13.06

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich setze einfach dort fort, wo mein Vorredner aufgehört hat: Spielautomatenbetrug, schwerer gewerbsmäßiger - - (Abg. Neubauer: Glawischnig! – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) – Das kann ich nicht beurteilen; hat offensichtlich nichts mit Ihrer Fraktion zu tun, aber wenn Sie mehr darüber wissen, informieren Sie bitte die zuständigen Behörden! – Also nochmals: schwerer gewerbsmäßiger Betrug, falsche Beweisaussage, Steuerhinter­ziehung, schwere Körperverletzung. Auch das sind von Personen begangene Straf­taten, gegen die sich die Republik Österreich mit ihrem Rechtsstaat zur Wehr setzt. Dazu haben wir eine Strafjustiz, dazu haben wir unser Rechtssystem.

Das Problem ist nur, da können wir nichts an der Grenze unternehmen, weil diese Personen schon da sind. Die sind alle einer Liste, einer unvollständigen Liste, von 51 verurteilten freiheitlichen Straftätern entnommen. Da hilft kein Grenzschutz, sondern da hilft nur ein funktionierender Rechtsstaat. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ich würde einmal Folgendes zu überlegen geben, aber ich möchte das Ergebnis nicht vorwegnehmen: Was glauben Sie, wo die durchschnittliche Kriminalität höher ist – bei freiheitlichen Funktionären oder bei Asylwerbern? Ich würde es gerne wissen (Abg. Höbart: Er flüchtet jeden Tag in seine Gemeindewohnung, der Mister Alpbach!), und ich halte das für eine Frage, die wir nicht nur in diesem Haus klären sollten. (Abg. Höbart: Er hat sich in der Gemeindewohnung versteckt, im sozialen Wohnbau! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

So, und jetzt lese ich Ihnen noch etwas vor, damit man einmal sieht, wie es auf der anderen Seite ausschaut. Der Text lautet:

„Wir sind sprachlos!

Wir sind Schüler der Landesberufsschule Bad Gleichenberg in der 1. Klasse Gastro­nomiefachfrau/mann. Seit heute sind wir nur mehr 13 Schüler_innen der 1aGA, weil seit letzter Woche ist unser Mitschüler Popal aus Afghanistan abgeschoben worden. Er war ein super Mitschüler, ein guter Freund und ein toller warmherziger Kollege.“ (Abg. Höbart: Er ist aber trotzdem illegal!) „Er hatte eine Lehrstelle als Koch/Kellner!

Er hatte den Willen gehabt zu lernen und sich weiter fortzubilden.

Er war schon im zweiten Lehrjahr und wir verstehen nicht warum er gehen musste und andere die Zuhause sind, keine Arbeit haben und sich nicht bemühen da bleiben dürfen?! Nicht das wir gegen diese Leute etwas haben, nur wir verstehen nicht, wieso es so gekommen ist.

Was ist das für ein Land in dem wir leben?

Wie kommt jemand dazu das man Menschen abschiebt, die sich um einen Arbeits­platz, um eine neue Existenz, um Freunde und um Integration“ bemühen?

„Denn ohne Grund verlässt niemand seine Heimat und seine Familie!

Wir sind erschüttert da wir einen guten Freund und Klassenkamerad verloren haben. Wir konnten uns nicht einmal verabschieden! Die schockierte 1aGA“, Landesberufs­schule Bad Gleichenberg.

So schaut’s aus! So schaut’s aus! Und das passt nicht in Ihre Linie. Das sind genau die Leute, die wir brauchen. (Abg. Zanger: Selbstverständlich brauchen wir die alle!) Das sind genau die Leute, die sich bemühen. Das sind genau die Leute, auf die unsere Wirtschaft gewartet hat und auf die unsere Wirtschaft setzt (Heiterkeit des Abg. Gudenus), die genauso tüchtig sind wie Inländerinnen und Inländer, die lernen, arbeiten und schauen, dass es ihnen in unserer Republik besser geht. Darum geht es.

Dann reden wir einmal drüber, was Ihnen am Herzen liegt: nicht die Integration dieser Menschen, nicht die Integration in die Wirtschaft, dass sie etwas lernen, dass sie Steuern zahlen, dass sie hier ankommen, dass sie hier ihre Beiträge leisten, sondern Sie sagen: Wir brauchen Grenzschutz!

Jetzt kommt niemand! Jetzt kommt ja niemand: Schauen Sie sich die Fallzahlen an! Wir haben das im Innenausschuss mit dem Innenminister besprochen. (Abg. Deimek: ..., dass der mit Ihnen redet!) Zahlen aus dem letzten Innenausschuss: Aufgriffe bei Assistenzeinsätzen 2018: Burgenland 62 (Abg. Rosenkranz: Das ist keiner?); dafür eingesetzt: drei Assistenzkompanien mit 419 Soldaten. Auf einen Aufgegriffenen an der burgenländischen Grenze kommen sieben Soldatinnen und Soldaten. (Ruf bei der FPÖ: Schon etwas von Prävention gehört?) In Kärnten: 64 aufgegriffen; 120 Soldaten im Einsatz – zwei Soldaten oder Soldatinnen pro Aufge­griffenem. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und bei mir zu Hause in der Steiermark (Abg. Rosenkranz: Ich habe geglaubt, Sie wohnen in Wien im Gemeindebau!): zehn aufgegriffen mit einer Assistenzkompanie mit 158 Soldaten. Fast 16 Soldaten und Sol­da­tinnen werden eingesetzt, um einen einzigen Asylwerber an der Grenze aufzu­greifen. (Abg. Rosenkranz: Ah, Asylwerber? Woher wissen Sie das?)

Das Einzige, das noch fehlt, ist, dass jedem dieser sinnlos herumstehenden und bean­spruchten Präsenzdiener noch ein Polizeipferd dazugestellt wird – das ist das Einzige, das wirklich noch fehlt. (Abg. Neubauer: ... Terrorist ist?) Und dann kommt sicher wieder ein Freiheitlicher und sagt: Aber ein Panzer gehört auch noch hingestellt, wir brauchen dringend einen Panzer! – Auf der anderen Seite der Grenze ist niemand mehr! Gehen Sie nach Spielberg zu uns in die Steiermark, fragen Sie dort die Leute: Es kommt ja niemand mehr! (Abg. Rosenkranz: Also wo sind Sie zu Hause: im Gemeindebau oder in der Steiermark?) Die Präsenzdiener stehen herum und die Militärkommandanten beziehen doppelte Gage. (Abg. Rosenkranz: Wo sind Sie zu Hause: in der Steiermark oder im Wiener Gemeindebau?)

Herr Kollege Rosenkranz, ich bin ein Bürger dieser Republik, der als Abgeordneter versucht, Ihnen eines klarzumachen (Abg. Rosenkranz: Sie sagen, dass 62 keiner sind! Ihre ... sind eine Katastrophe!): erstens, dass wir ausländische Rechtsbrecher nach genau den gleichen Gesetzen behandeln wie freiheitliche Rechtsbrecher – das sollten Sie als Anwalt auch zur Kenntnis nehmen (Abg. Rosenkranz: Ja, ja!) –, und zweitens - - (Abg. Rosenkranz: Aber bei Ihnen fehlt halt immer die Immunität! Sie sind halt wieder die längste ...! – Abg. Haider: Der grüne Rechtsbrecher ist sakrosankt! – Abg. Rosenkranz: Der grüne Rechtsbrecher ist halt immun! – Abg. Haider: Der grüne Rechtsbrecher! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich ersuche, die Stimmung wieder etwas herunterzufahren. (Abg. Rosenkranz: Der Kollege Pilz hat immer Magengrippe, wenn er bei Gericht sein soll!) Ich würde bitten, dass wir wieder zu einer gesitteten Dis­kussion gelangen. (Ruf: Komisch, ihn darf man ...!)

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ich werde jetzt ein erstes Mal, Herr Kollege Rosenkranz, Ihnen gegenüber wirklich persönlich werden und etwas sagen, was fast jeder Mensch in dieser Republik mit Empörung zurückweisen würde: Sie freiheitlicher Abgeordneter! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Das war jetzt witzig! – Abg. Rosenkranz: Bumsti! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – So, und jetzt weiter zum Thema. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich jetzt nicht mehr weiter mit der freiheitlichen Fraktion, die sich in großer Aufregung befindet, beschäftige.

Herr Bundesminister, ein entscheidender Punkt ist schon vorhin in der Debatte ange­sprochen worden, und es wäre einfach gut, wenn Sie etwas dazu sagen, und noch besser, wenn Sie etwas tun. Es ist zu Recht angesprochen worden – ich kenne das Lager persönlich, weil ich es mir einmal selber angeschaut habe; dort sind im Schnitt 80 000 Flüchtlinge, hauptsächlich Frauen mit kleinen Kindern (Abg. Deimek: ... froh sein, dass Sie nicht dabei sind!) aus Syrien –, nämlich ein Lager in Jordanien: Zaatari. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Die sitzen dort fest und haben ein ganz einfaches Problem: die Nahrungsmittelhilfe bricht regelmäßig zusammen, weil das Geld ausgeht.

Jetzt gibt es einzelne Staaten der Europäischen Union wie Deutschland, die da im Jahr mit 500, 600 Millionen Euro, oder Länder wie etwa die Schweiz und die Niederlande, die mit 40 Millionen einsteigen und schauen, dass das System nicht zusammenbricht. Wir wollen, dass möglichst viele Flüchtlinge vor Ort bleiben können. Dazu brauchen sie Lebensmittel, Schulen und Unterkünfte. Österreich hat heuer fast nichts überwiesen. Wir liegen im Bereich UNHCR und World Food Programme bei unter 1 Million. Wir schicken denen einen Bettel; die rechnen gar nicht mehr mit Hilfe aus Österreich.

Wenn Sie durch das Lager Zaatari gehen, dann können Sie immer große Spender­tafeln sehen, da sind die Fahnen der einzelnen Spenderländer drauf. Ich bin durchs Lager gegangen, und es hat keine einzige österreichische Fahne gegeben: weder bei der Schule noch bei der Ausgabe von Nahrungsmitteln noch bei der Errichtung von Wohnungen, noch, noch, noch, noch – nichts! Dort gibt es kein Österreich, und (in Richtung Bundesminister Blümel) Ihr Bundeskanzler tritt immer wieder ans Rednerpult und sagt, das Allerwichtigste ist die Hilfe vor Ort. – Reden Sie nicht immer, tun Sie endlich etwas! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Gehen Sie heute einmal ans Rednerpult und erklären Sie uns, was die Bundesre­gierung jetzt gerade für die Lebensmittelhilfe vor Ort zur Verfügung zu stellen be­schlossen hat! 5 Millionen Euro sind zu wenig, 10 Millionen Euro sind zu wenig, mindestens 20 Millionen Euro müssen es vom reichen Österreich sein, sonst sind wir immer noch weit unter dem europäischen Schnitt. – Darum geht es!

Ich bin nicht bereit, über sinnlose Grenzzäune im Süden meiner steirischen Heimat und über den Missbrauch und Fehleinsatz von Angehörigen des Bundesheeres zu reden, wenn Sie nicht bereit sind, dort zu helfen, wo die Flucht beginnt und wo eine Chance besteht, die Flucht vor Ort zu stoppen. Ich halte das, was Sie tun, für doppelbödig; das ist jederzeit an den Fakten überprüfbar. Sie lassen die Menschen im Stich und Sie gefährden die Republik Österreich, indem Sie einfach zuschauen, wie Menschen unorganisiert und auf desaströse Art zur Flucht gezwungen werden.

Sie haben als Mitglied dieser Bundesregierung die Möglichkeit, da etwas zu tun. Hören Sie endlich auf herumzureden, tun Sie endlich etwas! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

13.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Pilz, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich die pauschale Gleichsetzung von Straftätern mit einer Partei in der Situation für sehr, sehr bedenklich halte. (Abg. Pilz: Ich halte die Partei für sehr bedenklich! – Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Haider: Ich halte den Herrn Pilz für sehr bedenklich!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.