18.14

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich dafür bedanken, dass dieser Antrag eingebracht worden ist und dass darauf hingewiesen wurde – unter anderem von Herrn Abgeordnetem Troch –, dass wie gesagt ein Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2008 vorliegt, der bis zum Jahr 2011 hätte umgesetzt werden sollen.

Es gibt mehrere Rahmenbeschlüsse in dem Zusammenhang, unter anderem auch zum Europäischen Haftbefehl, gleichzeitig auch zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen. Es gibt natürlich in dem Zusammenhang auch Rechtsinstrumente seitens des Europa­rates, die vorsehen, dass man sehr wohl Überstellungen von Häftlingen in den Heimat­staat durchführt.

Leider ist die Problematik – da es angesprochen worden ist: 2008 bis 2011 umsetzen ‑, dass in letzter Zeit das Vertrauen in einzelne Staaten verloren gegangen ist. Dies wurde dadurch bewirkt, dass Justizreformen durchgeführt worden sind beziehungs­weise dass in den einzelnen Ländern die Rechtsvorschriften nicht so umgesetzt wurden, wie man das erwartet hätte, beziehungsweise dass auch in EU-Staaten immer noch Probleme in Blickrichtung der Umsetzung der EMRK, der Europäischen Men­schenrechtskonvention, bestehen.

Nicht zuletzt hat vor Kurzem auch der EuGH in einem irischen Vorabentschei­dungs­verfahren festgehalten, dass die Unabhängigkeit eines gesamten mitgliedstaatlichen Justizsystems gänzlich infrage gestellt ist, indem ausgeführt wurde: Im Fall von systematischen oder allgemeinen Mängeln besteht im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz eine begründete Gefahr der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, sodass Überstellungen auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls nicht mehr möglich sind.

Das heißt, wir sehen die Problematik, dass wir derzeit – wenn man jetzt die öster­reichische Sicht hernimmt – mehr als 9 000 Häftlinge in unseren Haftanstalten zählen, davon über 54 Prozent, das heißt mehr als 4 800, ausländische Straftäter, und Prob­leme haben, diese rückzuführen oder in ihre Heimatländer zu überstellen. Letzteres wäre der Resozialisierung der Straftäter sehr dienlich, auf der anderen Seite könnten wir dem Steuerzahler dadurch Geldmittel ersparen.

Wir können das nicht tun, weil diesbezüglich die EMRK-Standards und damit das Vertrauen in gewisse Länder, was die Rechtsstaatlichkeit betrifft, nicht vorliegen. Deshalb ist es ein Anliegen, das nicht nur den einzelnen Staat beziehungsweise in dem Fall den Staat mit der Kommission betrifft; es ist ein Anliegen der Staaten unter­einander und der Kommission, dass wir die nötigen Rahmenvoraussetzungen dafür schaffen.

Das war auch der Grund – das hat Herr Abgeordneter Troch angesprochen –, weshalb wir das Thema Rechtsstaatlichkeit zum Kern, zum Themenschwerpunkt der Ratspräsi­dentschaft gemacht haben und ich ein Rechtsstaatlichkeitsprojekt in die Wege geleitet habe. Dieses Rechtsstaatlichkeitsprojekt hat mich bis zum letzten Justiz- und Innen­ministerrat verfolgt, wo einstimmig von allen 28 Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen verabschiedet worden sind, die konkrete Maßnahmen vorsehen, dahin gehend, was wir tun können, um das Vertrauen wiederherzustellen, denn Vertrauen ist die Grund­lage für gegenseitige Anerkennung und die Grundlage für Europa als Raum von Freiheit, Sicherheit und Recht. Es ist ein Meilenstein in diese Richtung, den wir in die Wege geleitet haben. Wir werden dieses Thema auch vorantreiben, weil es für das Funktionieren Europas insofern wichtig ist, als dass Urteile und Entscheidungen auch von anderen Staaten innerhalb der Mitgliedstaaten tatsächlich anerkannt werden. Das treiben wir voran.

Gleichzeitig sind in dem Zusammenhang die Ressourcen angesprochen worden: Wir haben bereits Überstellungsfahrzeuge angeschafft, das heißt, eines wurde gerade in Betrieb genommen. Ich habe in diesem Jahr bereits über 200 Justizwachebeamte aufgenommen. Wir haben eine Rekrutierungsoffensive, damit wir genau die Lücke, die bestanden hat, schließen können. Wir brauchen Justizwachebeamte, weil wir im Rahmen des Strafvollzugs nicht nur die Straftäter auf das Unrecht ihrer Tat hinzu­weisen haben, sondern sie auch zu resozialisieren und zu integrieren haben, damit sie wiederum in die Gesellschaft eingegliedert werden können, ohne rückfällig zu werden.

Abgeordneter Troch hat in dem Zusammenhang noch angesprochen, dass man gestern eine Debatte gehabt habe, bei der man aber nichts darüber gehört habe, was im Justizbereich passiert ist. Dazu möchte ich Folgendes erwähnen: Im Justizbereich haben wir fünf Treffen sowie 13 Veranstaltungen auf Beamtenebene mit insgesamt 1 200 Teilnehmern abgehalten. Es wurden 25 Dossiers in Angriff genommen und der größte Teil davon wurde abgeschlossen. Wir haben dazu 30 Ratsarbeitsgruppen abge­wickelt, über 130 Sitzungstage hinter uns gebracht und 20 Trilogverhandlungen ge­führt.

Da gesagt wurde, die Ratspräsidentschaft sei in dem Fall kein Erfolg, oder dass man sich fragt, was wir weitergebracht haben: Dazu möchte ich erwähnen, dass die öster­reichischen Beamten – ich beziehe mich jetzt auf die Beamten, insbesondere auf die Ressortchefs des Justizministeriums – im ganzen Jahr enorm gearbeitet haben, um diese 24 Dossiers voranzutreiben und auch zum Abschluss zu bringen.

Für mich war beim letzten Justiz- und Innenministerrat – da sind eben drei Dossiers teilweise einstimmig angenommen worden – bemerkenswert, dass der Sektionschef, der sozusagen schon ein höheres Alter hat, die Tasche in die Höhe schmeißt und sagt: Endlich! Es macht mir große Freude, die Arbeit hat sich ausgezahlt! (Zwischenruf des Abg. Drozda), oder dass mir ein Abteilungsleiter in die Arme fällt und sagt: Es war so schön, endlich hat das, was wir getan haben, auch zu einem Erfolg geführt!

Gestern gab es die Diskussion – Abgeordneter Krainer hat es auch angesprochen –: Gebt ein Beispiel, was passiert ist, ein Erfolgsbeispiel des österreichischen Rats­vor­sitzes! – Es sind schon einige genannt worden, aber gestatten Sie mir, dass ich jene, die den Justizbereich betreffen, kurz ausführe, denn jedes dieser Themen ist auch Grundlage für das gegenseitige Vertrauen, das wir für eine Haft in der Heimat brauchen.

Wir diskutieren Hass im Netz und Kinderpornografie. Wenn wir das bekämpfen wollen – das ist heute auch angesprochen worden –, dann brauchen wir einen Zugang zu elektronischen Beweismitteln. Wir haben derzeit das Problem, dass mehr als 50 Prozent der Beweismittel im Ausland gelagert sind und dies einen Zugang zu elektronischen Beweismitteln erforderlich macht. Es wurde seitens der Europäischen Kommission im Mai ein diesbezüglicher Entwurf, eine Richtlinie vorgelegt, und wir haben das zum Abschluss gebracht. Wir haben uns da beispielsweise beim letzten Ratstreffen auch gegen Deutschland durchgesetzt. Der Rat hat eine allgemeine Ausrichtung vorgenommen, sodass wir womöglich noch in diesem Jahr diese E-Evidence, wie sie so schön heißt, zum Abschluss bringen werden. Das hat uns keiner zugetraut, dass wir das schaffen.

Die Bekämpfung der Geldwäsche: Bis jetzt hatten wir in Europa ein Forum Shopping, das heißt, die Straftäter haben sich jeweils die unterschiedlichen Strafsysteme aus­gesucht, wo sie dementsprechend ihre Maßnahmen setzen konnten. Wir haben die Geldwäscherichtlinie abgeschlossen, die Richtlinie wurde im Oktober 2018 angenommen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Es geht um die gegenseitige Aner­kennung – bitte zuhören! – bei der Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Da haben wir grenzüberschreitend immer das Problem: Wie kommen wir zu dem aus den Straftaten sozusagen erwirtschafteten Erfolg? Wie kommen wir auch grenzüberschreitend dazu? – Auch diesbezüglich haben wir Verhandlungen geführt, die Verordnung wurde im November angenommen.

Eurojust: Es geht, wie Sie wissen, darum, dass man grenzüberschreitend Straftäter verfolgt. Auch diese Verordnung, die die Strukturen von Eurojust stärkt, die operative Tätigkeit verbessert und den Mitgliedstaaten mehr Befugnisse einräumt, wurde angenommen.

Wir haben in dem Zusammenhang das Europäische Strafregisterinformationssystem: Wir haben das Problem, dass wir ein Strafregisterinformationssystem für EU-Staats­bürger haben, aber nicht für Doppelstaatsbürger und Staatenlose. Das heißt, da ist eine Lücke, das heißt, die werden nicht erfasst und können dementsprechend nicht beurteilt werden. Wir haben das Ecris-TCN, dieses einheitliche Strafregisterinfor­ma­tionssystem, umgesetzt. Das ist auch etwas, was gerade vor zwei Tagen im Euro­päischen Parlament die Zustimmung gefunden hat.

Es geht um eine Richtlinie zur Bekämpfung der Fälschung unbarer Zahlungsmittel und des Betruges mit unbaren Zahlungsmitteln, Bitcoin und dergleichen, für die man keine Definitionen hat, bei denen man nicht weiß, wie man mit diesen Strafen umgeht. Wir haben in dem Zusammenhang die Verhandlungen mit dem Rat, mit der Kommission, mit dem Europäischen Parlament abgeschlossen, sie sind fertig.

Wir haben die Europäische Staatsanwaltschaft auf jeder Tagesordnung als Tages­ordnungspunkt gehabt. Das hat auch dazu geführt, dass alle Maßnahmen nunmehr gesetzt worden sind, dass die Ausschreibungen vom interimistischen Verwaltungs­direktor über den Europäischen Generalstaatsanwalt bis hin zu den Staatsanwälten durchgeführt worden sind. Die Staatsanwaltschaft wird daher wie vorgesehen im Jahr 2020 ihre volle Tätigkeit aufnehmen.

Wir haben auch im Bereich der Unternehmen Maßnahmen gesetzt, unter anderem betreffend die Restrukturierungsrichtlinie, die äußerst schwer zu verhandeln war. Dabei geht es darum, dass in Europa mehr als 200 000 Firmen pro Jahr insolvent werden und dadurch 1,7 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Man hat geschaut, was wir in einem vorinsolvenzlichen Rahmen, mit einem Restrukturierungsverfahren tun können, damit die Unternehmen, die redlich sind, die allenfalls noch in der Lage wären, sehr wohl weiterzuwirtschaften, eine zweite Chance bekommen. Auch diese Richtlinie wurde angenommen.

Betreffend Urheberrechtsschutz und Rundfunkverordnung: Die Rundfunkverordnung wurde angenommen. Was das Urheberrecht betrifft, wissen Sie, dass wir die Ver­handlungen mit Nachdruck betrieben haben, weil wir wollen, dass geistiges Eigentum in Europa in entsprechender Abwägung mit einem freien Internet beziehungsweise mit der Meinungsfreiheit geschützt wird.

Wir haben im Gesellschaftsrecht Maßnahmen gesetzt. Es gibt zwei Produkte: die Digitalisierungsrichtlinie, die vorsieht, dass während des gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens – von der Gründung bis zur Auflösung – digitale Mittel zur Verfügung stehen; das wurde abgeschlossen. Wir haben die Mobilitätsrichtlinie – über die Gren­zen hinweg, Spaltungen, gleichzeitig Umgründungen –: Auch in diesem Zusammen­hang möchte ich darauf hinweisen, dass wir das voraussichtlich noch unter unserem Ratsvorsitz zum Abschluss bringen werden.

Wir haben – und das ist ein Herzensprojekt von mir gewesen – die Brüssel-IIa-Ver­ordnung: Da geht es darum, dass Verfahren zu Kindesentführungen in Zukunft nicht mehr Jahre dauern, sondern sehr kurz sein werden. Auch diese Richtlinie wurde im Rat einstimmig angenommen. Das heißt, dass in Zukunft Verfahren zu Kindes­entfüh­rungen nicht länger als 18 Wochen dauern, die Vollstreckung nicht länger als sechs Wochen dauert, den Kindern ein Anhörungsrecht zukommt. Gleichzeitig werden Ob­sorge- und Fürsorgeentscheidungen bevorzugt, damit eben die Eltern und die Ver­wandten schneller zu ihren Kindern kommen. Auch das wurde einstimmig ange­nommen.

Auch betreffend Verbandsklagen – das wird die SPÖ interessieren – habe ich ver­sprochen, dass wir das dementsprechend vorantreiben. Ich möchte nur darauf hin­weisen, dass wir mehrere Sitzungen durchgeführt haben, dass wir zu einem großen Teil davon bereits ein redraft erstellt haben, die Vorlage fertiggestellt haben und betreffend die Punkte, die noch offen sind, die Mitgliedstaaten ersucht haben, Stellung zu nehmen, damit unter dem rumänischen Vorsitz auch diese Richtlinie weiterverfolgt werden kann. Ich habe diesbezüglich auch ein Schreiben an den Justizminister von Rumänien, der Ratsvorsitzender sein wird, gerichtet, damit dieses Projekt auch weiter­betrieben wird und allenfalls noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss kommt.

Wir haben auch die Warenhandelsrichtlinie und die Richtlinie zu digitalen Inhalten, die erstmals auch einen Konsumentenschutz vorsehen, beispielsweise auch eine Update­verpflichtung seitens der Unternehmen, und gleichzeitig eine klare Regelung betreffend die Beweislastumkehr, die harmonisiert wurde, verhandelt. Auch diese beiden Richt­linien werden unter unserem Ratsvorsitz noch zum Abschluss gebracht werden.

Sie wissen, dass mir ein Digitalisierungsprojekt, das ich auch auf EU-Ebene weiter vorangetrieben habe, ein besonderes Anliegen ist: E-Justice – ihr (in Richtung SPÖ) kennt das –, bei dem es auch darum gegangen ist, dass wir für die Jahre 2019 bis 2023 sowohl die Strategie als auch den Aktionsplan verabschiedet haben, der 26 Projekte vorsieht, um die Bürger näher zur Justiz zu bringen.

Damit ich das noch beenden kann: Wir haben auch die Verordnung zum Datenschutz für die EU-Organe angenommen, damit wurden den EU-Organen die gleichen Daten­schutzbestimmungen auferlegt, wie sie die Mitgliedstaaten haben. Wir haben auch das Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten sehr wohl weitergebracht und abgeschlossen.

Wir haben mit den Nachbarländern, sprich: mit der östlichen Partnerschaft und mit den Westbalkanländern, mehrere Verhandlungen geführt, wir haben eine Westbalkan­konferenz durchgeführt, wir haben eine Rule-of-Law-Konferenz durchgeführt, bei der sich alle dazu bekannt haben, ihre Standards im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit weiterzuentwickeln.

Sie sehen, Österreich kann sich sehen lassen. Das ist nicht mein Erfolg, das ist der Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts, die schon seit 1. Jänner mit vollem Nachdruck daran gearbeitet haben, dass Österreich im Bereich der Justiz Sicherheit bietet, dass Österreich im Bereich der Justiz auch den Nehmern eine bessere Chance gibt und gleichzeitig einen Beitrag dazu leistet, dass Europa von den Bürgerinnen und Bürgern und gleichzeitig auch von den Unternehmen verstanden wird, dass verstanden wird, dass wir gerade im Justizbereich ohne Europa nicht leben können, genauso Europa ohne uns nicht leben kann.

Das ist der Weg in diese Richtung, und deshalb danke ich nochmals meinen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern. Ich hoffe, dass Sie dieses Anliegen und diese Ideen auch weitertragen, damit wir alle gemeinsam Europa vielleicht doch stärken. Wir brauchen es! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Griss.)

18.28

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka ist der nächste Redner. – Bitte.