15.01

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerinnen! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Sozialdemokratie gibt es in der Politik eine sehr einfache Richt­schnur, nämlich die Frage: Machen wir das Leben für die Menschen leichter oder eben nicht? Machen wir das Leben der Menschen gerechter oder nicht? – Man muss es nicht gleich so heftig wie Willy Brandt ausdrücken, der einmal gesagt hat: „Die ganze Politik soll sich zum Teufel scheren, wenn sie nicht dabei hilft, das Leben der Men­schen etwas einfacher zu machen.“ (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Im Grunde geht es aber genau darum: Den Menschen Möglichkeiten und Chancen zu bieten und ihr Leben besser und gerechter zu gestalten – zur Ausschöpfung der eige­nen persönlichen Potenziale. Das ist unsere Aufgabe. Dazu gehört auch, sehr geehrte Damen und Herren, dass Menschen gesund sind, dass sie gesund bleiben und schnell gesund werden, wenn sie krank sind. Wir haben die Verantwortung und die Aufgabe, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um das zu ermöglichen. Denn: Wenn ein Mensch krank ist, ist es egal, ob er Angestellter, Arbeiter, Beamter, Politiker, Bauer oder Selbstständiger ist; alle diese Menschen sind gleich krank und müssen die gleichen Chancen darauf haben, sehr geehrte Damen und Herren, wieder gesund zu werden. Genau das ist unsere Aufgabe, vor allem Ihre Aufgabe, Frau Bundesministerin für Gesundheit! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Als Politikerinnen und Politiker ist es also unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, die Chan­cen auf Gesundheit für alle gleich zu gestalten. Das bedeutet auch, sich darum zu kümmern, die beste und modernste Gesundheitsversorgung für alle zur Verfügung zu stellen. Wir wissen genau, dass das gar nicht mehr so einfach ist, vor allem auf dem Land. In den ländlichen Regionen ist es nicht mehr so einfach, in allen Gemeinden Hausärzte zu finden. Es ist nicht mehr so einfach, Fachärzte wohnortnah zu finden – in manchen Regionen ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.

Genau deshalb bin ich auch als ehemalige Gesundheitsministerin davon überzeugt: Ja, wir müssen in unserem Gesundheitssystem laufend Veränderungen vorantreiben, lau­fend Weiterentwicklungen vornehmen. Wir müssen auf die Herausforderungen der Zeit reagieren, weil es unsere Pflicht den acht Millionen Österreicherinnen und Österrei­chern gegenüber ist. Das ist die Aufgabe der Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Die acht Millionen Menschen dieses Landes und ihre Leistungen sind nicht zuletzt auch die Grundlage des Erfolgs dieses Landes – des wirtschaftlichen Erfolgs, des so­zialen Zusammenhalts, des Miteinanders. Wenn aber dieser Erfolg gemeinsam erar­beitet ist, dann haben auch alle das Recht, von diesem Erfolg zu profitieren, und zwar durch ordentliche Löhne, durch gute Ausbildung, Schulbildung und nicht zuletzt durch die beste Gesundheitsversorgung. (Abg. Belakowitsch: Das liegt alles im Argen, nach jahrzehntelanger sozialistischer Politik!)

Damit ist für mich auch klar, wie ich mir eine Gesundheitsversorgung nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft vorstelle, nämlich modernste Behandlungsmethoden und Therapien für alle Menschen dieses Landes, kürzere Wartezeiten auf Operationen, Un­tersuchungen und Behandlungen, mehr Prävention und Gesundheitsförderung vor al­lem im Kinder- und Jugendbereich, eine optimale Versorgungssituation auch und ge­rade im ländlichen Bereich, nämlich wohnortnah, dort, wo die Menschen leben und ar­beiten und es brauchen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – und das, sehr geehrte Damen und Herren, für alle Menschen dieses Landes, und zwar unabhängig davon, wie dick ihre Brieftasche ist oder bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Das sind unter anderem die Leitlinien, an denen wir jeden politischen Vorschlag mes­sen, unsere eigenen Vorschläge, aber natürlich umso mehr Ihre seitens der Regierung. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, dann werden wir jedem Vorschlag zustimmen, dann werden wir bei jedem Vorschlag, den Sie machen, dabei sein. Es ist also am Ende eine Entscheidung der Regierung, ob wir ein Gesetz mittragen oder eben nicht. Wir haben aber eine Bedingung dabei: Es muss im Interesse der Menschen dieses Landes sein, und jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, sein Leben dahin gehend zu verbes­sern. – Das ist unsere Bedingung, die wir für unsere Zustimmung hier stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Allerdings, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, wenn wir genau diese Leitli­nien, diese Richtschnur an Ihr Gesetz, an Ihre Vorschläge, die Sie heute auf den Tisch gelegt haben, anlegen, dann müssen wir eines ganz klar und leider auch sehr schnell feststellen: Es wird nichts besser in diesem Land – ganz im Gegenteil. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es gibt wohl ein paar Profiteure dieser Reform – welchen Namen sie auch immer am Ende trägt –, aber die Profiteure sind keine Patientinnen und Patien­ten. Die Profiteure sind keine Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, auch keine Ärztinnen und Ärzte. (Abg. Belakowitsch: Und schon gar nicht die Funktionäre!)

An die größte Ungerechtigkeit in unserem System haben Sie wohl auch nicht gedacht, nämlich an die ungleichen Leistungen in der Gesundheitsversorgung, die die Men­schen erhalten, je nachdem, bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Sie wissen so gut wie ich: Die Leistungsharmonisierung, von der Sie sprechen, ist eine reine Leis­tungsharmonisierung innerhalb der Gebietskrankenkassen. Und Sie wissen auch so gut wie ich, dass diese Harmonisierung bereits weit vor Ihrer Zeit als Ministerin (Zwi­schenruf des Abg. Deimek), nämlich in der Zeit, als ich Gesundheitsministerin war, be­gonnen hat und so gut wie abgeschlossen war. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

Die größte Ungerechtigkeit aber sind die Ungleichheiten zwischen den Gesundheits­leistungen der Versicherten der Gebietskrankenkassen und jenen der Beamtenkran­kenkassen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Genau diese größte Ungerechtig­keit greifen Sie mit dieser Reform nicht an! (Ruf bei der FPÖ: Der Stöger hat das nicht gemacht! – Abg. Leichtfried: Unerhört!)

Geht es nach Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin Hartinger-Klein, dann wird der bereits erwähnte Bauarbeiter im Burgenland niemals die gleiche Gesundheitsleis­tung erhalten wie ein Beamter in Wien, in Oberösterreich (Abg. Deimek: Fragen Sie doch den Herrn Stöger!) oder in Vorarlberg oder wie Sie als Politikerinnen und Politi­ker. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Das ist aus unserer Sicht keine Gerechtigkeit, wie ich sie mir vorstelle. Ich sage Ihnen noch etwas (Abg. Belakowitsch: Sie haben aber auch nicht für Gerechtigkeit ge­sorgt!): Diese Ungerechtigkeit wird durch Ihr Gesetz in Stein gemeißelt! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und genau dafür werden wir uns nicht aussprechen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir Vorschläge in der Politik erarbeiten, dann ist doch immer die Frage: Für wen und wozu? Wer soll am Ende davon profitieren? Und ich frage mich, an welche Men­schen Sie bei der Erarbeitung dieses Gesetzesvorschlags gedacht haben. (Abg. Gu­denus: An die Funktionäre!) An welche Menschen in den Wartezimmern haben Sie ge­dacht, an welche Krankenpfleger in den Krankenhäusern dieses Landes (Abg. Gude­nus: Reden Sie vom roten Wien!), an welche Patienten, die mit Schmerzen ins Spital oder zu ihrem Hausarzt fahren und oft wochenlang auf Termine warten? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Haben Sie an die sieben Millionen Versicherten der Gebietskran­kenkassen gedacht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, die aus meiner und unserer Sicht die größten Verlierer dieser Reform sind? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Leichtfried.)

Es wäre nur fair und ehrlich von Ihnen, heute hier zu sagen: An diese Menschen habe ich nicht gedacht, als ich das Gesetz geschrieben habe. (Rufe bei der FPÖ: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sehen Sie, das ist genau der Unterschied zwi­schen dieser Bundesregierung und uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten (Abg. Gudenus: Die haben immer nur an Funktionäre gedacht!), nämlich das Men­schenbild, sehr geehrte Damen und Herren! Wir glauben an die Menschen dieses Lan­des! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Zwischenrufe der Abgeordneten Be­lakowitsch und Gudenus.)

Wir glauben an die Menschen. Wir glauben an ihre Fähigkeiten, wir glauben an die Möglichkeiten und wir glauben an die Chancen. (Abg. Gudenus: Hauptsache, das Par­teibuch ist da!) Wir sind die, die dafür verantwortlich sind, diese Chancen so groß wie möglich zu machen, und dazu gehört es auch, gesund zu sein und gesund zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Ihre Vorschläge aber liefern heute keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit, keine Antworten auf den Ärztemangel am Land (Zwischenruf des Abg. Gudenus), keine Antworten zur Reduktion der Wartezeiten (Zwischenrufe bei der FPÖ), die sich verschärfen, keine Antworten auf den Leistungsausbau, der in vielen Bereichen not­wendig wäre, keine Antworten auf - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wollen Sie hierherkommen und weiterreden? (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie können gerne herauskommen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Abg. Haider: Jahrzehntelanges SPÖ-Versagen! – Abg. Gudenus: ... bis vor zehn Monaten rote Minister! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich darf bitten, die emotionalen Äußerungen etwas zurückzunehmen! Die Frau Klubobfrau ist am Wort. (Abg. Neubauer: Die Rednerin auch! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Vielen Dank, Herr Präsi­dent! Ihre Vorschläge liefern keine Antwort auf die demografische Entwicklung dieses Landes und die damit verbundene Zunahme chronischer Erkrankungen, die Zunahme der Pflegebedürftigkeit – das war vorhin auch gerade ein großes Thema. Ja, Sie blei­ben die Antworten schuldig. Es ist Ihr gutes Recht, diese Politik zu machen, Frau Bun­desministerin, aber es ist auch unsere Verpflichtung, zu sagen, dass wir diese Politik sicher nicht unterstützen werden. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Bravorufe bei der SPÖ.)

Es ist auch Ihr gutes Recht, Frau Bundesministerin, Politik für einige, ganz wenige gro­ße Unternehmen dieses Landes zu machen, aber es ist auch unsere Verpflichtung, darauf hinzuweisen, dass die Erfolge dieser Unternehmen und der Wirtschaft – die Er­folge unseres Landes – substanziell von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Unternehmen mit geschaffen werden. Dazu gehört es auch, gesund zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Interesse und quasi im Auftrag von acht Millionen Österreicherinnen und Österreichern lehnen wir dieses Gesetz aus Überzeugung ab. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Haider: So viele haben wir ja gar nicht!)

Unser Gesundheitssystem ist gut, aber es muss laufend verbessert und weiterentwi­ckelt werden, und es muss laufend gerechter werden. Genau das erwarte ich mir von Ihnen, Frau Gesundheitsministerin dieser Republik! Ich bin mir sicher, das erwarte nicht nur ich, sondern das erwarten auch die Menschen, die im Gesundheitssystem ar­beiten. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das sind die Pflegerinnen und Pfleger, die Therapeuten, die medizinisch-technischen Assistenten bis hin zur Sprechstundenhilfe (Zwischenruf des Abg. Neubauer), also jene, die 24 Stunden sieben Tage die Woche 52 Wochen im Jahr alles tun, um Patientinnen und Patienten gut zu versorgen. (Abg. Deimek: Ja, weil die haben nicht mal ordentliche KVs! ... Katzian!)

Auch in ihrem Namen – im Namen der Menschen, die in diesem Gesundheitssystem arbeiten – lehnen wir Ihre Vorschläge ab, weil auch für diese Menschen Ihre Vorschlä­ge nichts verbessern werden, an ihrer Arbeit werden sie nichts leichter machen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe am Beginn der Rede Willy Brandt zitiert, dass Politik „das Leben der Menschen [...] einfacher zu machen“ hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie machen es den Menschen schwerer, und genau deswegen lehnen wir diesen Vorschlag ab. – Danke schön. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Zadić.)

15.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die SchülerInnen des BRG aus dem 23. Bezirk recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Bundesministerin Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte.