10.31

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch alle Zuseher auf der Galerie recht herzlich begrüßen! Ja, der EU-Ratsvorsitz, das letzte halbe Jahr war eine durchaus sehr, sehr spannende Herausforderung. Be­reits zum dritten Mal hat Österreich diesen Ratsvorsitz innegehabt. Wir als ein Land, das im Herzen Europas liegt, sind natürlich auch mit dem Anspruch angetreten, grund­sätzlich auf Basis unserer Neutralität Brückenbauer und Vermittler bei schwierigen Fra­gen zu sein.

Der Herr Bundeskanzler hat es in seiner Rede erwähnt, es hat unzählige Veranstaltun­gen gegeben. Im Rahmen des Ratsvorsitzes gab es 300 Veranstaltungen, die in Öster­reich stattgefunden haben. An allen Vorsitzveranstaltungen nahmen nach derzeit vor­liegenden Schätzungen über 80 000 Delegierte teil, 51 000 aus dem Inland, 29 000 aus dem Ausland. Da gilt natürlich vor allen Dingen der Dank den Beamten, die hier großartige Arbeit geleistet haben. (Abg. Wöginger – auf einen Kameramann auf der Besuchergalerie deutend in Richtung Präsident Sobotka –: Wolfgang, der filmt runter! – Präsident Sobotka macht eine Geste in Richtung Besuchergalerie.)

Wenn wir die Zahlen, die uns nach dem Ratsvorsitz vorliegen, bewerten, sind da rund 135 Millionen Euro zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen worden. Das ist etwas Schö­nes, da hat vor allen Dingen der Tourismus profitiert, nämlich mit indizierten Ausgaben von insgesamt rund 54 Millionen Euro. Das ist, wenn es um den Wirtschaftsfaktor Gastronomie und Beherbergung geht, ein Gewinn, da zählt der Tourismus natürlich zu den Topgewinnern.

Wir haben den Gästen natürlich auch ein schönes, kulturelles Programm geboten. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Erst gestern konnten wir im Rah­men des Treffens der EU-SportdirektorInnen, die wir zu einem Abendessen begrüßen durften, ein wundervolles Ambiente im Naturhistorischen Museum ermöglichen. Das war für mich als Sportminister ein schöner Abschluss des Ratsvorsitzes, da wir ja auch im Bereich der Innovation und im Sinne einer sozioökonomischen Betrachtung für den Sport etwas weitergebracht haben. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerli­che Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Auch wenn Sie lachen: Sport hat eine Bedeutung. Die Bedeutung ist Ihnen vielleicht nicht bewusst, aber mit 6 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt trägt der Sport maß­geblich zur Wirtschaft in dem Land bei, sogar stärker als die Bauwirtschaft, und so ge­sehen ist das eine Kraft. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Bis dato ist der Sport bei meinen Amtsvorgängern immer nur als Beiwagerl mitgeschleppt worden. Das ist et­was, was ich ändern will, weil es beim Sport einfach einen gesellschaftspolitischen An­spruch gibt, dass er nämlich verstärkt in den Mittelpunkt gerückt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Sport ist nicht nur Motor für Wirtschaftswachstum und Gesundheit in diesem Land, um Kosten zu ersparen, sondern wir haben die verdammte Verantwortung, endlich wieder bei den Kindern anzusetzen, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass endlich die tägliche Turnstunde wieder abgehalten wird – und das auf europäischer Ebene. Da ha­ben wir im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes die Schlussfolgerungen zur wirtschaftlichen Dimension und zur sozioökonomischen Entwicklung des Sports umgesetzt.

Generell stand der Vorsitz ja unter dem Motto: Ein Europa, das schützt; und das war wesentlich, denn es ist in den letzten Jahren durch Fehlentwicklungen zu der Situation gekommen, dass das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union, in die Institu­tionen durchaus gelitten hat, weil der Außengrenzschutz leider Gottes nicht erfolgreich gelebt wurde.

Es gibt im europäischen Grenzschutzbereich und auch im Bereich der Küstenwache Maßnahmen, die im Sinne einer Bewusstseinsveränderung vorangetrieben worden sind, zum Beispiel wurde ein Maßnahmenpaket zur Schlepperbekämpfung verabschie­det. Das war auch im Paket der Frontex, bei der vieles in die richtige Richtung läuft. Unter dem österreichischen Vorsitz haben wir auch Trilogverhandlungen zum Schen­gener Grenzkodex sichergestellt, um die Möglichkeiten zur zeitlichen Ausdehnung der Binnengrenzkontrollen zu evaluieren, denn das ist notwendig. Wenn es um die innere Sicherheit in Österreich geht, nimmt uns niemand die Entscheidung ab, da haben wir in Österreich die Verantwortung für die österreichische Bevölkerung, die notwendige Si­cherheit auch herzustellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Darüber hinaus soll auch das Europäische Asylunterstützungsbüro zu einer Europäi­schen Asylagentur mit mehr Kompetenzen entwickelt werden. Ich darf mich beim In­nenminister dafür bedanken, dass er betreffend diesen Bereich sehr, sehr massiv in der Europäischen Union verstärkt Bewusstsein geschaffen hat – wenn es um operative und auch technische gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstaaten geht, wenn es darum geht, Asylverfahren rascher, besser durchzuführen und Sekundärbewegungen zu verhindern. Und ich sage, das ist genau der Punkt: Wir müssen weg aus der Sack­gasse der Zwangsverteilung, die vormals in der Europäischen Union als Credo ausge­geben wurde! Danke an den Innenminister, dass er in diesem Sinn auch einiges wei­tergebracht hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Angleichung von Schutznormen bei Asylverfahren soll zu Verhinderung von Asyl­shopping führen und wurde vom Großteil der Staaten in der Europäischen Union be­reits befürwortet. Das zeigt, dass das in die richtige Richtung geht und wir, von Öster­reich ausgehend, da im positiven Sinn einiges an Bewusstseinsarbeit und Veränderung der ursprünglichen Ideen sichergestellt haben.

Beim Kampf gegen Antisemitismus ist mit der Antisemitismuskonferenz in Wien, die im November stattgefunden hat, etwas sehr, sehr Positives gelungen. Unter unserem Ratsvorsitz, nämlich dank Innenminister Herbert Kickl, wurde die Entwicklung eines ge­meinsamen Sicherheitskonzepts für einen besseren Schutz der jüdischen Gemein­schaften und Einrichtungen in Europa angestoßen, und letzte Woche wurde dank des Innenministers, der auch da den Anstoß gegeben hat, eine von uns vorgeschlagene Ratserklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus im Rat der Innenminister angenom­men. Darin werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ganzheitliche Strategien zur Ver­hütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus zu entwickeln. Das ist ge­rade im Gedenkjahr 2018 ein ganz wesentlicher und wichtiger Erfolg, der auch weltweit von den jüdischen Organisationen begrüßt wurde. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der österreichische Ratsvorsitz hat auch im sozialen Bereich konkrete Ergebnisse ge­liefert. Letzte Woche konnte beim Rat der SozialministerInnen eine Einigung zur Euro­päischen Arbeitsagentur erzielt werden. Die Agentur wird die Mitgliedstaaten bei einer besseren Anwendung der arbeitsrechtlichen Vorschriften unterstützen. Im Oktober wur­den die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament zu einem besseren Schutz der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer vor acht krebserregenden Stoffen erfolg­reich abgeschlossen. Mit dieser Regelung wurden erstmals auch Grenzwerte bei Ab­gasemissionen von Dieselmotoren festgelegt.

Letzte Woche legte der Rat seine Position für die Verhandlungen mit dem Europäi­schen Parlament zu diesen neuen Grenzwerten für über fünf krebserregende Stoffe am Arbeitsplatz fest. Auch das passt gut in das Motto: Ein Europa, das schützt; denn wir schützen auf allen Ebenen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Wir haben die Verant­wortung, Grenzen zu schützen, die Verantwortung, Kriminalitätsbekämpfung, Terroris­musbekämpfung sicherzustellen, aber auch die Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

Auch im Bereich der barrierefreien Entwicklung ist einiges sichergestellt worden, be­treffend Vorschriften zu harmonisierten rechtlichen Standards für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich sind Beschlüsse gefasst worden. Das betrifft vor allen Dingen barrierefreie Geldautomaten, Ticket-, Check-in-Automaten, Computer, Telefone, Smartphones und Verkehrsdienste. Das Ergebnis ist wesentlich, denn das betrifft, wenn es um Verbesserungen für Men­schen mit Behinderung in der Europäischen Union geht, 80 Millionen Menschen, die mit einer Behinderung leben und für die wir auch eine Verantwortung haben. Auch in diesem Bereich haben wir das im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes sehr gut umgesetzt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit der Einrichtung der Europäischen Arbeitsagentur ELA soll im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Dienstleistungen auch die Fairness im Bin­nenmarkt gewährleistet werden. Durch die ELA sollen nicht nur Einzelpersonen und Unternehmen, sondern auch nationale Behörden bei der Durchsetzung des relevanten EU-Rechts im Bereich der grenzüberschreitenden Arbeitskräftemobilität vor allem in den Bereichen der Entsendung und Freizügigkeit unterstützt werden, und auch da sind wir tätig gewesen.

Betreffend Verkehr konnte letzte Woche im Rat ein Durchbruch beim sogenannten Mo­bilitätspakt erzielt werden. Das Paket umfasst zahlreiche Maßnahmen zum Ressortbe­reich Straßenverkehr. Da geht es um den Marktzugang, um faire Vorschriften für Fahrer und Transportunternehmen, aber auch um wirksame Kontrollen für nationale Behörden; und es geht vor allen Dingen um die Sicherstellung von besseren Arbeitsbe­dingungen sowie um mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, die natürlich in mehre­ren Mitgliedstaaten tätig sind. Es wird mit der Einführung von intelligenten Fahrten­schreibern bessere Instrumente zur Durchsetzung von bestehenden Regeln geben, damit kann genau geprüft werden, wann und wo ein Lkw eine Grenze überquert und wo die Be- und Entladung des Fahrzeuges stattfindet.

Ich darf daher für diesen Bereich dem österreichischen Vorsitzführenden Norbert Hofer für sein Engagement und für seine umsichtigen Verhandlungen Dank aussprechen – die nämlich auf europäischer Ebene auch von allen mitgetragen worden sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gelang unter dem EU-Ratsvorsitz auch, die Beziehungen zu unseren Partnern und die Nachbarschaftsbeziehungen weiter zu vertiefen und auszubauen. Ein wesentlicher Aspekt ist gerade der Balkan, der auch vom Herrn Bundeskanzler angesprochen wur­de. Es ist uns wichtig, diese Länder zu unterstützen, eine Heranführungshilfe an die Europäische Union zu leisten, aber auch die Zusammenarbeit zu vertiefen.

Es hat dazu vom Innenminister eine Ministerkonferenz zum Thema Sicherheit und Mi­gration – Förderung von Partnerschaft und Resilienz gegeben. Diese fand im Septem­ber in Wien mit fünf Mitgliedern und fünf Staaten des Westbalkans statt. Ein Abkom­men zur Stärkung der Polizeikooperation zum automatischen Datenaustausch in Si­cherheitsfragen ist dort gelungen, wurde unterzeichnet. Dies stellt einen wesentlichen und wichtigen Schritt zur Stärkung der Partnerschaft mit unseren Nachbarn dar, aber auch wenn es um die Anhebung der Sicherheit geht – denn da haben wir in diesem Jahr die Verantwortung durch die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den Staaten am Balkan gelebt. Es ging auch darum, das notwendige und wichtige Frühwarnsystem si­cherzustellen, um, wenn es wieder zu Entwicklungen wie im Jahr 2015 kommen sollte, diese frühzeitig zu erkennen und aufgrund der engen Zusammenarbeit und Koopera­tion mit den Balkanstaaten auch rechtzeitig abfangen zu können und nicht wieder so hilflos ausgeliefert zu sein, wie es im Jahr 2015 der Fall gewesen ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während des Vorsitzes fand Ende Septem­ber auf Einladung von Verteidigungsminister Mario Kunasek ein Verteidigungsgipfel zwischen Österreich, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien statt, und auch da ist eine enge Kooperation gelungen, nämlich bei der Zu­sammenarbeit der grenzüberschreitenden Katastrophenhilfe und wenn es um den Auf­bau von Kapazitäten des Grenzschutzes geht. Natürlich ist das in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsressorts auch über das Verteidigungsressort notwendig und ein ganz wesentlicher Schritt, für den ich unserem Verteidigungsminister Dank aussprechen darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat sich mit dem dritten Ratsvor­sitz auf die Bereiche konzentriert, die umsetzbar sind. Man hat ein halbes Jahr Zeit, und in einem halben Jahr kann man weder die Welt neu erfinden, noch kann man die größten Felsen bewegen. Man kann da oder dort Anstöße sicherstellen, Bewusstseins­veränderung möglich machen und da oder dort ganz konkrete Dinge in Umsetzung bringen. Darauf haben wir uns konzentriert, nämlich auf das Mögliche, das zu errei­chen ist, und auf konkrete Ergebnisse, die uns auch gelungen sind.

Diese Arbeit endet für uns jetzt nach diesem Halbjahr natürlich nicht, denn es bleibt vieles weiter zu behandeln, und gerade im Bereich der Sicherheit und Migration gibt es trotz der Fortschritte noch viel zu tun. Da muss auch von unserer Seite weiter Druck aufgebaut werden, damit wir da auch wirklich endlich eine befriedigende Sicherheitska­pazität erreichen – vor allem, wenn es um diese dramatischen Entwicklungen, die der Herr Bundeskanzler auch angesprochen hat, geht, nämlich dass es leider immer wie­der zu terroristischen Bedrohungen in Europa kommen kann, so wie aktuell in Straß­burg.

Ich darf den Opfern mein tiefstes Bedauern ausdrücken und vor allen Dingen den An­gehörigen der Opfer mein Beileid zum Ausdruck bringen, denn wir sind davor nicht ge­feit und wir haben eine Verantwortung, dass die Österreicher gerade in der friedlichen Vorweihnachtszeit sicher und ohne Sorge mit ihren Familienmitgliedern und Angehö­rigen auf Christkindlmärkten unterwegs sein können, ohne Angst haben zu müssen – und genau dieser Verantwortung betreffend Sicherheit wollen wir gerecht werden. (An­haltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.45

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke auch dem Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Laut Geschäftsordnung stehen jedem Redner 10 Minuten und jeder Fraktion insgesamt 25 Minuten zu.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Kuntzl: Klubobfrau!)