17.10

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Reformminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben ja, dass sich die Bundesregierung regelmäßig in Superlativen überschlägt. Wir haben heute gehört: die größte Sozialversicherungsreform aller Zeiten. Im Zusammenhang mit der Kom­petenzbereinigung spricht der Bundeskanzler von der größten Verfassungsreform seit 1929. Und Sie, Herr Bundesminister, sprechen von einer Jahrhundertreform. Ich sage Ihnen etwas: Man kann sich selbst gerne loben, das steht jedem zu, aber ein Selbstlob macht aus einem Reförmchen noch lange keine Reform, schon gar keine Jahrhundert­reform. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Wir sind uns beide darin einig, und das haben Sie immer wieder, auch die letzten Jahre als Rechnungshofpräsident, gesagt, dass eines der Kernprobleme in Österreich die Zersplitterung der Kompetenzen ist. Sie wollen diese Kompetenzen heute entflechten. Jetzt muss man sich anschauen, Herr Bundesminister, was Sie denn da konkret ent­flechten. Es wurden sechs Tatbestände verländert – einen lasse ich jetzt bewusst weg, und zwar die Kinder- und Jugendhilfe; darüber rede ich nachher. Das heißt, abgesehen davon wurden fünf Tatbestände verländert, zum Beispiel die Volkspflegestätten – die Anforderungen an Kurorte und Kuranstalten sowie Kureinrichtungen –, die natürlichen Heilvorkommen – das sind Regelungen über Thermalwasser –, die Bodenreform – Regulierung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen –, der Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge. – Das sind die Dinge, die Sie jetzt hinsichtlich der Kompetenzbestimmungen verländert haben.

Sie haben drei Tatbestände dem Bund zugewiesen, nämlich die Bevölkerungspolitik, zum Beispiel Maßnahmen zur Hebung der Geburtenzahl, öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten und den Arbeiter- und Angestell­ten­schutz im land- und forstwirtschaftlichen Bereich. – Na, Herr Bundesminister, Gratu­lation! Wenn das eine große Verfassungsreform sein soll, dann will ich gar nicht wissen, wie bei Ihnen kleine Verfassungsreformen ausschauen. Das ist das, was Ihrem eigenen Reformeifer nicht einmal ansatzweise Genüge tut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die großen Fragen sind die, die Sie ausgelassen haben – das ist das, was Sie hier nicht entflochten haben, das wissen Sie selbst auch –: die Mindestsicherung, das Spitalswesen, das Elektrizitätswesen. Das bedeutet, dass die wichtigsten Bereiche dieses Artikels 12, den wir hier alle gemeinsam nicht mögen, nicht Teil dieser von Bundeskanzler Kurz als solche bezeichneten größten Verfassungsreform seit 1929 sind. Herr Bundesminister, wenn man diese großen Brocken nicht angeht, dann kann man zwar über eine Reform diskutieren, aber es ist weder eine Jahrhundertreform, noch ist es in irgendeiner Art und Weise die größte Verfassungsreform seit 1929.

Herr Bundesminister, was mich so ärgert, ist: Sie sehen das ja grundsätzlich auch so, dass man insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens, des Spitalswesens ent­sprechend Änderungen braucht. Sie haben immer gesagt, es braucht da bundes­ein­heitliche Regelungen, das heißt, das sollte eigentlich zum Bund gehen, und, na ja, wenn Sie das nicht angegangen sind, dann halte ich es auch für schwierig, das als so großen Erfolg zu verkaufen, weil das kein großer Erfolg ist.

Es ist ein lustiger Marketingschmäh. Das ist das, was die Bundesregierung kann: Sich hinstellen, kleine Brötchen backen und sagen, es ist die größte Reform aller Zeiten. Das ist es schlichtweg nicht, und es wird auch nicht besser, wenn Sie es oft genug sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Schlimmste ist meiner Meinung nach, dass Sie bei dieser Minireform auch bei dem einzigen Bereich, bei dem es wirklich wichtig gewesen wäre, ihn dem Bund zuzuordnen, nämlich bei der Kinder- und Jugendhilfe, genau das Falsche gemacht haben: Sie haben die Kinder- und Jugendhilfe verländert, und das Ganze – und das macht es noch viel schlimmer –, ohne dass wir die Ergebnisse der Evaluierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes jemals bekommen haben. Die sind seit Ewigkeiten versprochen, wir warten alle darauf. Sie ändern etwas, ohne dass wir die Ergebnisse der Evaluierung kennen. Das heißt, wir wissen noch gar nicht, wo es eigentlich am besten aufgehoben wäre.

Die Frage, wieso die SPÖ da mitmacht, lässt mich einigermaßen ratlos zurück, aber in Wirklichkeit sollte niemand hier im Raum ein Interesse daran haben, dass wir unterschiedliche Standards bei der Kinder- und Jugendhilfe haben. Ja, es gibt jetzt die 15a-Vereinbarung, die ein bissl etwas regelt. Sie wissen aber ganz genau, dass das nicht genügt. Sie wissen ganz genau, dass alle Einrichtungen, die etwas mit Kinder- und Jugendhilfe zu tun haben, damit nicht einverstanden sind, und Sie wissen ganz genau, dass wir die Evaluierung immer noch nicht in Händen halten, und eine solche Reform ohne eine vorangegangene Evaluierung halte ich für falsch. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein, damit wir die Evaluierung endlich bekommen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Veröffentlichung Evaluierung B-KJHG 2013“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, die Ergebnisse der Evaluierung zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 unverzüglich zu veröffentlichen.“

*****

Herr Bundesminister, Sie haben als Rechnungshofpräsident 599 Vorschläge gemacht. Sie haben, glaube ich, gesagt, Sie wollen Österreich neu bauen. Sie hatten eine Vision für ein zukunftsfähiges Österreich. Sie wollten die Verwaltung enkelfit gestalten. Herr Bundesminister, das, was Sie jetzt gemacht haben, ist visionslos, das ist nicht enkelfit, und das ist nicht einmal eine echte Reform. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten von JETZT.)

17.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Veröffentlichung Evaluierung B-KJHG 2013

eingebracht im Zuge der Debatte in der 57. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforstegesetz 1996, das Datenschutz­gesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstraf­sachen geändert werden (463 d.B.) – TOP 22

Die Kompetenzverschiebung der Kinder- und Jugendhilfe hin zur Landeskompetenz ist nach wie vor in der Öffentlichkeit umstritten. Entgegen der Einwände sämtlicher Expert_in­nen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Verfassungsausschuss am 6.12.2018 eine Kompetenzverschiebung hin zu den Ländern beschlossen.

Fest steht, dass es aufgrund der schon heute zwischen Bund und Ländern geteilter Aufgabenbereiche große Unterschiede, insbesondere bei Qualitätsstandards, Aus-bildungsniveaus von Beschäftigten und auch der Unterbringung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen in KJH-Einrichtungen, gibt. Einheitliche Qualitätsstandards und eine Weiterentwicklung dieser sollen nun per 15a-Vereinbarung zwischen den Ländern sichergestellt werden.

Eine entsprechende Evaluierung des 2013 beschlossenen Bundes-Kinder- und Jugend­hilfegesetzes (B-KJHG) hätte zu einer Verbesserung der aktuellen Lage an-hand wissenschaftlicher Evidenz führen können. Diese Studie hätte am 22. November - kurz nach dem Verfassungsausschuss, in dem die Kompetenzentflechtung be­schlossen werden hätte sollen (am 14.11.2018), vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) präsentiert werden sollen. Nachdem der Beschluss der Kompetenzbereinigung verschoben wurde, wurde die Präsentation der Evalua­tionsergebnisse ebenso abrupt (zwei Tage vor der Veranstaltung) „aus organisato­rischen Gründen“ auf unbestimmte Zeit verschoben:

Auf die Frage, warum sich die Veröffentlichung der Evaluierung des 2013 beschlos­senen Gesetzes, die lt. der ehemaligen Familienministerin Sophie Karmasin schon Mitte 2018 präsentiert hätte werden sollen (siehe dazu 11406/AB zu 11890/J, XXV. GP), noch einmal verzögert hat, hat Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß in einer neuerlichen Anfragebeantwortung (1522/AB zu 1527/J, XXVI.GP) folgendermaßen geantwortet:

„Die Fertigstellung der Evaluierungsstudie hat sich verzögert, da nach intensiven Diskussionen im Sounding-Board zur fachlichen und wissenschaftlichen Begleitung und Beratung, in dem das Österreichische Institut für Familienforschung, das Bun­deskanzleramt (BKA), die Universitäten Wien und Linz, die Bundesländer, die Kinder und Jugendanwaltschaften, der Salzburger Kinder- und Jugendrat, SOS-Kinderdorf und der Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen ver­treten waren, das Evaluationsdesign um zwei Zielgruppen erweitert wurde. Zusätzlich wurden nunmehr auch Eltern befragt, die freiwillig Erziehungshilfe der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen, sowie Jugendliche in voller Erziehung. Durch diese Erweiterung sollten die Umsetzung der Partizipation und der Verschwiegenheitspflicht, insbesondere im Hinblick auf Mitspracherechte bei Entscheidungen und die per­sönliche Zufriedenheit damit, abgefragt werden.“ Die Evaluierung werde „im Herbst 2018 fertiggestellt und sodann dem Nationalrat vorgelegt“, hat man weiters angegeben.

Die Ergebnisse der Evaluierung können zweifelsohne wichtige Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung des derzeit herrschenden Systems bieten. Eine Veröffentlichung dieser Evaluierung ist daher unerlässlich und sollte unverzüglich erfolgen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, die Ergebnisse der Evaluierung zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 unverzüglich zu veröffentlichen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl– Bitte.