13.34

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen der Sozialdemokratie! (Abg. Leichtfried: Damen und Herren!) Ver­ehrte Klubobfrau! Danke, danke für die Sondersitzung, sie ist ein wirkliches Geschenk für mich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Sie ist ein Geschenk für mich, weil ich dadurch Ihre Versäumnisse, die Versäumnisse der sozialdemokratischen Gesundheitsminister der letzten zehn Jahre, auflisten kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mich schockieren jedoch nicht nur Ihre Versäumnisse, sondern vor allem der fehlende Mut für Verantwortung. Es war in Ihrer Verantwortung in den letzten zehn Jahren, dies­bezüglich etwas zu tun. (Abg. Heinisch-Hosek: Haben Sie zugehört?) Diese Verant­wortung haben Sie nicht wahrgenommen und schieben sie jetzt einfach ab. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried – in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein, die vom Platz des Bundeskanzlers aus spricht –: Zum Thema Verantwortung: Warum sit­zen Sie nicht auf Ihrem Platz? Sie sitzen nicht einmal auf Ihrem Platz!)

Ein besonderes Beispiel dafür ist natürlich das Krankenhaus Nord der Stadt Wien. Dort wird, wie wir wissen, sehr viel Geld investiert, es werden 300 Millionen Euro mehr – vielleicht sogar noch mehr – ausgegeben als geplant. Wer hat die Verantwortung? – Keiner. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Politische Verantwortung gibt es nicht! Das schiebt man ab, bitte, an irgendwelche Manager, die man selbst einmal bestellt und dann nach Deutschland geschickt hat. Politische Verantwortung kennen Sie nicht! (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Und weil wir gerade bei den Mehrkosten des Krankenhauses Nord sind: Wissen Sie, wie viele Ärzte man dafür eine Legislaturperiode lang finanzieren könnte? Wissen Sie das? – Mit dem Geld, das Sie für den Bau des Krankenhauses Nord investiert und ver­schleudert haben, könnten wir 251 Ärzte fünf Jahre lang finanzieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es waren vor allem Sie, die nach zehn Jahren Verantwortung für die Gesundheitspolitik genau die Situation hinterlassen haben, die wir heute vorfinden. Bereits 2011 hat der damalige Gesundheitsminister Stöger eine Studie in Auftrag gegeben – wir wissen ja, Herr Minister Stöger hat auch zu den Sozialversicherungen eine Studie in Auftrag ge­geben. Er ist für mich der Studienauftragsminister. Das heißt, es werden Studien in Auftrag gegeben, aber umgesetzt wird nichts! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Was ist passiert? – Man hat ein Jahr lang an dieser Studie gearbeitet, und die Erkennt­nis war 2012: Ärztemangel, Wartezeiten, kürzere Arztkontakte, keine Termine, in man­chen Regionen lange Anfahrtszeiten. Also: Man hatte damals Erkenntnisse, aber man hat nichts getan. 2012 hatte Österreich die höchste Ärztedichte Europas und 2030 könnten laut dieser Studie 2 800 bis 7 400 Ärzte fehlen. – Gemacht hat man nichts. 2016 wusste man schon, dass vier von zehn Studenten, die in Österreich studieren, ins Ausland gehen. – Gemacht hat man nichts.

Heute, 2019, werden wir von Ihnen für etwas kritisiert, was Sie selbst verabsäumt ha­ben. Seien Sie sicher: Wir werden Maßnahmen setzen, damit die Ausbildungskosten auch den Menschen in unserem Lande zugutekommen, aber wir werden uns nicht zehn Jahre dafür Zeit lassen, sondern wir werden Ihre Fehler korrigieren. Das garantie­ren wir. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der damals in Auftrag gegebenen Studie steht, dass es die höchsten prozentuellen Zuwächse im Wahlarztbereich gab, womit bereits 2011 der Trend und auch die Kernur­sache aufgezeigt wurden.

Am 26. Juni 2013 hat der damalige Gesundheitsminister Alois Stöger gesagt: Ein „Schritt ist, dass wir uns gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium damit auseinanderge­setzt haben, wie der Ärztebedarf ist, wie der Ärztebedarf in der Zukunft ist, und da ha­ben wir einen qualitativen Ärztemangel festgestellt.“ – Sie haben wieder etwas festge­stellt, gemacht wurde jedoch nichts. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Kollege Stöger, Sie waren ja auch Sozialminister: Ich habe eigentlich auch ver­misst, dass Sie etwas hinsichtlich der Arbeitsmedizin unternehmen, weil wir auch in der Arbeitsmedizin einen Mangel haben. Diesen haben Sie auch nie behoben. Ich bin nun dabei, auch diesen Bereich Arbeitsmediziner anzugehen. Das wäre auch Ihre Aufgabe als Sozialminister gewesen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Plessl: Wann soll das passieren?)

Während Ihrer Periode 2000 bis 2008 hat sich die Anzahl der Kassenärzte zugunsten der Wahlärzte verschlechtert – auch wieder Ihr Versäumnis. Was haben Sie geför­dert? – Sie haben eine Zweiklassenmedizin gefördert, weil Sie die Patienten in den Wahlarztbereich geschoben haben, statt sich dafür einzusetzen, dass es mehr Kassen­ärzte gibt. 1999 hatten wir in Österreich 6 923 Kassenärzte. 2014 waren es ungefähr gleich viele, allerdings gab es doppelt so viele Wahlärzte. Das heißt, wir haben ein Strukturproblem und nicht zu wenig Ärzte. Sie aber haben nie gehandelt. Sie haben eine Zweiklassenmedizin gefördert, was Sie nun auch uns vorwerfen wollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der Betrachtung der Altersverteilung in der Allgemeinmedizin im Zeitablauf wird deutlich, dass, verglichen mit 2007, im Jahr 2014 das Durchschnittsalter gestiegen war, und zwar von 52,8 auf 55,1 Jahre, und sich dadurch die Alterskurve verschoben hat. Das war 2014 auch klar – damals waren Sie schon im Ministerium, Frau Klubobfrau –, und auch da wurde nichts getan.

Was haben wir in der kurzen Zeit unserer Regierung – nun ein bisschen mehr als ein Jahr – schon alles geleistet? (Abg. Heinisch-Hosek: Zerstört! Zerstört!) – Wir haben vor allem – da haben Sie im Dezember mitgestimmt – das Ärztegesetz auf Schiene ge­bracht. Wir haben Regelungen zur Möglichkeit der Anstellung von Ärztinnen und Ärz­ten bei Ärzten geschaffen, was jahrelang in Diskussion war.

Was ich festgestellt habe, ist, dass im Gesundheitsbereich und Gesundheitsressort immer viel diskutiert, aber für die PatientInnen nichts zur Umsetzung gebracht wurde. (Abg. Heinisch-Hosek: Fragen Sie die ÖVP! Fragen Sie die ÖVP!) Das ist Ihr Ver­säumnis. Sie haben nur diskutiert, aufgezeigt, aber nichts zur Umsetzung gebracht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben die Lehrpraxenfinanzierung angesprochen: Sie haben drei Jahre lang disku­tiert. Ich habe es sofort, als ich Ministerin geworden bin, umgesetzt und finanziell abge­sichert. (Abg. Rendi-Wagner: Ja, weil alles fertig war!) Wir haben Digitalisierungsmaß­nahmen gesetzt, um die Dienstleistungen im medizinischen Bereich zu verstärken (Abg. Heinisch-Hosek: Märchenstunde!), um das Angebot zu erhöhen.

Das Primärversorgungsgesetz – Frau Klubobfrau, Sie wissen das als ehemalige Ge­sundheitsministerin genau – ist kein Hausärztegesetz, das wollen Sie nur wieder so dar­stellen. Das Primärversorgungsgesetz bezieht sich auf Gesundheitszentren oder -netz­werke, das ist kein Hausärztegesetz. Ich glaube schon, dass Sie das wissen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vonseiten meines Ressorts wird die Umsetzung dieser Primärversorgungseinheiten im Rahmen der Gründungsinitiative bestmöglich unterstützt. (Abg. Leichtfried: Das ist ei­ne peinliche Rede!) Dafür wurden im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen entwickelt: erstens die Erarbeitung eines Gründungsleitfadens (Zwischenruf des Abg. Zanger), zweitens Vor-Ort-Unterstützung für konkrete Einheiten, drittens die Entwicklung eines Finanzierungsinstruments und viertens die Möglichkeit der virtuellen Zusammenarbeit durch die Digitalisierung.

Meine Damen und Herren, ich habe den Obersten Sanitätsrat – das Beratungsgre­mium, das ich in meinem Ressort habe, in dem auch alle medizinischen Fachgesell­schaften vertreten sind – sofort damit beauftragt, einen entsprechenden medizinischen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, welche Leistungen zur Attraktivierung der Allge­meinmedizin gemacht werden sollen. Das war bereits im November.

2017 haben der Gesundheitsfonds Steiermark und die Medizinische Universität Graz einen Bericht darüber gemacht, was eigentlich die Ursachen für einen Landärzteman­gel sind. Es ist natürlich, wie wir wissen, die Arbeitslast der Ärzte am Land. Laut dem Bericht ist das ein Grund dafür, dass die Attraktivität geschmälert wird.

Als eine der Maßnahmen habe ich mich sofort mit allen Rektoren der Med-Unis und selbstverständlich auch mit dem Wissenschaftsminister zusammengesetzt, um ent­sprechende Maßnahmen zu setzen, damit sofort genügend Studenten in der Richtung Allgemeinmedizin ausgebildet und entsprechende Jobbörsen installiert werden. Ich habe auch den Gemeindebund und die Sozialversicherung zu Kooperationsgesprä­chen eingeladen, um so rasch wie möglich für jede Gemeinde, in der es vielleicht Aus­schreibungsschwierigkeiten oder Besetzungsschwierigkeiten gibt, eine Lösung zu fin­den.

Die wesentlichste Voraussetzung für eine nachhaltige Änderung, meine Damen und Herren, ist aber die Reform der Sozialversicherung (Ruf bei der SPÖ: Ja!), die wir ge­schaffen haben, und dafür danke ich noch einmal. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Durch die Zusammenführung vor allem der Gebietskrankenkassen zu einer Österrei­chischen Gesundheitskasse und die Schaffung des Innovations- und Zielsteuerungs­fonds sind die Finanzierung der Gesundheitsreformprojekte und damit die Verstärkung der hausärztlichen Versorgung gesichert. Erstmalig ist es in Österreich möglich, die veralteten Leistungskataloge zu erneuern, diese an neue wissenschaftliche Erkenntnis­se anzupassen und natürlich die Verträge neu zu gestalten, um damit eine Attraktivie­rung der Allgemeinmedizin zu erreichen.

Wir können damit nun der Entwicklung, dass es in Österreich immer mehr Wahlärzte und immer weniger Kassenärzte gibt, entgegenwirken. Unser Ziel ist es, die Kassen­ärzte zu stärken. Wir wollen mehr Kassenärzte und weniger Wahlärzte – das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie uns vorwerfen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gilt nicht nur jahrelang bestehende Symptome zu bekämpfen, sondern es müssen die Ursachen für das Problem gefunden werden, damit eine gesunde Wende einge­leitet werden kann. Diese Ursachen haben wir gefunden. Wir werden das umsetzen, damit diese Ursachen behoben werden.

Natürlich wurden auch schon, bevor Sie Ihre Anfrage eingebracht haben, Sofortmaß­nahmen getroffen. So gibt es zum Beispiel in der Steiermark – gemeinsam mit der So­zialversicherung – eine entsprechende Anschubfinanzierung (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber nicht von Ihnen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) von 70 000 Euro je Plan­stelle; das ist nicht wenig. Sie sehen, in einem Bundesland werden schon Maßnahmen umgesetzt. Die Etablierung der Kinder- und Jugendheilkunde in Frauenkirchen im Bur­genland wurde auch schon als Sofortmaßnahme eingeleitet.

Das heißt, ich werde mein Augenmerk darauf lenken und Sorge dafür tragen, dass sich der Abwärtstrend im Hinblick auf die Kassenärzte und der gleichzeitige Aufwärtstrend der Wahlärzte, der sich in den letzten zwölf Jahren, und zwar durch Ihre Arbeit, entwi­ckelt hat, nicht weiter fortsetzt. Wir stärken die Kassenärzte! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend möchte ich betonen, dass der Arztberuf einer der wichtigsten und wahr­scheinlich einer der erfüllendsten Berufe ist, wie es diverse Arztbefragungen zeigen. Die geringe Wertschätzung in der Vergangenheit seitens der Politik ist ein sehr großes Problem der Ärzteschaft. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir hingegen schätzen sie wert und erkennen sie an. Ärgernisse wie ein Pauschalverdacht, nämlich beispielsweise - - (Hei­terkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Lachen Sie nicht! Wer hat das Mystery Shop­ping eingeführt? – Das waren Sie! Das waren die Sozialdemokraten! Wo ist da die Wertschätzung für den ärztlichen Beruf?! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich habe sofort nach meinem Amtsantritt das Mystery Shop­ping eingestellt. (Abg. Schieder: Sie sind ja selber ein Mystery!)

Wir werden natürlich auch die Bürokratie, das zweitgrößte Problem der Ärzteschaft, re­duzieren, es wird eine Verbesserung der Organisationsstrukturen, eine Leistungshar­monisierung und die notwendige Anerkennung der Leistungen unserer Ärztinnen und Ärzte geben. Dafür ein Danke an unsere Ärztinnen und Ärzte! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich selbst habe mir als Gesundheitsministerin hohe Ziele für meine Amtszeit gesetzt. (Abg. Schieder: Ja, 150 Euro im Monat!) Ich möchte spürbare Ergebnisse für die Ös­terreicher. Die medizinische Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher si­cherzustellen ist nicht nur ein gesetzlicher Auftrag, sondern auch eine moralische Ver­pflichtung, der ich mich gerne stelle.

Ihre Politik folgte jahrelang dem Prinzip Wahlärzte statt Kassenärzte, denn sonst hätten wir nicht dieses Missverhältnis. Ich sage es noch einmal: Stärkung der Kassenärzte und weg von der Zweiklassenmedizin – ich stelle mich der Verantwortung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Bei uns steht der Patient im Mittelpunkt.

Liebe Frau Klubobfrau, wir brauchen keinen roten Zug, wir haben einen Schnellzug! (Lang anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Die hat es zerrissen, die Dringliche!)

13.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf herzlichst die Schülergruppe - - (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Darf ich um Aufmerksamkeit bitten? (Abg. Leichtfried – in Richtung FPÖ –: Ihr seid äußerst leicht zu begeistern! – Abg. Jarolim: Bitte um Begrü­ßung der Schüler!)

Ich würde gerne die Schülergruppe der Tourismusschule Semmering begrüßen. Herz­lich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Sollten Sie es lächerlich finden, Herr Abgeordneter Jarolim, dass ich Schülergruppen begrüße: Es gebietet schon der Respekt, dass wir Schülergruppen und unsere Gäste begrüßen. Das dürfen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte. (Abg. Jarolim: Frau Minister, Sie haben zwei Züge im ...! – Ruf: Geh, Jarolim, sei ruhig!)