9.17

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Da­men und Herren auf der Zusehergalerie! Ja, es ist gelungen, nach langer und umfas­sender Vorbereitung den Entwurf eines Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes heu­te im Ministerrat zu beschließen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Damit wird ein zentrales Projekt dieser Bundesregierung, nämlich die Zusammenle­gung der Sozialversicherungsträger, umgesetzt – eine schlanke und nachhaltige, effi­ziente Struktur für unsere Versicherten, für den Beginn einer Gesundheitsreform. Ich glaube, der wesentliche Vorteil liegt auf der Hand: weniger Geld für Bürokratie, für die Funktionäre und mehr Geld für Patienten und Ärzte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Welche Schreckgespenster dominieren aber die Medien? – Die UKHs werden ge­schlossen, die Leistungen werden gekürzt, die Selbstverwaltung wird aufgelöst, alles ist verfassungswidrig, 500 Millionen Euro in der AUVA einzusparen ist nicht möglich, eine Einsparung von 1 Milliarde Euro im Gesundheitssystem ist nicht möglich, Men­schen werden ihren Job verlieren. – Meine Damen und Herren, die Wahrheit schaut anders aus (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Abg. Leichtfried: Das ist noch ärger!): Einer der fünf zukünftigen Sozialversicherungsträger wird die AUVA sein, und auch die UKHs bleiben, die Leistungen bleiben völlig unberührt, und trotzdem hat die Selbstverwaltung der AUVA ein Konzept vorgelegt und beschlossen, das in den nächsten Jahren annä­hernd 500 Millionen Euro zusätzlich möglich macht.

Mit dieser Organisationsreform verläuft es sehr, sehr ähnlich: Da wird behauptet, das Geld, das bisher über den Ausgleichsfonds des Hauptverbandes an die Gebietskran­kenkassen geflossen ist, wird zukünftig in den Regionen fehlen, der Strukturausgleich zwischen den Regionen kann ohne den Ausgleichsfonds nicht mehr stattfinden, und überhaupt kritisieren einige, dass es angeblich zehn statt bisher neun Krankenkassen geben wird. – Alles falsch, alles falsch! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Richtig ist, dass die Österreichische Gesundheitskasse die neun Gebietskrankenkas­sen ersetzen wird, alle Einnahmen der Österreichischen Gesundheitskasse für die Ver­sicherten in allen Bundesländern zur Verfügung stehen werden und so ein Struktur­ausgleich zustande kommt. Die Mittel aus dem Ausgleichsfonds gehen nicht verloren, sondern stehen als neu geschaffener Innovations- und Zielsteuerungsfonds den Lan­desstellen für regionale Projekte zur Verfügung. Das ist also auch schon ein Schritt in Richtung einer Gesundheitsreform auf Landesebene.

Es geistern noch einige Mythen durch die Medien: Von dieser Bundesregierung wer­den die Leistungen gekürzt und die Selbstverwaltung in der Krankenversicherung wird aufgelöst. (Abg. Vogl: Stimmt!) Doch jetzt: Die Selbstverwaltung wird nicht aufgelöst. Haben Sie Angst um Ihre Funktionäre, Herr Kollege? (Abg. Rosenkranz: Ja, natürlich!) Ihnen geht es anscheinend nur um die Funktionäre und nicht um die Patienten und Versicherten. Sie verlieren Macht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Sie machen das System teurer und schlechter! – Abg. Vogl: ... Mitbestimmung!)

Können Sie mir eine einzige Leistung nennen, die durch diese Organisationsreform ge­kürzt wird? – Nein, das können Sie nicht, denn die Leistungen werden nach wie vor von der Selbstverwaltung definiert. Da wird lustig draufloskritisiert, aber die Kritiker wi­dersprechen sich interessanterweise gegenseitig. (Abg. Wittmann: Die Arbeitnehmer müssen das bezahlen, was Sie verbrochen haben!) Richtig ist, dass es für gleiche Bei­träge zukünftig auch gleiche Leistungen gibt. Das ist immer eine Forderung gewesen. Wenn da manche kritisieren, wir haben jetzt eine Dreiklassenmedizin: Nein, Sie haben eine Zehnklassenmedizin geschaffen – neun Bundesländer und eine Privatversiche­rung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Sie verteuern das System!)

Richtig ist, dass die Zahl der Funktionäre und der Gremien durch diese Strukturreform drastisch reduziert wird. Entscheidungen werden schneller und effizienter sein – ich glaube, ich habe es schon einmal im Hohen Haus gesagt –, bis dato hat man über alle Sozialversicherungsträger 54 Beschlüsse gebraucht, was ein halbes Jahr gedauert hat. Bitte, ist das effizient? (Abg. Rosenkranz: Nein!) – Das ist nicht effizient, richtig, Herr Klubobmann, und das wollen wir verändern, damit es klare, transparente Entschei­dungsstrukturen gibt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ja, und dann gibt es natürlich auch den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit. Dem trete ich mit aller Entschiedenheit entgegen. Ich habe ganz klare Anweisungen gegeben: keine Experimente. Mir haben drei verschiedene Verfassungsrechtler erklärt, dass die­se Organisationsreform nach menschlichem Ermessen verfassungskonform ist. (Abg. Stöger: Namen! Wer?) Verfassungsrechtliche Gutachten bestätigen dies eindrucksvoll. (Abg. Stöger: Wer war das?)

Was wir weiter umsetzen werden, ist die gemeinsame Prüfung, die gemeinsame Prü­fung der Unternehmen. Hinsichtlich Steuer wird von der Finanzverwaltung geprüft und hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträgen ebenfalls – mit den Experten der Sozialversi­cherung. Das heißt, die Unternehmer werden künftig von beiden Teams gleichzeitig geprüft, und das spart natürlich den Unternehmen viel Aufwand und viel Unruhe. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Firmen jedoch, die einen etwas lockeren Umgang mit der Steuergesetzgebung haben, erwischt man zukünftig gleich auch noch im Zusammenhang mit der Sozialversicherung; das heißt, auch da gehen wir effizienter vor.

Etwas kurios mutet eine andere behauptete Verfassungswidrigkeit an. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Es wird behauptet, die paritätische Besetzung des Verwaltungsrates der neuen Gesundheitskasse wäre verfassungswidrig, weil die Dienstgeber gar nicht bei dieser Kasse versichert sind. Das mag zwar stimmen, aber die Dienstgeber sind auch bei den heutigen Gebietskrankenkassen nicht versichert und hatten bisher in der Kontrollversammlung, wie Sie wissen, die Mehrheit – und trotzdem hat die Gewerk­schaft dies nie kritisiert. Dass die heutigen Gremien deshalb verfassungswidrig sein sollen, ist mir und auch vielen Verfassungsjuristen unerklärlich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann lassen Sie es sich vom Verfassungsgerichtshof erklären!)

Ein dritter Punkt wird auch immer auf das Heftigste kritisiert: In diesem Gesetz wird das Aufsichtsrecht des Bundes moderat und nachhaltig gestärkt. In den Zeitungen liest sich das wie der Untergang des Abendlandes, aber ich werde Ihnen einige Beispiele brin­gen, warum das kein Untergang ist, sondern – im Gegenteil – die Effizienz gesteigert wird. Zum einen hat sich im letzten Jahr die Unsitte breitgemacht, statt auf dem Ver­handlungsweg die beste Lösung zu suchen, mittels Überraschungsmoment Fakten zu schaffen und immer wieder heikle Punkte im letzten Moment als Tischvorlage zur Abstimmung zu bringen. Da muss natürlich der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit ge­geben werden, die Unterlagen entsprechend zu prüfen, und deshalb ist es ein Ansin­nen, das – wenn das kurzfristig als Tischvorlage eingebracht wird – auf die nächste Ta­gesordnung zu bringen, das zu vertagen. – Das ist der Untergang des Abendlandes; ich sehe ihn nicht. Um solche Probleme in Zukunft hintanzuhalten, sieht die Organisa­tionsreform vor, dass die Aufsichtsbehörde verlangen kann, die Beschlussfassung über einen Tagesordnungspunkt zu vertagen, und das zwei Mal.

Im zweiten Beispiel geht es darum, dass die Aufsichtsbehörde im Rahmen der Bal­anced Scorecard – das ist eine Zielsteuerung – gemeinsam mit der Sozialversicherung Ziele vereinbaren kann, die dann den Handlungsspielraum der Selbstverwaltung ein­schränken. Das klingt sehr technisch, ich weiß, und deshalb bringe ich Ihnen einen Vergleich aus anderen Selbstverwaltungskörpern, den Gemeinden: Wenn sich die Ge­meinden gemeinsam mit der Aufsichtsbehörde auf eine Umfahrungsstraße geeinigt ha­ben, kann die Gemeinde dort nicht einen neuen Kinderspielplatz errichten. Wird die Gemeinde in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt? – Klares Ja. Ist das aber auch das Ende der Selbstverwaltung? – Wohl kaum.

Das Bundesministerium für Finanzen ist zukünftig in wichtigen Fragen der Zweckmä­ßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch die Aufsichtsbehörde der neuen Ös­terreichischen Gesundheitskasse. Da es diese Funktion bisher bereits bei der Pensi­onsversicherungsanstalt, der SVA, der SVB, der VAEB und der BVA innehatte, kann ich nicht nachvollziehen, warum das jetzt bei der Österreichischen Gesundheitskasse ein Problem sein sollte. (Abg. Leichtfried: Das ist ja das Problem, dass Sie das nicht nachvollziehen können!) Immerhin erhält die Krankenversicherung ja auch einige Mittel aus dem Bundesbudget.

Kommen wir abschließend noch zur Frage der finanziellen Auswirkung. Fakt ist, dass die Regierung den Unfallversicherungsbeitrag senkt und dadurch weniger Gelder ins System kommen. Das begründet sich einerseits mit den notwendigen Reformen in der AUVA und auch mit der zurückgehenden Zahl der Arbeitsunfälle. Anfangs hat auch dort niemand an eine Einsparung im Ausmaß von 500 Millionen Euro geglaubt, bis die Selbstverwaltung es in eingehenden Konzepten beschlossen hat.

Ach ja, und dann gibt es auch noch das Thema der einmaligen Zahlung der 14,7 Mil­lionen Euro an den Prikraf, das sei zu viel. – Na, wenn er es als Einzelner bekommt, vielleicht schon, aber im gesamten Budget ist das nicht sehr viel. Dazu noch zwei De­tails: Der Prikraf finanziert damit ausschließlich – und ich betone: ausschließlich – Leis­tungen, die jedermann, auch in der sozialen Krankenversicherung, in Anspruch neh­men kann. (Abg. Drozda: Schönheitsoperationen!) – Nein, die werden von der Sozial­versicherung nicht finanziert. Ich glaube, Herr Kollege, das wissen Sie. (Abg. Ro­senkranz: Woher wissen Sie das, Kollege Drozda? Haben Sie schon eine hinter sich?)

Private Krankenanstalten betreuen im Jahr circa 100 000 Personen. Alle anderen Zah­len, die Ihnen die Opposition vorzurechnen versucht, betreffen Gelder, die nur inner­halb der Sozialversicherung verschoben werden. (Abg. Rossmann: Verschiebebahn­hof!) Die kann man herrlich zu einer richtigen Horrorzahl addieren, mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun.

Schauen Sie sich einmal die Unterlagen an! Das sind locker, glaube ich, 1 500 Seiten. Ich habe sie schon gelesen, ich weiß, was die Möglichkeit einer Zusammenlegung be­deutet, was Kosten- und Effizienzpotenziale betrifft. Lesen Sie diese Unterlagen ein­mal, dann können Sie mitdiskutieren! Mir ist wichtig, dass jeder Cent für die Ver­sicherten eingesetzt wird und nicht für ineffiziente Verwaltung und Funktionäre. – Dan­ke, Herr Präsident. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: Was ist eigentlich mit dem Rechnungshof? – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

9.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Ge­schäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.