13.09

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrte Frauen Bun­desministerinnen! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zur Sache: Die Arbeitszeitflexibilisierung ist eine dringend notwendige Maßnahme. Das ist etwas, was wir seit vielen Jahren sagen, das ist das, was Ihnen Unternehmerinnen, Unternehmer bei jedem Betriebsbesuch sagen. Das ist aber auch das, was wir als die Erwartungshaltung einer ganz neuen Generation an Arbeitnehmerinnen, Arbeitneh­mern erleben. Da brauche ich jetzt gar nicht über die Generation Y zu reden, die gene­rell eine viel flexiblere Vorstellung vom Leben hat und für die diese alten Schemata von Nine-to-five-Jobs einfach nicht mehr der Realität entsprechen.

Es ist ein Bedürfnis, das erkannt wurde, ganz offensichtlich schon zu früheren Zeiten durchaus auch von der Sozialdemokratie, weil es ein Bekenntnis zu flexibleren Arbeitszeiten ja auch schon im Plan A gegeben hat (Abg. Lausch: Ganz genau!), und – ich sage das ganz entschlossen und entschieden – ich bedauere sehr, dass eine Einigung nicht schon viel früher möglich gewesen ist (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), denn das, was wir jetzt am Tisch liegen haben, ist tatsächlich ein Pfusch­gesetz, und ich werde das jetzt auch zum Ausdruck bringen. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Gerstl und Rädler.)

Mir war es jetzt aber wichtig, meine Ausführungen in dieser Form einzuleiten, weil ich mich nicht in die Riege der Besitzstandswahrer einreihen möchte, die jetzt wieder einen Klassenkampf des 20. Jahrhunderts heraufbeschwören wollen. Ich bin keine Expertin, sozusagen Fellexpertin, weil der Herr Klubobmann gesagt hat, die Felle schwimmen davon, aber die Fälle häufen sich natürlich schon (Abg. Gudenus: Jeder ist zu viel, aber - -!), nämlich jene der Rechtsunsicherheit. Also ich bin eine Fall­expertin: Die Fälle der Rechtsunsicherheit häufen sich natürlich schon, und das ist ein Resultat eines Gesetzes, das durchaus zu schnell, zu wenig im Dialog, zu wenig in konstruktiver Arbeit, Zusammenarbeit durchgepeitscht worden ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es hat schon früher einmal geheißen – es gab einen Ansatz früherer Regierungen, der lautete so –: Speed kills. Ich würde das erweitern um das Wort ignorance: Speed and ignorance kill. Wir als NEOS, und das wissen Sie, haben gesagt: Ja, das ist eine notwendige Maßnahme, um ein Arbeitsrecht, ein Arbeitszeitgesetz ins 21. Jahrhundert zu bringen, wir versprechen konstruktive Zusammenarbeit. Wir haben ja auch letzt­lich – das ist immer eine Abwägung – diesem Gesetz zugestimmt. Wir haben aber auch auf die Fehler dieses Gesetzes hingewiesen, und zwar von Anfang an.

Konstruktive Zusammenarbeit ist etwas, ist eine Kultur, die maßgeblich von den Regie­rungsparteien ausgehen muss. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Eine Kultur der konstruk­tiven Zusammenarbeit kann nur dann gelebt werden, wenn die Mehrheitsparteien nicht auf der Mehrheit, auf dem Recht der Mehrheit beharren, sondern auch ganz aktiv sagen: Wir gehen in den Dialog, wir hören die berechtigten Bedenken an und sind gewillt, Gesetze besser zu machen, als wir sie selber auf den Tisch gelegt haben! (Beifall bei den NEOS.)

Dass das ein schlechtes Gesetz ist, haben wir gesagt. Dass es nicht begutachtet wurde, haben wir gesagt. Ich möchte jetzt nicht in diesen Chor – den ich übrigens relativ laut finde in diesem Gedenkjahr 100 Jahre Republik – derjenigen einstimmen, die meinen, dass die im Verfassungsrang mit Zwangsmitgliedschaft verankerte Sozialpartnerschaft irgendwie ein konstituierendes Merkmal dieser Republik wäre – nichts läge mir ferner; ich finde, in diesem Bereich könnten Sie Unternehmerinnen und Unternehmer auch entfesseln und entlasten und endlich die Zwangsmitgliedschaft abschaffen (Beifall bei den NEOS) –, aber – es kommt ein großes Aber – es gibt einen großen Unterschied zwischen einer in der Verfassung verankerten Sozialpartnerschaft mit institutionalisierter Parteimacht und einer gänzlichen Dialogverweigerung, die Sie da betrieben haben.

Und dann kommt noch etwas dazu – ich spreche da vor allem die betriebliche Ebene an, die Sie hier bedauerlicherweise gänzlich herausgehalten haben –: Da lag ein Ent­wurf am Tisch, und dann hat offensichtlich die FPÖ kalte Füße bekommen, weil – wir haben ja das Mantra gehört – sie ja angeblich das soziale Gewissen ist, und so ganz genau passt das ja jetzt bei diesem Gesetz nicht in das Konzept hinein. Deshalb kam Ihr Vizekanzler auf die glorreiche Idee: Wir schreiben jetzt die Freiwilligkeit ins Gesetz! (Abg. Rosenkranz: Bravo, Strache!) Ich stelle mir das so richtig gut vor: Da kommt wahrscheinlich eine Reihe von Legisten und Rechtsexperten zu ihm, und die sagen: Herr Vizekanzler, wir weisen höflich darauf hin, dass dieses Wort zu Rechtsunsicher­heit führen wird, dass wir bis jetzt eine andere gelebte Regelung für die 9. und die 10. Überstunde haben und dass da möglicherweise Rechtsunsicherheit und Unklarheit entstehen würden; wir können nicht genau sagen, was Sie mit dieser Freiwilligkeit meinen. – Die FPÖ hat gesagt: Das ist uns egal. Die Freiwilligkeit wird verankert! Es ist alles in Ordnung. (Abg. Rädler: Sie verwirren Ihre Wähler! – Heiterkeit bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Wir haben darauf hingewiesen, dass Sie damit etwas, was die Verantwortung dieses Hauses wäre, nämlich klare Gesetze zu schaffen, bei denen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber auskennen, aus der Hand gegeben haben und gesagt haben: Das ist ab sofort die Verantwortung der Gerichte. Sollen die diese ganzen Fälle entscheiden! Die Rechtsunsicherheit ist uns zwar bewusst, aber wir ge­hen sehenden Auges in diese Situation hinein, denn wir haben ja jetzt die Freiwilligkeit verankert. – Verzeihen Sie, das ist schlechtes Arbeiten, das ist ein schlechtes Gesetz, das ist nicht verantwortungsvoll, weder gegenüber den ArbeitnehmerInnen noch ge­gen­über den Arbeitgebern! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Frau Ministerin, Sie haben gesagt: das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Dann frage ich mich schon, warum es in diesem Fall keine einzige Dialogrunde gegeben hat, warum kein einziger Hinweis des Kollegen Loacker, dass Sie hier sehenden Auges in diese Rechtsprobleme und Rechtsunsicherheit gehen, aufgenommen wurde. (Ruf bei der ÖVP: Warum haben Sie dann zugestimmt?) Ich appelliere an Sie: Kommen Sie von Ihrem hohen Ross herunter! Konstruktive Zusammenarbeit – ich erwähne es noch einmal – ist eine Kultur, die nur von den Regierungsparteien, von den Mehrheitspar­teien kommen kann.

Wie sehr diese Parteien auf dem hohen Ross sitzen, hat man jetzt gesehen: Kaum gibt es eine Kritik am Herrn Bundeskanzler, zeigt er sein Glaskinn und wird patzig gegen­über einem ganzen Bundesland (Ruf: Hören S’ doch auf!), wenn eine Bundesbehörde schlecht arbeitet. Verzeihen Sie, das ist auch nichts anderes als schlechter Stil und patzige Politik.

Ein Letztes noch, weil Sie von den schwarzen Schafen gesprochen haben: Wir nutzen die heutige Sondersitzung auch, um einen Antrag bezüglich der Wahlkampfkos­tenbe­gren­zung einzubringen. Schwarze Schafe, die Gesetze brechen – ich glaube, Sie sollten in Ihre eigenen Reihen schauen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.