16.05

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bildung ist, wie ich meine, die wichtigste Stellschraube für ein selbstbestimmtes Leben eines jungen Menschen, ist in Folge auch die wichtigste Stellschraube für ein gesundes Leben für einen jungen Menschen, wie wir aus den Studien wissen. Daher muss jedes Kind die Chance auf die beste Bildung haben, egal wer seine Eltern sind, egal woher sie kommen, egal welchen Namen sie tragen. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Wir wissen aus den Studien sehr genau – und hier nehme ich als die wichtigste Studie in diesem Feld jene der OECD heraus –, dass Bildung in Österreich viel zu sehr und viel zu stark vererbt wird. Da sind wir fast Schlusslicht in der OECD. (Abg. Neubauer: Sie waren Ministerin!) Die Geburtsurkunde bestimmt in Wahrheit die Bildungskarrieren eines jungen Menschen.

Was es braucht, ist Chancengerechtigkeit: Chancengerechtigkeit, die die Talenteförde­rung, die Potenzialförderung von jedem einzelnen Kind in den Mittelpunkt stellt, und Chancengerechtigkeit, die sich über modernste Pädagogik definiert. Das sind nicht die Leistungsgruppen, sondern modernste, innovative Pädagogik, neue Lehr- und Lernfor­men, begeisterte Pädagoginnen und Pädagogen, die super ausgebildet und auf die Herausforderungen, die sie erwarten, vorbereitet sind; das sind ganztägige Schulen und eine Zuteilung der Mittel, die über einen Chancenindex definiert ist.

Ein zukunftsorientiertes Bildungssystem kennzeichnet einen modernen Staat, eine mo­derne Gesellschaft und vice versa. Das sollte man zumindest meinen.

Der Herr Bundesminister hat gesagt, das Bildungssystem ist eigentlich in einer relativ guten Verfassung – das war so sinngemäß Ihr Wording –, aber anstatt die gesetzten Maßnahmen jetzt konsequent weiterzuverfolgen, sie zu evaluieren, zu verbessern und daran zu arbeiten, schmeißt man ganz, ganz vieles einfach weg, nämlich ohne Evaluie­rung.

Ich denke an die Einführung der Deutschklassen: Man hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die ganze Sprachstartförderung zu evaluieren, sondern man hat ge­sagt, das macht man in separierten Deutschklassen, das geht angeblich viel besser – die Evidenz dazu fehlt aber.

Oder ich denke an die Neuen Mittelschulen: Die Neuen Mittelschulen wurden 2012 ein­geführt. Das war ein völliger Umbruch im System, weil da der AHS-Lehrplan hinterlegt wurde. (Abg. Bösch: Etikettenschwindel!) Das war eine völlig neue Art des Unterrich­tens: über Binnendifferenzierung und ganz gezieltes Eingehen auf jedes einzelne Kind, auf die Potenziale und Talente eines jeden einzelnen Kindes. Das ist eine völlige Um­stellung des Schulsystems gewesen. (Abg. Haider: Jetzt wird mir klar, warum das Schulsystem so ist, wie es ist!) Man hat das 2015 evaluiert. Und was die FPÖ jetzt so gerne macht, ist, immer so Einzelsätze aus der Evaluierung herauszunehmen. Man sollte sie schon sinnerfassend und ganz lesen, um die Neuen Mittelschulen ehrlich zu beurteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bösch: Ja, sinnerfassend lesen sollten die Kin­der können! Das haben Sie sichergestellt, dass das nicht mehr der Fall ist!)

Da gibt es ganz viele, die wirklich gute Arbeit machen, und ganz tolle Pädagogik, die dort passiert. (Abg. Haider: Zehn Jahre rote Minister – totales Versagen! – Abg. Neu­bauer: Das ist eine Selbstanklage, diese Rede!)

Also ich erwarte, dass hier evaluiert wird und bildungswissenschaftlich fundiert gearbei­tet wird. Das Pädagogikpaket, das wir heute vorgestellt bekommen haben und das hier beschlossen wurde, basiert eben nicht auf bildungswissenschaftlichen Evidenzen, son­dern es wurde schlichtweg parteipolitisch verabschiedet. (Abg. Schimanek: Sie haben nie Parteipolitik in der Schule gemacht!)

Die Beantwortung der Anfrage der NEOS war ja super entwaffnend und einmal mehr, ganz, ganz ehrlich, Herr Bundesminister: Wenn Sie nach bildungswissenschaftlichen Studien gefragt werden, dann antworten Sie mit dem Regierungsprogramm. – Ich glau­be, das braucht man nicht weiter zu kommentieren.

Der international renommierte Erziehungswissenschaftler Michael Schratz wurde heute schon mehrfach zitiert. Er ist der Gründungsdekan der School of Education in Inns­bruck gewesen, und er hat dem „Standard“ ein Interview gegeben und eine wunder­bare Analyse gemacht. (Abg. Haider: Zehn Jahre Sozialismus im Bildungssystem kann die Analyse nur gewesen sein!) Er hat gesagt, es geht um innovativen Unterricht, den Erwerb von Kompetenzen, ein Weggehen von unserer jahrzehntelang geübten Praxis von starrer Fächeraufteilung – da reden wir beispielsweise über Science und nicht mehr über die Einzeldisziplinen –, ein Bekenntnis zu ganztägigen Schulformen und ein Abgehen von der frühen Trennung mit neun oder zehn.

Er ist auch Jurymitglied des Deutschen Schulpreises. Das ist ein hochrenommierter in­ternationaler Schulpreis, und was er dazu sagt, ist: „Die preisgekrönten Schulen haben dieselben Bedingungen wie alle anderen. Insofern stehen hier nicht die Rahmenbedin­gungen im Weg, sondern die Fähigkeit, Schule neu zu denken.“ – Schule neu zu den­ken!

„Gute Schulleitungen arbeiten nicht im, sondern am System.“ – Das halte ich für eine ganz zentrale Aussage und einen ganz zentralen Ansatz, um Schulkultur an einer Schule gelingend zu etablieren. Es geht um eine Schule als Begegnungsraum, wo Kin­der miteinander und voneinander lernen, wo sie Fehler machen dürfen, sich gegensei­tig inspirieren, wo Kreativität und Neugier im Mittelpunkt stehen, wo es um Kompe­tenzen geht, die die Kinder befähigen, den Herausforderungen der Zukunft auch wirk­lich zu begegnen. Da ist durch die Autonomie, die in der letzten Legislaturperiode ver­abschiedet wurde, viel passiert.

Diese Schulkultur, Herr Bundesminister, bringt ganz automatisch Leistung. Wir wollen auch Leistung, natürlich, wir wollen die besten Bildungskarrieren für unsere Kinder, und zwar für alle, entsprechend ihren Talenten, und diese positiv motivierende Schulkultur bringt automatisch Leistung. Da geht es nicht um Drill, da geht es nicht um Druck, und da geht es schon gar nicht um Drohen mit schlechten Noten. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Bösch: Das hört man aber nicht heraus! Das verstecken Sie gut!)

Deshalb ist das, was uns hier in den letzten Tagen präsentiert wurde, was hier dis­kutiert wurde, umso unverständlicher, etwa dass Noten wieder eingeführt werden. Ich will das jetzt gar nicht mehr ausrollen, aber von der Autonomie, die so wichtig ist, um Schule gelingen zu lassen, wird jetzt offensichtlich scheibchenweise wieder abgegan­gen. Die Lehrer werden verpflichtet, Noten zu geben, die Schüler müssen wieder sitzen bleiben, und ich bin gespannt, was noch alles kommt, um die Autonomie zu beschnei­den.

Herr Bundesminister! Vertrauen Sie den Pädagoginnen und Pädagogen, das sind Ex­pertinnen und Experten, die ganz genau wissen, wie sie ihre Schule gelingen lassen können! Jede Schule ist anders, jedes Kind ist anders. Es ist zwingend notwendig, auf die Kinder einzeln einzugehen, und dazu braucht es hervorragende PädagogInnen, die wissen, was zu tun ist.

Last but not least: Schule – wir denken oft an unsere Schulzeit zurück, und was uns dazu einfällt, jeder einzelnen Person, ist immer der Lehrer, der einen begeistert hat, der einen motiviert hat, der leidenschaftlich war und der für das Thema gebrannt hat –, da geht es um Beziehung, da geht es um Beziehungsarbeit, die in den Schulen ge­leistet wird. Ich danke an dieser Stelle den Pädagoginnen und Pädagogen, die das tagtäglich mit Leidenschaft für unsere Kinder tun. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Mehr Mut und weiterarbeiten an den Maßnahmen, die gesetzt wurden – bildungswis­senschaftlich untermauert und evaluiert, bitte! – Danke. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

16.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Möl­zer. – Bitte.