort vom europäischen Grenzschutz. Was hat die Bundes­regierung unternommen? – Nichts! Nichts für den europäischen Grenzschutz und den Aufbau eines vernünftigen Systems!

Der nächste Punkt: Marshallplan für Afrika. – Nichts ist passiert! Österreich ist immer das Land, das am meisten bremst, wenn irgendjemand anfängt, über diese Dinge nach­zudenken. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer. – Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Sie sind groß beim Reden, Herr Minister, wenn es heißt, Österreich hat so eine große Last getragen. Wenn es aber darum geht, dass man die Zahl der Flüchtlinge in Europa auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufteilt, dann taucht Bundeskanzler Kurz ab und sagt: Das wollte ich auch nicht! (Abg. Deimek: Wer will das?) – Das ist kein ernster Umgang mit dem Thema. Wenn wir die Frage der Migrationskrise lösen wollen, müssen wir vor Ort helfen und müssen wir europaweite Systeme schaffen, damit wir diese Frage auch in den Griff bekommen. Grenzkontrollen allein werden nicht weiterhelfen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Mit Europa spielt man nicht! Oder, um es mit anderen Worten zu sagen, wie es der Schriftsteller Köhlmeier auf einer Veranstaltung, zu der Herr Präsident Sobotka eingeladen hat, quasi auf seine Einladung hin dort auch gesagt hat: „Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, nie, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung.“ – Das ist auch so ein Punkt: Wenn wir über Europa reden, dann dürfen uns auch die kleinen Menschenrechts­ver­letzungen, die kleinen Einschränkungen der Pressefreiheit, die kleinen Schritte des Abbaus der sozialen Sicherheit auf unserem Kontinent nicht zu klein sein, um uns zu empören. Nein, die sind so groß, dass wir uns empören! Und Sie sind die, die immer mitmachen, bei Sozialabbau und wenn Pressefreiheit und Demokratie in Europa und in Österreich eingeschränkt werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: ... Wutbürger!)

Jetzt schauen wir noch einmal eine Sekunde – wenn es heißt, mit Europa spielt man nicht – auf die Bilanz der österreichischen Präsidentschaft, die Sie ja mit so stolzer Brust vor sich hertragen – nach dem Motto: Wir sind jetzt Präsidenten der Euro­päischen Union! –: Vier Monate sind vorüber – geschehen ist nichts! Herr Minister, nichts, gar nichts ist geschehen, weder bei der Bewältigung der Migrationskrise noch bei den anderen europäischen Problemen! Was ist denn mit den Steuerschlupflöchern, die es in Europa gibt? Was ist denn mit der Besteuerung digitaler Konzerne? Was ist denn damit? Der Finanzminister war zwei Minuten da, aber in diesen Fragen hat er nichts unternommen. Das ist eine Schande, und das ist auch eine Präsidentschaft, die diese Bezeichnung nicht wert ist, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS.)

Und dann – das schlägt ja dem Fass den Boden aus – sagen Sie noch den Sozial­ministerrat ab. Österreich, jenes Land, das in seiner Geschichte das Land der Sozialpartnerschaft und des sozialen Ausgleichs war, sagt im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft den EU-Sozialministerrat ab, weil es dafür Ihrer Meinung nach keine Themen gibt. Was ist denn mit dem Sozialdumping? Was ist denn mit der Jugendarbeitslosigkeit? Was ist denn mit dem Aufbau einer Arbeitsbehörde in Eu­ropa? – Es interessiert Sie nicht, weil Sie so wie daheim auch in Europa den Sozial­staat zerstören wollen. Wir werden dagegen antreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen – weil Sie immer sagen: ein Europa, das schützt – zum Abschluss noch eines: Wir müssen uns fragen: Wer schützt Europa vor Ihrer Politik? Wir müssen eines auch ganz klar sagen: Ihrem Sozialabbau, dem werden wir Grenzen setzen, denn das ist zum Nachteil der Menschen in unserem Land. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Bei uns heißt das eher: sozialistischer Abbau bei den Wahlen!)

12.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Roman Haider. – Bitte.