15.09

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich habe die aktuelle Debatte nun gut 2 Stunden lang verfolgt und muss sagen, es ist unglaublich, wie hier von ehemaligen Bundesministern bei richtiger Analyse der Situation die eigenen Leistungen der Vergangenheit derart verklärt dargestellt werden.

All die Probleme, die Sie hier angeführt haben, die Pensionierungswelle, vor der die Ärzteschaft steht, die Probleme bei der Besetzung von offenen Kassenstellen im länd­lichen Bereich und auch die langen Wartezeiten auf Facharzttermine, sind keine dro­henden Entwicklungen, wie Sie geschrieben haben, sondern nach zehn Jahren sozia­listischer Verantwortung im Gesundheitsressort leider Gottes Realität in unserem Ge­sundheitssystem. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die von Ihnen, Frau Kollegin Rendi-Wagner, Herr Stöger, diplômé, angeführten Maß­nahmen, die Zielsteuerungskommissionen, das Primärversorgungsgesetz, waren gut gemeinte Gesetze, ein Versuch, in die richtige Richtung zu gehen. Haben Sie sich aber schon einmal angesehen, ob diese Maßnahmen auch tatsächlich gegriffen haben? – Ich denke, Ihr heutiger Dringlicher Antrag zeigt, dass Sie festgestellt haben, dass diese Maßnahmen nicht die gewünschten Erfolge gebracht haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben schlicht und ergreifend in Ihrer politischen Verantwortung und Aufsicht ver­sagt, Sie haben es verabsäumt, die jungen Medizinabsolventen im Land zu halten. Stattdessen nehmen über 50 Prozent der Studenten nach erfolgreich absolviertem Stu­dium keine ärztliche Tätigkeit in Österreich auf und gehen ans Ausland verloren. Sie haben vollkommen ignoriert, dass die Rahmenbedingungen und Kassenverträge für die niedergelassenen Ärzte immer schlechter und unattraktiver geworden sind. (Abg. Rendi-Wagner: ... nichts zu machen für die Zukunft! Für die Zukunft! Nicht in die Ver­gangenheit schauen!) Sie haben, ohne mit der Wimper zu zucken – Frau Kollegin Ren­di-Wagner, vielleicht hören Sie kurz zu! –, in Kauf genommen, dass die wohnortnahe Versorgung immer weiter ausgedünnt wird und die Patienten ins Spital und in die wahl­ärztlichen Ordinationen getrieben werden. Das alles haben Sie zu verantworten. (Bei­fall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Ich frage mich, wie Sie sich überhaupt selber noch in den Spiegel schauen und hier­herstellen und solche Unwahrheiten behaupten können, nämlich dass die jetzige Bun­desregierung verantwortlich für Missstände sei, die Sie in den letzten zehn, zwölf Jah­ren verursacht haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin selber seit 12 Jahren Apotheker und im niedergelassenen Bereich tätig. Ich ha­be viele junge Freunde, die Ärzte sind, die damals, als auch ich mit meiner Berufs­tätigkeit begonnen habe, eine selbstständige Tätigkeit als Kassenarzt angestrebt ha­ben. Keiner von ihnen hat damals eine Chance gehabt, einen Kassenvertrag zu be­kommen, weil einfach keine Neuverträge vergeben worden sind und wir damals noch die Situation hatten, dass es relativ viele Ärzte gab. Heute möchte kein einziger von diesen jungen Ärzten einen Kassenvertrag aufnehmen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum? – Sie haben das einfach verabsäumt, den Sozialversicherungen in der Selbstverwaltung das Heft des Handelns überlassen und all diese Verschlechterungen billigend in Kauf genommen.

Es liegt nicht nur an den Honoraren der Ärzte, dass sich keiner findet, der einen Kas­senvertrag annehmen möchte. Es liegt auch an den Einschränkungen in der Therapie­freiheit. Wir hatten im Gesundheitsausschuss eine Debatte um die Anwendung von medizinischem Cannabis. In Oberösterreich besteht die Situation, dass kein einziger niedergelassener Arzt diese neuartige Therapie verordnen kann, sondern Patienten in die Schmerzambulanz nach Linz fahren müssen, damit sie diese Verordnung über­haupt bekommen.

Es besteht ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand, nicht nur über die Datenschutz-Grundverordnung und Elga, sondern auch aufgrund der Dokumentation gegenüber den Sozialversicherungen, die viele Kollegen abschreckt. Wir haben eine rechtliche Unsi­cherheit betreffend Therapie, erhöhte rechtliche Risiken für die Ärzte.

Was für mich vollkommen unbegreiflich ist, ist, dass es in der Vergangenheit im Rah­men der Kassenverträge für die niedergelassenen Ärzte Leistungsdeckelungen gab. Sie (in Richtung SPÖ) haben heute sehr blumig das Beispiel Diabetes gebracht, wie wichtig die Prävention und Betreuung von Diabetikern als Kennzahl ist. In meinem Be­zirk gibt es einen Arzt, der auf diese Thematik spezialisiert ist. Diese Leistungsdecke­lungen haben dazu geführt, dass der Arzt seine Patienten, die Diabetiker, die er be­treut, gar nicht lege artis untersuchen und die Langzeitzuckeruntersuchungen regelmä­ßig durchführen kann, weil die Krankenkasse diese Leistung deckelt. Er kann sie gar nicht allen Patienten in dem vorgeschriebenen Zeitrahmen zukommen lassen.

Das sind Probleme, das sind Hürden, angesichts derer sich ein junger Arzt zu Recht fragt: Wieso sollte ich diesen Kassenvertrag annehmen? Da arbeite ich doch lieber als Wahlarzt, da bin ich an diese ganzen Vorgaben und Einschränkungen nicht gebun­den! – Das müssen wir ändern, und das ändern wir auch! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die jetzige Bundesregierung hat mit der Reform der Sozialversicherungen die dringend notwendigen Anreize geschaffen, Kassenverträge wieder neu aufzunehmen. Es steht eine Neuverhandlung und Harmonisierung der Honorarordnung an, die auch deutliche Verbesserungen für die Kassenärzte bringen wird. Wir schaffen Innovationsfonds, die Mittel zur Attraktivierung von schwer besetzbaren Landarztstellen zur Verfügung stellen können, ähnlich dem Modell in der Steiermark, das heute schon präsentiert worden ist. Wir haben im Dezember eine Änderung im Ärztegesetz beschlossen, sodass es nun die Möglichkeit der Ärzteanstellung durch Ärzte gibt, damit die persönliche Arbeitsbe­lastung niedriger wird und neue Möglichkeiten der Gruppenordination geschaffen wer­den. Wir haben eine rechtliche Absicherung für Ärzte bei der Behandlung von Sterben­den geschaffen – auch das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Schritt, um Ärzte zu entlasten und die Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit zu verbessern.

Im Bereich der Ausbildung haben wir vieles getan. Wir haben die von Kollegin Rendi-Wagner angeführte und etwas lahm begonnene Lehrpraxis deutlich aufgewertet, die Finanzierung sichergestellt und in Oberösterreich sogar die Möglichkeit geschaffen, diese Lehrpraxis bereits während des Studiums zu absolvieren.

Wir haben noch viele, viele weitere Maßnahmen geplant. Wir werden die Allgemein­medizin aufwerten und weiter stärken. Wir werden die Primärversorgungszentren durch die neuen Investitionsanreize endlich flächendeckend etablieren, etwas das Ihnen, Frau Kollegin Rendi-Wagner, in der anvisierten Zeit nicht gelungen ist. Wir planen eine wei­tere Entlastung der Ärzte durch eine Aufwertung der unterstützenden Gesundheitsbe­rufe. Ich möchte da nur die Klinische Pharmazie als Beispiel anführen, betreffend die ich sehr viele konstruktive Gespräche mit den Spitalsbetreibern und auch mit der Phar­mazeutischen Gesellschaft geführt habe. Wir wollen aber auch die Pflege entspre­chend aufwerten und neue Möglichkeiten der Ausbildung und auch der Durchlässigkeit innerhalb der Pflegeberufe schaffen. Generell steht, was die Finanzierung und Organi­sation der Pflege anbelangt, eine große Reform bevor. Auch im Bereich der Versor­gung durch die Apotheken steht mit der Novelle zum Apothekengesetz eine deutliche Verbesserung vor der Tür.

Nicht zuletzt haben wir im Rahmen der Digitalisierung mit der Einführung der Elektro­nischen Gesundheitsakte, des elektronischen Impfpasses und der Telemedizin, auch der Telereha, die wir kürzlich im Gesundheitsausschuss besprochen haben, sehr viele Maßnahmen gesetzt, die die Rahmenbedingungen für Kassenärzte, aber vor allem auch die Versorgungssituation für die Versicherten, für alle Menschen, die in Öster­reich leben, sowie die öffentliche, staatliche Gesundheitsversorgung verbessern wer­den. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vielen Maßnahmen, die wir treffen wer­den beziehungsweise schon im letzten Jahr getroffen haben, zeigen, dass im letzten Jahr in der Gesundheitsversorgung definitiv kein Stillstand geherrscht hat. Die zehn Jahre davor waren aus meiner Sicht (Ruf bei der SPÖ: Aus der Apotheke!)  nein, nicht aus der Apotheke – ein stetiges Verschlechtern der Versorgung, ein stetiges Wegsehen und Drücken vor den Problemen, die tatsächlich anstehen. Diese Politik, Frau Kollegin Rendi-Wagner, ist gescheitert und wurde abgewählt – endlich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Endlich haben wir eine neue Bundesregierung, welche die notwendigen Reformen mit aller Entschlossenheit angeht und die Probleme der Zukunft lösen wird. Sehr geehrte Frau Bundesministerin, vielen Dank dafür! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.17

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.