15.30

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi wurde der Welt vor Augen geführt, wie das saudische Regime mit seinen Kritikern umgeht. (Abg. Schimanek: Das wissen wir doch eh!) Wir haben das ausführlich im Außenpolitischen Ausschuss besprochen. Wir haben auch festgestellt, dass sich die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien zusehends ver­schlechtert. Die Behörden schränken die Rechte auf Meinungsfreiheit ein, Regierungs­kritiker werden in unfairen Gerichtsverfahren mit ganz hohen Gefängnisstrafen abgeur­teilt, Folter und andere Misshandlungen stehen an der Tagesordnung, und nicht zuletzt gibt es auch die häufigen, ja, unzähligen Anwendungen von Todesstrafe oder Hinrich­tung.

Eines darf man aber nicht vergessen: Saudi-Arabien führt derzeit zwei Kriege, den einen im eigenen Land und den zweiten in Jemen. Wir hören aber von dem Krieg in Jemen viel zu wenig. Wir hören kaum etwas davon. Es ist ein vergessener, es ist eigentlich schon fast ein unsichtbarer Krieg. Warum? – Weil in Jemen keine Bericht­erstatter zugelassen sind, weil es sich auch um einen Stellvertreterkrieg handelt, weil auf der einen Seite Saudi-Arabien auch logistisch von den USA, aber auch von Groß­britannien unterstützt wird und auf der anderen Seite die Rebellen in Jemen stehen, die vom Iran unterstützt werden.

Meine Damen und Herren, in Jemen ereignet sich gerade die größte humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts. 8,5 Millionen Menschen wissen nicht, wo sie die nächste Mahlzeit hernehmen werden. Bis Ende des Jahres könnten es weitere 10 Millionen werden. Alle 10 Minuten, meine Damen und Herren, stirbt in Jemen ein Kind unter fünf Jahren. Anfang August dieses Jahres wurde ein Schulbus von einer saudischen Bombe getroffen. 51 Menschen sind dabei gestorben. Das waren keine Rebellen, 40 davon waren Kinder.

Ja, Sie haben 1 Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds gespendet, aber wenn man sich anschaut, wie viele Personen hungern, dann kommt man auf 7 Cent pro hungerndem Menschen. Das ist viel zu wenig. Wir brauchen da einfach mehr. (Bei­fall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen aber auch vor Augen führen, wie wir in Europa mit dieser Katastro­phe und mit diesen Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien umgehen. Wir ver­ur­teilen die Menschenrechtsverletzungen immer und immer wieder, aber wir tun trotz­dem nichts, was das Leid verhindern würde. Wir exportieren nämlich weiterhin Waffen nach Saudi-Arabien. Saudi-Arabien ist der zweitgrößte Waffenimporteur der Welt. Europäische Länder und die USA sind die größten Waffenexportländer und für über 98 Prozent der Waffenexporte nach Saudi-Arabien verantwortlich. Da müssen wir uns – Europa und die USA – in die Pflicht nehmen.

Bis Anfang 2016 haben auch wir Kriegsmaterial an Saudi-Arabien verschickt und in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert. Insbesondere Exporte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten finden sich in den Kriegsgebieten in Jemen, seit Jahren kommen in Jemen österreichische Sturmgewehre und Granaten zum Einsatz, aber auch in Saudi-Arabien finden wir österreichische Gewehrgranaten und österreichische Pisto­len, die gegen das eigene Volk, gegen die friedlichen Demonstranten eingesetzt wer­den.

In der heutigen Fragestunde, Frau Ministerin, haben Sie erklärt, dass mit Ende 2015, also Anfang 2016 keine Genehmigungen mehr erteilt wurden, weiter Kriegsmaterial nach Saudi-Arabien zu schicken. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass das, nur weil kein Kriegsmaterial exportiert wird, noch lange nicht heißt, dass keine Waffen exportiert werden. Es gibt nämlich Waffenexporte, die nicht der Kontrolle des Kriegsmaterial­ge­setzes unterliegen: Scharfschützengewehre, Pistolen von Glock und deren Munitionen und andere halbautomatische zivile Waffen. Diese Waffen fallen nicht unter das Kriegs­materialgesetz und können – ohne explizit als Kriegsmaterial bezeichnet zu werden – exportiert werden; diese Waffen fallen unter das Außenwirtschaftsgesetz. Hin und wieder kommt es vor, dass diese Waffen nicht als solche bezeichnet werden, sondern als Mehrzweckgüter.

Nun verstehe ich schon, wenn Sie sagen, dafür sind andere Ministerien verantwortlich, es ist aber die Pflicht der Bundesregierung, auch diese Ministerien in die Pflicht zu nehmen und jegliche Exporte von Waffen und von Kriegsmaterial zu untersagen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Gesetze – sowohl das Kriegsmaterialgesetz als auch das Außenwirt­schafts­ge­setz – sind ganz klar und eindeutig: Kriegsmaterial aus Österreich darf nicht in Staaten exportiert werden, in denen  ich zitiere –„auf Grund schwerer und wiederholter Men­schenrechtsverletzungen die Gefahr besteht, daß das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird“.

Ja worüber reden wir die ganze Zeit? – Wir reden von Unterdrückung von Men­schenrechten, wir reden von Kriegen. Das heißt, im Gesetz steht ganz klar: Wir müs­sen jegliche Lieferungen nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emi­rate untersagen. Es kann nicht sein, dass Saudi-Arabien Jemen niederbombt und unschuldige Menschen – und vor allem Kinder – darunter leiden und wir weiterhin Waffen – und ich meine alle Waffen, auch zivile Waffen – nach Saudi-Arabien liefern.

Diese Vorgänge, die in Saudi-Arabien stattfinden, müssen Konsequenzen haben, und zwar unmissverständliche Konsequenzen. Die Rüstungsexporte sind absolut unverant­wortlich und darüber hinaus im höchsten Maße unmoralisch. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Kriege und bewaffnete Konflikte führen natürlich zu weiteren Fluchtbewegungen, und diese Kriege, diese Konflikte heizen wir mit Waffenlieferungen weiter an. Die deutsche Bundeskanzlerin hat sich ja bereits entschieden und hat gesagt, es sollen jegliche Exporte untersagt werden. Ich bitte Sie, ich fordere Sie auf: Wir sollten dringend han­deln, ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien aussprechen und uns auch dafür ein­setzen, ein Waffenembargo auf europäischer Ebene zu verhängen. Mit den Waffen­expor­ten muss Schluss sein!

Als ersten Schritt fordern wir daher den Nationalrat mit unserem Entschließungsantrag auf, sich dafür auszusprechen, dass mit diesen Waffenexporten Schluss ist.

Daher stelle ich heute folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Export­stopp für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert

1. bei der Behandlung von Ausfuhranträgen nach dem Kriegsmaterialgesetz sowie dem Außenwirtschaftsgesetz betreffend die Zielländer Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate die in der Begründung geschilderte humanitäre Situation in Jemen sowie die Gefahr, dass die gelieferten Waffen und Geräte zur Unterdrückung der Menschenrechte verwendet werden, entsprechend zu berücksichtigen und daher bis zu einer grundlegenden Veränderung der Lage entsprechende Bewilligungen zu ver­wei­gern (Waffenembargo);

2. sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in bilateralen Gesprächen sowie im Rahmen der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit für ein gesamt-europäisches Waffen­embargo gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten einzu­setzen; und

3. detaillierte und öffentlich zugängliche Jahresstatistiken über die jährlich erteilten Ausfuhrgenehmigungen von Kriegsmaterial- und Waffenlieferungen an Drittländer zu veröffentlichen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

15.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

betreffend „Exportstopp für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate“

eingebracht im Zuge der Debatte über den dringlichen Antrag betreffend „Kündigung der Abkommen mit dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und inter-kulturellen Dialog“ in der 45. Sitzung des Nationalrates, XXVI. GP, am 25. Oktober 2018

Begründung

Mit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi wurde der Welt vor Augen geführt, wie das saudische Regime mit seinen Kritikern umgeht. Saudi-Arabien führt derzeit zwei Kriege: im Jemen und im eigenen Land gegen die Kräfte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Seit Jahren kommen im Jemen österreichische Sturmgewehre und Granaten zum Einsatz. Fotos und Augenzeugenberichte beweisen, dass mit österreichischen Ge­wehr­granaten auf friedliche Demonstranten in Saudi-Arabien geschossen wird. Trotz klarer Hinweise auf den geplanten Einsatz im Kriegsgebiet im Jemen wurden immer wieder Rechtfertigungen für erneute Ausfuhrbewilligungen gefunden.

Eine Anfragebeantwortung der Innenministerin vom 11. Februar 2016 listet Kriegs­materialexporte an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wie folgt auf:

Saudi-Arabien (Zeitraum 1.1.2006 bis 1.1.2016):

Waffengattung

Stückzahl

Granaten

22.105

Granatwerfer

379

Maschinenpistolen

10.636

Munition

5

Feuerleit- und Beobachtungssysteme

12

Vereinigte Arabische Emirate (Zeitraum 1.1.2006 bis 1.1.2016):

Waffengattung

Stückzahl

Granaten

285.379

Granatwerfer

68

Gewehre

399

Maschinenpistolen

81

Munition

101.500

Panzerminen

16.128

Insbesondere die Exporte in die VAE dürften zum Großteil direkt ins Kriegsgebiet im Jemen weitergeleitet worden sein.

Dazu kommen Waffenexporte, die nicht der Kontrolle durch das Kriegsmaterialgesetz unterliegen: Scharfschützengewehre, Pistolen (Glock) und deren Munition. Laut Profil-Bericht vom 7.9.2016 meldete Österreich für das Jahr 2015 in der Kategorie Revolver und selbstladende Pistolen einen Export von 29.073 Stück an Saudi-Arabien.1 Zu diesem Zeitpunkt hatte Saudi-Arabien die militärische Intervention im Jemen bereits gestartet, weshalb schon allein vor diesem Hintergrund eine Waffenlieferung nicht tragbar war.

Sowohl das Kriegsmaterialgesetz als auch das Außenwirtschaftsgesetz schließen eine Exportgenehmigung aus, wenn im Zielgebiet ein bewaffneter Konflikt herrscht, auszubrechen droht oder sonst gefährliche Spannungen bestehen (§ 3 Abs 1 Z 2 Kriegsmaterialgesetz) sowie, wenn die Gefahr besteht, dass die gelieferten Waffen zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden (§ 3 Abs 1 Z 3 Kriegs­materialgesetz). Gemäß § 7 Abs 1 Außenwirtschaftsgesetz ist eine Genehmigung dann zu verweigern, wenn die Güter im Bestimmungsland bewaffnete Konflikte auslösen oder verlängern oder bestehende Spannungen oder Konflikte verschärfen würden.

Auch das europäische Parlament fordert bereits seit dem 26. Februar 2016, dass Saudi-Arabien dringend mit einem Waffenembargo belegt werden muss, weil dieses an schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts im Sinne der Vereinten Nationen beteiligt ist.2

Festzuhalten ist, dass auch abseits des militärischen Konflikts im Jemen Waffenliefe­rungen nach Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als höchst be­denklich und rechtlich jedenfalls nicht vertretbar einzustufen sind, da beide Staaten für ihre schweren und wiederholten Menschenrechtsverletzungen bekannt sind. Eine im Jahr 2014 großangelegte Operation saudischer Sicherheitskräfte zeigte auf drama­tische Weise, was österreichische Waffen in diesen Ländern anrichten können: Im Zuge der Offensive, bei welcher auch von Österreich im Jahr 2010 gelieferte HE-DP92 Granaten (Lieferung von 9.000 Stück!) zum Einsatz kamen, wurden 5 Zivilisten getötet und zahlreiche weitere verletzt.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass in Österreich detaillierte Rüstungs­berichte öffentlich nicht zugänglich sind, weshalb keine Transparenz und Kontrolle im Bereich des Waffenexports gegeben ist. Pieter Wezemann, Analyst beim renom­mierten Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), hält dazu fest: „Österreich ist eines der intransparentesten Länder Europas, wenn es um den Waffen­handel geht. Selbst die Ukraine oder Rumänien sind besser.“3

Angesichts der katastrophalen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und der Ver­schlim­merung der humanitären Situation im Jemen ist auch Österreich gefordert, eine klare und unmissverständliche Botschaft an Saudi-Arabien zu richten. Die deutsche Bundeskanzlerin hat bereits dementsprechend reagiert und sich dafür ausgesprochen, Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien zu stoppen. Auch Österreich sollte sich dringend dieser Forderung anschließen und Saudi-Arabien mit einem Waffenembargo belegen.

Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert

1.         bei der Behandlung von Ausfuhranträgen nach dem Kriegsmaterialgesetz sowie dem Außenwirtschaftsgesetz betreffend die Zielländer Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate die in der Begründung geschilderte humanitäre Situation im Jemen sowie die Gefahr, dass die gelieferten Waffen und Geräte zur Unterdrückung der Men­schenrechte verwendet werden, entsprechend zu berücksichtigen und daher bis zu einer grundlegenden Veränderung der Lage entsprechende Bewilligungen zu verwei­gern (Waffenembargo);

2.         sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in bilateralen Gesprächen sowie im Rahmen der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit für ein gesamt-europäisches Waffenembargo gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten einzusetzen; und

3.         detaillierte und öffentlich zugängliche Jahresstatistiken über die jährlich erteilten Ausfuhrgenehmigungen von Kriegsmaterial- und Waffenlieferungen an Drittländer zu veröffentlichen.

1https://www.profil.at/shortlist/ausland/millionen-euro-raetsel-oesterreichische-waffen-saudi-arabien-7553165.

2Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13.9.2017 zu Waffenexporten und der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP (2017/2029(INI)), Punkt 17.

3https://www.profil.at/oesterreich/interview-claudia-bandion-ortner-alltag-saudi-arabien-nicht-freitag-378239

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Ich darf nun Herrn Abgeordnetem Lopatka das Wort erteilen. – Bitte.