14.44

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bun­desminister! In den letzten Tagen war viel von einem Grundkonsens die Rede. Wenn ich die heutigen Redebeiträge Revue passieren lasse, dann lässt sich auch ein Grund­konsens feststellen: Wir sind alle dafür, dass es die beste Gesundheitsversorgung gibt, die möglich ist, die wir uns leisten können. Jeder von uns ist daran interessiert.

Es sollte aber noch einen zweiten Grundkonsens geben, und dieser Grundkonsens in der parlamentarischen Arbeit sollte sein: Wir wirken zusammen, um für die Menschen zu arbeiten, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Sie kennen ja diesen Ausspruch, er wird variiert und auf verschiedene Objekte bezo­gen: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. – Sie ist für das Leben der Menschen ganz essenziell.

Es ist ja auf diesem Gebiet, was die Gesundheitsversorgung betrifft, einiges auf den Weg gebracht worden. Da bin ich bei Herrn Dr. Smolle. Es gibt die Gesundheitsre­form 2013, und da war die Primärversorgung schon ein wichtiges Thema. Es gibt das Primärversorgungsgesetz 2017, und auch hier wurden Primärversorgungsnetzwerke verankert. Die Entwicklung ist aber nicht so schnell vorangegangen, wie man sich das wünschen würde und wie es eigentlich sein sollte.

Wenn wir konstruktiv zusammenarbeiten, dann müssen wir uns doch fragen: Was sind denn die Ursachen? Wo hapert es denn? An welchen Schrauben müssen wir noch drehen, damit dieses System, das ja in den Grundzügen unbestritten ist, auch wirklich funktioniert? – Und da, glaube ich, sind die Primärversorgungsnetzwerke eine große Chance.

Ich will Ihnen am Beispiel meiner Heimatstadt Deutschlandsberg, einer weststeirischen Stadt mit 11 000 Einwohnern – nach den Gemeindezusammenlegungen –, zeigen, wer da aller eingebunden werden kann. Deutschlandsberg hat zehn Hausärzte, fünf Kin­derärzte, neun Zahnärzte, 17 Fachärzte. Deutschlandsberg hat Logopäden, Therapeu­ten, also Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, hat Rettungsdienste, hat Pflegedienste. Und die Aufgabe und die Herausforderung ist, diese miteinander zu vernetzen. Wa­rum? – Weil es wichtig ist – das ist heute schon gesagt worden –, dass sich die Men­schen in diesem System zurechtfinden, dass sie durch das System geleitet werden, dass die Behandlung dort erbracht wird, wo sie am wirksamsten und – es muss das ja auch irgendjemand zahlen – am kostengünstigsten erbracht werden kann.

In diesem Sinne sind Hausärzte zugleich Gatekeeper und Guides, um zwei englische Ausdrücke zu verwenden. Sie sind die erste Anlaufstelle und sie leiten dann durch das System weiter und helfen damit den Patientinnen und Patienten, die für sie beste Be­treuung zu finden.

Wir alle wissen, dass es viele lebensbedingte Krankheiten gibt und dass es daher not­wendig ist, dass Menschen auch beraten werden, wie sie sich richtig ernähren, wie sie sich richtig bewegen, auch im Zusammenhang mit einem Heilungsprozess. Und wenn es hier diese Steuerung gibt, dann kann man dazu beitragen, dass die Menschen an die richtige Adresse kommen. Auch die Qualität wird durch so eine Vernetzung verbes­sert.

Jeder von uns, der selber Angehörige hat oder hatte, die pflegebedürftig sind, weiß, wie wichtig es ist, dass sich der Hausarzt, der betreuende Arzt mit dem Pflegepersonal abstimmt. Das ist ganz entscheidend. Daher glaube ich, dass wir das machen müssen, was noch aussteht, was notwendig ist.

NEOS hat vor Weihnachten beantragt, dass es mehr Sitzungen des Gesundheitsaus­schusses im Frühjahr gibt. Es sind jetzt zwei geplant. Bisher haben Sie keine Antwort gegeben, ob Sie dazu bereit sind. (Abg. Neubauer: Haben Sie schon einmal gefragt?) Denn: Nicht die Sondersitzung ist der Ort, an dem Lösungen erarbeitet werden kön­nen – da kann man die Richtung bestätigen oder vorgeben –, es ist der Gesundheits­ausschuss.

Die wesentliche Frage, die geklärt werden muss, ist die Frage der Finanzierung. Da wandle ich das ab, was ich vorhin gesagt habe: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. – Leider muss man auch sagen: Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist auch alles nichts.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderung von Primärversorgungsnetzwerken mit Bundesmitteln“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, aus dem Detailbudget ,24.02.01‘ 100 Mio Euro dauerhaft herauszulösen und für den Aufbau von Primärversorgungs­netzwerken und niedergelassenen Gesundheitsnetzwerken vorzusehen. Die Mittel sind jährlich entsprechend dem Bedarf zu erhöhen, wobei zumindest die Inflation berück­sichtigt werden soll.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Primärversorgungsnetzwerken mit Bundesmitteln

eingebracht im Zuge der Debatte in der 59. Sitzung des Nationalrats über den Dring­lichen Antrag der Abgeordneten Dr. Rendi-Wagner

Problemsituation

Die Bildung von Gesundheitsnetzwerken im niedergelassenen Bereich schreitet nur sehr schleppend voran. Derzeit gibt es nur eine Handvoll Primärversorgungszentren/-netz­werke.

Fehlende „Finanzierung aus einer Hand“ verhindert Stärkung des niedergelassenen Bereichs

Aufgrund der fehlenden „Finanzierung aus einer Hand“ wird die finanzielle Mittelzuwei­sung aus dem stationären Bereich bei einem Ausbau des niedergelassenen Bereichs unterbunden, obwohl der Ausbau den stationären Bereich entlastet.

Exemplarisch kann man die Problematik in der Diabetes-Evaluation nachvollziehen. Laut dieser führte eine bessere niedergelassene Diabetes-Versorgung zwar zu Mehr­kosten im niedergelassenen Bereich (ca. 100 Euro mehr pro Kopf), bewirkte dafür aber überproportionale Einsparungen im stationären Bereich (ca. 800 Euro weniger pro Kopf). Die Einsparungen kamen aber nie im niedergelassenen Bereich an, sondern verblieben bei den Landesgesundheitsfonds, die die stationäre Finanzierung innehaben.

Vorübergehende Alternative zur „Finanzierung aus einer Hand“

Da die „Finanzierung aus einer Hand“ in absehbarer Zeit nicht umgesetzt wird, müssen alternative Finanzierungsquellen für die Anstrengungen des niedergelassenen Be­reichs gefunden werden.

Budget-Umschichtungen von Krankenhausmitteln in den niedergelassenen Bereich

Dabei bietet sich eine Umschichtung von Mitteln der Bundesgesundheitsagentur an. Für 2019 sind beispielsweise 718 Mio Euro für die Finanzierung von Krankenanstalten vorgesehen. Davon könnten zumindest 100 Mio Euro für eine Stärkung der Bildung von Gesundheitsnetzwerken im niedergelassenen Bereich umgeschichtet werden.

Evaluation des Diabetes-DMP „Therapie aktiv“:

http://diabetes.therapie-aktiv.at/cdscontent/load?contentid=10008.617678&version=1427975661

Budget-Voranschlag UG 24 „Gesundheit“:

https://service.bmf.gv.at/BUDGET/Budgets/2018_2019/bfg2019/teilhefte/UG23/UG23_Teilheft_2019.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, aus dem Detailbudget „24.02.01“ 100 Mio Euro dauerhaft herauszulösen und für den Aufbau von Primärversorgungs­netzwerken und niedergelassenen Gesundheitsnetzwerken vorzusehen. Die Mittel sind jährlich entsprechend dem Bedarf zu erhöhen, wobei zumindest die Inflation berück­sichtigt werden soll.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.