10.02

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der ehemalige Wiener Bürgermeister hat gesagt: „Wahlkampf­zeiten sind Zeiten fokussierter Unintelligenz.“ Dem wird man zustimmen müssen, aber das ist noch nicht alles. Man wird auch sagen müssen: Wahlkampfzeiten sind Zeiten gelebter Verantwortungslosigkeit, so nach dem Motto: Hinter mir die Sintflut! (Beifall bei den NEOS.)

Die Abschaffung des Pflegeregresses ist ein krasses Beispiel. Erinnern Sie sich an die Diskussionen, die damals geführt wurden! Es war eine Idee der SPÖ, die vom Eigenregress gesprochen hat, von der hundertprozentigen Erbschaftssteuer und für eine Abschaffung und für eine Gegenfinanzierung durch eine Erbschafts- und Schen­kungssteuer eingetreten ist. Da konnte und wollte die ÖVP nicht mitgehen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die ÖVP hat dann als Gegenfinanzierungsvorschlag das Foto auf der e-card ins Spiel gebracht, um Sozialmissbrauch zu verhindern. Jeder hat aber gewusst: Wie auch im­mer das ist, wie viele Fälle es da auch immer gibt, das reicht nicht aus.

Und dann haben erstaunlicherweise die ÖVP, die FPÖ sowieso und auch die Grünen –alle – zugestimmt, dass der Pflegeregress abgeschafft wird. Es ist nicht nur ein finan­zielles Fass ohne Boden, die Abschaffung des Pflegeregresses hat auch einen Len­kungseffekt, der dem, was die Menschen wollen, diametral entgegenläuft. Die Men­schen wollen zu Hause bleiben, wenn sie alt und pflegebedürftig werden, sie wollen in ihren eigenen vier Wänden versorgt werden. Man hat von Anfang an gesehen, dass es in die andere Richtung gehen wird.

Ich war damals in einer Wiener SPÖ-Sektion bei einer Diskussion mit dem damaligen Bundesgeschäftsführer der SPÖ, und der Bundesgeschäftsführer der SPÖ hat gesagt: Jetzt können ja Frauen oft nicht berufstätig sein, weil sie zu Hause jemanden haben, den sie pflegen müssen, aber in Zukunft ist das anders. Wir schaffen den Pflege­regress ab oder haben ihn schon abgeschafft, und jetzt kann man den Vater oder die Mutter ins Heim geben und muss nicht fürchten, dass man das Haus oder die Woh­nung verliert. So ist es auch gekommen. Diese Entwicklung erleben wir jetzt. Men­schen müssen ins Heim gehen, auch wenn sie das nicht wollen, weil ihre Angehörigen das Vermögen, das er oder sie hat, sicherstellen wollen. Das ist ein Faktum. (Abg. Belakowitsch: Das stimmt nicht! – Abg. Gödl: Das entspricht nicht den Fakten!) Das kann man nicht schön finden, da kann man sich wünschen, dass das nicht so sein soll, aber es ist ein Faktum. (Abg. Belakowitsch: Das Gegenteil ist der Fall!) Und die Länder klagen darüber, dass die Anfragen nach Pflegeplätzen sprunghaft ansteigen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Sie sagen genau das Gegenteil von dem, was ist! Unglaublich! – Abg. Gödl: Das stimmt so einfach nicht!)

Es hat mich auch gewundert, dass Frau Abgeordnete Belakowitsch sagt: Das Pflegesystem ist sicher. (Abg. Belakowitsch: Das ist es ja auch!) Wir haben nächste Woche im Rechnungshofausschuss einen Bericht des Rechnungshofes über die 24-Stunden-Betreuung. Ich war beim Rechnungshof. Wir haben das besprochen, und dort sagen die Prüfer, die ja einen Einblick gewonnen haben: Das ist ein Kartenhaus. Das ist eine tickende Zeitbombe, wenn nicht etwas geschieht und ein umfassendes Pflege­konzept erarbeitet wird. (Beifall bei den NEOS.) Dann werden wir dastehen, und die Menschen können dann nicht darauf vertrauen, was Sie ihnen früher so vollmundig versprochen haben, nämlich dass sie wirklich die Pflege haben werden, die sie sich wünschen.

Die Regierung hat nun versprochen: Wir bekommen ein umfassendes Konzept bis Ende des Jahres. Ich hoffe das sehr, und ich hoffe auch sehr, dass es kein Brief ans Christkind ist. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

10.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gödl. – Bitte.