16.41

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Eine Reform, die die­sen Namen auch verdient, sollte eine planvolle Umsetzung und Umgestaltung eines Systems sein. Eine Reform sollte eine spürbare Verbesserung für möglichst alle Betrof­fenen erreichen. Eine Reform, die diesen Namen auch verdient, sollte insgesamt so vielen Menschen wie nur möglich das Leben verbessern. Ihre Reform, sehr geehrte Frau Ministerin Hartinger-Klein, ist im besten Fall eine organisatorische Zusammenle­gung einiger Einheiten, aber im schlimmsten Fall – und das ist der Befund, den wir aktuell sehen – eine Entmachtung derjenigen, die die deutliche Mehrheit der Beiträge zahlen, nämlich der Versicherten in diesem Land, die die Sozialversicherungsbeiträge abführen und entrichten.

Ich möchte die Frage in den Raum stellen, wo denn die eigentlichen Probleme unseres Gesundheitssystems in Österreich begraben liegen, und da drängt sich für mich ein­fach die Frage auf: Ist es das Problem, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Ar­beitgeberseite bisher zu wenig Mitsprache und Einfluss im Bereich der Gesundheits­politik hatten? – Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, dann haben Sie mit dieser Reform etwas geleistet. Genau diese Frage würde ich aber nicht mit Ja beantworten, denn in Wirklichkeit ist das große Problem, das man lösen müsste, dass wir aktuell einer Regierung gegenüberstehen, die unternehmens- und konzernaffin ist und dem­entsprechend auch auf der einen Seite Beiträge senkt (Abg. Rosenkranz: Österrei­cher-affin haben Sie noch weggelassen!) – auf der anderen Seite werden wir dann sehen, wie sich das auf die Leistungen allgemein für die Betroffenen und Versicherten auswirkt. Wir sehen aber, dass sich bei der Zusammensetzung der Gremien aktuell eine Machtverschiebung in Richtung Arbeitgeber ergibt, obwohl die Beiträge in einem Ausmaß von bis zu 70 Prozent von den Arbeitnehmern, von den Versicherten ent­richtet werden. – Das ist einfach nicht richtig, das widerspricht der Selbstverwaltung, das widerspricht dem in der Verfassung verankerten Prinzip! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Die PatientInnen und die in den Krankenhäusern Beschäftigten, die ÄrztInnen in den Ordinationen, aber natürlich auch die SachbearbeiterInnen in der Selbstverwaltung haben von dieser sogenannten Reform nichts, sie profitieren von der Umorganisation in keiner Weise. Sehen wir uns etwa folgendes Beispiel an: Eine SchmerzpatientIn, die keine Chefarztbewilligung für das Medikament Dronabinol bekommt, hat im Monat Kosten von 500 bis 800 Euro, die sie aus eigener Tasche an der Apothekenkasse be­zahlen muss. Diese PatientIn hat von der Neuorganisation und der Verschiebung der Mehrheiten in Richtung Arbeitgeberseite wiederum überhaupt nichts! Das heißt, was Sie hier machen, führt zu keiner Verbesserung in Richtung ArbeitnehmerInnen, in Rich­tung Versicherte.

Betroffene PatientInnen brauchen unkomplizierte Lösungen – ich glaube, darin sind wir uns einig –, sie brauchen im Falle von Schmerzen, im Falle von Problemen unkomp­lizierte Lösungen (Abg. Rosenkranz: Ja, ...!) – aber diese sehe ich in dieser Reform nicht. Kollege Rosenkranz, das sehe ich hier nicht abgebildet (Abg. Rosenkranz: Ach so! Na wenn Sie sie nicht sehen, ...!), denn eine reine Machtverschiebung trägt noch überhaupt nicht dazu bei, dass Leistungen verbessert werden. (Abg. Rosenkranz: Aber wenn der Chefarzt fällt!)

Wir haben zum Beispiel die Situation, dass mit dieser Reform – und da ist die Antwort auf die Frage, ob sie Verbesserungen im Leistungsspektrum bewirkt: nein – keine Zu­zahlung zu einer Brille, keine Zuzahlung zu einem Zahnersatz verbessert wird, keine Rezeptgebühr gesenkt wird, und es ist auch nicht so, dass auch nur eine einzige Kur mehr bewilligt würde oder unter anderem Rehabilitationsmaßnahmen auf den neuesten Stand gebracht würden. All das findet im Rahmen dieser Reform nicht statt! Genau das ist aber schade, denn das würde die Bevölkerung wirklich spüren, wenn es diesbezüg­lich zu einer Verbesserung käme.

Wichtig bei einer Reform ist, dass es – ganz egal, ob man in Bregenz oder in Salzburg wohnt, ob man in Wien oder an der Grenze zu Slowenien zu Hause ist – zu einer Ver­einheitlichung der Leistungen kommt. Das könnte man auch im Zuge dieser Reform schneller vorantreiben und dementsprechend auf den Weg bringen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Deimek: Wenn Sie es durchlesen, werden Sie sehen, dass es kommt! Darauf freut sich der Arbeiter aus Sankt Valentin, ...!)

Bei Ihrer Reform, Frau Ministerin, haben Sie immer wieder etwas versprochen, das auch heute schon mehrmals erwähnt wurde: die Einsparung von 1 Milliarde Euro, die soge­nannte Patientenmilliarde. Sie haben auch versprochen, diese wieder in das Gesund­heitssystem zu investieren, nur: Genau bei dieser Milliarde sehe ich den Vorwurf be­gründet, denn selbst bei mehrmaligem Durchsehen des Entwurfs kommt man nicht auf die 1 Milliarde! Da brauche ich jetzt nicht nur mich allein zu zitieren, sondern kann auch den Rechnungshof und seine Stellungnahme heranziehen: Auch der Rechnungshof kommt nicht auf die 1 Milliarde! (Abg. Zanger: Wenn er nicht alles berücksichtigt!)

Der Rechnungshof – und dieser ist wirklich keine linke Ideologieagentur – kritisiert und führt zu dem Zahlenwerk, das uns hier vorgelegt worden ist, aus, dass der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde fehlt. Bei den in den Er­läuterungen angeführten 33 Millionen Euro an Einsparungen bis 2023 sei nicht klar, wie man dazu komme – die Grundlage sei nicht nachvollziehbar –, und außerdem wür­den die zu erwartenden Mehrkosten im Zuge der Zusammenlegung ebenfalls nicht ein­berechnet werden. – Das heißt: Erhebliche und schwerwiegende Kritikpunkte vonsei­ten des Rechnungshofes werden irgendwie – so kommt es mir vor – mit einem Wisch zur Seite geschoben. Der Rechnungshof und die Rechnungshofpräsidentin verlangen eine transparente Darstellung und eine seriöse Planung. Das ist es, glaube ich, was wir alle hier verlangen können und verlangen sollten.

Wenn wir weitergehen, dann möchte ich in dem Zusammenhang eine weitere Frage aufwerfen: Sie sprechen davon, auch in Ihrem Eingangsstatement im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage, dass es bis zu 30 Prozent Personaleinsparungen geben soll und dass der größte Teil durch Nichtnachbesetzungen, durch Personalreduktionen zustan­de kommen soll. Was mir dazu einfällt, ist: Aus den Augen, aus dem Sinn!, denn: Wird durch die Zusammenlegung der Krankenkassen wirklich die Arbeit weniger? Werden weniger Menschen zum Arzt gehen oder weniger ins Krankenhaus gehen? Werden weniger Bewilligungen nötig? Ist weniger Arbeit zu leisten? Vielleicht weiß ich es nicht, aber: Ist mit weniger Krankheiten zu rechnen? Werden die Wartezeiten vor den Ambu­lanzen und in den Wartezimmern kürzer? (Abg. Deimek: ... gehen weniger in die Am­bulanzen! Das freut die Länder möglicherweise, aber die Niedergelassenen ganz si­cher!) Oder wird es doch am Ende des Tages weniger Leistungen und dadurch we­niger Aufwand geben? Oder stehen wir der Situation gegenüber, dass aktuell durch Personalreduktionen, durch geplante Personalreduktionen eine Situation geschaffen wird, in der auf Kosten der Beschäftigten, auf Kosten der einfachen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen in den Krankenkassen, und damit auf deren Rücken, gespart wird? (Abg. Deimek: Wenn es mehr Niedergelassene gibt, hat man früher einen Ter­min!)

Frau Ministerin! Weil es immer heißt, wir sparen beim System: Das System besteht aus Menschen! Wenn wir dahin gehend denken, dass wir beim System sparen wollen, dann werden wir schlussendlich auch an Arbeitsplätzen sparen, und dann wird die Ar­beit, die vorhanden ist – und die, wie wir feststellen, ja nicht weniger wird –, das aktuel­le Personal noch weiter unter Druck bringen und weiterhin wie eine Zitrone auspres­sen. Das aber will ich garantiert nicht! (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Deimek: Und das sind die 1 500 Funktionäre, die jetzt am Donnerstag mit dem Feuerzeug und mit dem Kerzerl ...? Die riskieren wir!)

Was sich die Versicherten auf der einen Seite, aber auch die Beschäftigten in den Krankenkassen im Wesen des Sozialversicherungsbereiches verdient haben, ist tat­sächlich eine spürbare Verbesserung; eine Verbesserung und eine Reform, die wirklich allen etwas bringen kann und die die BürgerInnen, die Versicherten, die Arbeitnehme­rInnen auch zu mündigen BürgerInnen macht, die eine Stimme und ein Stimmrecht in der Sozialversicherung und in den Krankenkassen haben.

Wir stehen zur Selbstverwaltung! Wir stellen uns vehement dagegen, dass diese aus­gehebelt werden soll, auf welche Art auch immer das von Ihnen versucht werden mag. Die Selbstverwaltung ist ein Stück der demokratischen Kultur, sie ist eine Kulturleistung dieses Landes, und ich bin dagegen, dass man diese Leistung jetzt unter Denkmal­schutz stellt und sagt: Okay, das verräumen wir jetzt einmal, und wir machen das alles ganz anders! – Ich möchte, dass wir diese Selbstverwaltung stärken, weiter ausbauen und – in Richtung Modernisierung – eine modernere, demokratische Form der Selbst­verwaltung einführen. Es braucht eine Sozialwahl, es braucht eine direktere Umset­zung des Willens jener, die versichert sind und auch die Beiträge leisten.

Ganz klar ist: Wenn wir den Weg hin zu so einer Art von Reform einschlagen würden, dann würde das auch zu Einsparungen beitragen, denn die Betroffenen wissen viel eher als die Industriellenvereinigung, was wirklich nötig ist. Auf der anderen Seite würde es auch – und das könnte auch Ihrem Wunsch entsprechen – zur Reduzierung der Anzahl von Funktionärinnen und Funktionären kommen – nicht zuletzt von jenen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.

Machen wir daher gemeinsam eine parlamentarische Enquete, gehen wir zurück an den Start! Nehmen Sie diesen undurchdachten Reformvorschlag zurück und diskutie­ren wir gemeinsam über eine echte Reform, die auch wirklich spürbar draußen bei den Versicherten ankommt! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

16.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Nussbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.