11.44

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte KollegInnen! Liebe Mitbürgerin­nen und Mitbürger! Österreich ist eine Insel der Seligen. Das war einer der für mich einprägsamsten Sätze von Ihnen, Herr Bundeskanzler, gesprochen auf der gemein­samen Pressekonferenz mit Heinz-Christian Strache, der wiederum im Rahmen dieser Pressekonferenz eine gefühlte Ewigkeit über Partnerschaft, Paarlauf, papierene Hochzeit referierte und sich sichtlich um etwas Liebe in der Koalition bemühte, die ihm konsequent vorenthalten worden ist. Vielleicht haben Sie es ja gesehen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Warum ist dieses Bild einer Insel der Seligen so aufschlussreich? – Es zeigt, wie diese Bundesregierung denkt: relativ einfach und mit Konsequenzen für jeden von uns. Auf der einen Seite gibt es also die Insel, das Gute, das Beschützenswerte, aber auch das Begrenzte und das Abgegrenzte; eine Insel der Seligen, die von außen bedroht wird und gegen diese Bedrohung abgeschottet, verteidigt werden muss. Das ist eigentlich ein ganz einfaches Bild. Und solange man sich auf der richtigen Seite wähnt, hat man auf dieser Insel auch ein ganz gutes Auskommen.

Es gibt aber zwei Probleme in diesem Zusammenhang: Das erste wäre, diese Insel wandert, denn je nach politischer Windrichtung verschieben sich die Grenzen dahin gehend, wer unterstützt wird, wer Unterstützung findet und wer nicht; das bedeutet, wer mitgemeint ist und wer auf der Außenseiterseite steht.

Herr Bundeskanzler Kurz, Sie haben gesagt, Sie werden abarbeiten, was Sie sich vorgenommen haben. Ich möchte Sie an die Debatte im Zuge des Wahlkampfs und an die Situation der immer noch fehlenden Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende in diesem Land erinnern. Als Sie auf die Stimmen von rund 250 000 AlleinerzieherInnen, also auf die Stimmen von 250 000 alleinerziehenden Menschen angewiesen waren – noch vor der Wahl –, haben Sie natürlich versprochen, diesen Menschen unter die Arme zu greifen, da waren sie Teil Ihrer Insel, jetzt nicht mehr. Den Betroffenen steht aber in ihrer Situation, von Armut betroffen, vielfach das Wasser bis zum Hals.

Denken wir an ein weiteres Beispiel, nämlich den Familienbonus. Sie haben Folgendes versprochen: Alle Kinder und alle Familien sollen profitieren. Im Wahlprospekt war die Insel der Seligen für alle offen. In der Realität schaut es heute aber so aus, dass Sie nur jene einladen, die auch das nötige Kleingeld dazu haben. Wie wir heute wissen, sind rund 500 000 Kinder in Österreich in der Situation, dass sie entweder überhaupt nicht vom Familienbonus profitieren oder nur den Kindermehrbetrag von 250 Euro im Jahr anstatt den von Ihnen propagierten 1 500 Euro pro Kind erhalten werden – ent­weder nichts oder eben diesen geringen Kindermehrbetrag. Das betrifft eine halbe Million Kinder in diesem Land.

Und wie schaut es bei der Mindestsicherung, der letzten Rettungsinsel Österreichs, aus, da die Notstandshilfe ja auch eine gewisse unsichere Zukunft hat? – 324 000 Kin­der leben in Österreich aktuell bereits unter der Armutsschwelle. Sie gehen her, streichen die Mindestsicherung genau für diese Gruppe, nämlich für die Kinder, zusammen. Doch im nächsten Atemzug spricht Ihre Ministerin, Frau Ministerin Hartinger-Klein, davon, dass durch die Reform der Mindestsicherung die Kinderarmut in Österreich nun abgeschafft und erfolgreich bekämpft worden zu sein scheint. Das ist aber nicht so, denn wenn in der aktuellen Situation, obwohl pro Kind mehr an Mindestsicherung zur Unterstützung geleistet worden ist, 300 000 Kinder in Armut leben, dann wird sich all das mit einer Senkung auf 25 Prozent oder gar 5 Prozent dieses Betrages weiter verschärfen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Friedl.)

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, im Rahmen der Diskussion zur Mindestsicherung sagen, Sie wollen Menschen nicht in staatlicher Abhängigkeit halten, dann frage ich Sie aber, warum Sie die Mittel für die Ausbildungsgarantie bis zum 25. Lebensjahr zusammenstreichen. Kein einziger Cent ist 2019 dafür vorgesehen. Im letzten Jahr waren es rund 12 000 Jugendliche und junge Menschen, die damit eine Ausbildung über den Pflichtschulabschluss hinaus nachholen konnten. Die Mittel wurden einfach gestrichen. Sie halten diese Menschen weiterhin in der Mindestsicherung!

Zum Arbeitszeitgesetz gab es ebenfalls eine große Debatte. Der 12-Stunden-Tag sollte für alle Vorteile bringen. Ja, so ist es auch gekommen, nämlich für jene, die freiwillig sagen, sie wollen nicht 12 Stunden arbeiten. Die können es sich jetzt aussuchen, sie können 12 Stunden ablehnen und sich freiwillig einen neuen Job suchen. Die Arbeit­geberseite auf der anderen Seite kann natürlich ruhig ihre Füße in den Sand stecken. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das alles ist nur ein kleiner Auszug der Ungerechtigkeiten, es waren noch viele, viele Themen mehr, die wir aktuell im Rahmen der Reden gehört haben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (fortsetzend): Zum Schluss erläutere ich vielleicht noch das zweite Problem, das ich ebenfalls am Anfang ange­sprochen habe: Österreich ist keine Insel, wir sind maximal ein Boot – und genau in diesem Boot sitzen wir alle gemeinsam. Deshalb ersuche ich Sie, liebe Mitglieder dieser Bundesregierung, liebe VertreterInnen der Fraktionen: Machen Sie es im nächsten Jahr besser, hören Sie auf, auf die Schwachen hinzutreten und vor Ihren Spendern zu buckeln!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz!

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (fortsetzend): Die kommen auch ohne Ihre Unterstützung aus, aber die 300 000 Kinder in Armut nicht. – Vielen Dank! (Beifall bei JETZT. – Abg. Martin Graf: Dann müsst ihr halt im Boot mitrudern, und zwar nicht in die andere Richtung!)

11.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Nehammer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.