11.05

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Rädler: Richtigstellen! Wäre notwendig!) – Werter Herr Kollege Rädler, warum sollten Richtigstellungen not­wendig sein? Ich glaube, ganz das Gegenteil ist der Fall: Was notwendig ist, ist, end­lich einmal eine kraftvolle Vision auf den Tisch zu legen (Abg. Deimek: Was heißt „kraftvolle Vision“? Beim Kickl gibt’s einen Misstrauensantrag, und ...!), eine ehrliche Vision, wohin wir eigentlich mit Europa wollen. Das ist genau das Thema, das wir heute ansprechen (Abg. Haider: Die Abschaffung Österreichs, das ist eure Vision! – Abg. Deimek: Das ist ja fast schon staatsfeindlich! Das ist die Ordnung der selbsternannten Liberalen!), denn die Wahl, die im Mai bevorsteht, ist eine Schicksalswahl! Und ich danke, denn ich weiß jetzt wieder, wofür die ÖVP steht: nicht für eine kraftvolle Vision. (Beifall bei den NEOS.)

Ich muss eines sagen: Als Kollegin Gamon hier am Rednerpult gestanden ist und die Herrschaften von der FPÖ – wie auch jetzt immer – keifend dagesessen sind, bin ich schon sehr irritiert gewesen, was Sie da an Bemerkungen gerufen haben – ich nehme an, der Präsident hat es nicht gehört, denn sonst hätte er, glaube ich, schon einen Ordnungsruf erteilt. Sie aber zu fragen, ob sie etwas geraucht habe, oder ihr auszurichten, sie müsse halt schon noch ein bisserl etwas lernen, sagt sehr viel über Ihre Haltung aus, wenn hier Personen sprechen, die eine ganz andere Meinung haben als Sie, wenn es um Europa geht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Es ist eine Schicksalswahl, um die es geht. Es ist nicht nur eine Schicksalswahl entlang der Frage, welche Fraktionen in welcher Stärke im Europäischen Parlament vertreten sein werden. Eine ebenso große Schicksalsfrage ist die Frage, wie viele euro­päische Regierungen wir noch erleben werden, in denen Populisten, Rechts­populisten, wie Sie es sind, sitzen und nichts anderes wollen, als dieses gemeinsame Projekt Europa zu zerschießen. Das ist eine ganz entscheidende Frage. (Abg. Deimek: ... linkspopulistisch! Sind sie rechtspopulistisch, sind sie böse! – Sie sind peinlich!)

Angesichts des Brexitdesasters – wir erinnern uns, es waren Ihre Freunde, Farage, Boris Johnson, die gesagt haben: endlich, we take back control!; und jetzt erleben wir ein Land in der Staatskrise, wo von Kontrolle wirklich keine Rede mehr sein kann, wo nach Lügenkampagnen, in denen den Menschen versprochen wurde, Milch und Honig werden fließen, auf einmal klar ist, wohin ihre Politik führt – haben Sie jetzt Kreide gefressen und sagen: Wir sind eh für Europa, wir sind ja eh für ein Europa, aber für keinen Zentralstaat! – Das ist nicht glaubwürdig! Ihre ganzen Austrittsbegehren, Ihre ganzen Jubelmeldungen, was für eine historische Leistung dieses Brexitvotum wäre – ein Votum für Freiheit und so weiter, was Sie alles gesagt haben (Abg. Hafenecker: Das ist liberal, dass jeder machen kann, was er will!) –, sind legendär. (Abg. Deimek: Aber Sie sind ja nicht mehr liberal! Sie sind ja schon linksdiktatorisch! ... sind nur mehr eine linksdiktatorische Organisation!) Verstecken Sie sich nicht! Haben Sie wenigstens den Mut, zu sagen, was Sie wollen: dieses gemeinsame, dieses vereinte Europa zer­stören!

Ich bin der Meinung, dass der Brexit ein historischer Weckruf ist. Umso stärker müssen wir uns mit der Frage beschäftigen: Wie soll Europa ausschauen? – Ich weiß, ich bin großzügig mit meinem Alter, wenn ich sage, ich bin Generation Gamon, aber in den letzten Jahrzehnten erleben wir schon etwas, angesichts dessen wir sagen müssen, sowohl der Europäischen Volkspartei als auch der europäischen Sozialdemokratie ist die Vision abhandengekommen. Der Apparat und der Bürokratismus, das Sich-Verlieren im Klein-Klein, wie ich es heute wieder gehört habe, Herr Kollege Schieder oder Herr Kollege Lopatka – nur ein bissi verändern und ein bissi besser machen –, das ist alles viel größer geworden als die Vision.

Angesichts des Stillstands und der Bürokratie verstehe ich, dass viele Menschen sagen: Was haben wir eigentlich davon? Sie wollen große Lösungen für große Heraus­forderungen: Klimawandel, Migration, Steuergerechtigkeit, natürlich auch Sicherheit und Verteidigung.

Meine Herrschaften, in welcher Welt leben Sie? Ich lebe in einer Welt, in der sich Bedrohungsszenarien verändert haben, in der wir uns auf die transatlantische Partnerschaft angesichts eines erratischen Donald Trump nicht mehr verlassen können. Auf der anderen Seite stehen Wladimir Putin in Russland und China, die sich um ihre Stellung in der Welt rangeln. Cyberattacken sind – wenn auch Gott sei Dank noch nicht so sehr – jedenfalls ein Bedrohungsszenario, das sehr aktuell ist, vor dem gewarnt wird. – Und da stellen Sie sich hin und sagen, es sei nicht in Ordnung, von einem europäischen Heer zu sprechen, von einem handlungsfähigen Europa auch in dieser Frage?! (Abg. Schieder: Was machen wir mit so einem Heer?) Werden Sie dann Beistandspflicht googeln, wenn das österreichische Bundesheer konfrontiert wird, oder wie schaut eigentlich Ihre Sicherheits- und Verteidigungsvision Europas aus? Das ist doch einfach lächerlich! (Beifall bei den NEOS.)

Ein handlungsfähiges Europa, das ist das, was die Menschen brauchen (Abg. Schieder: Keine Panzer!), und für Handlungsfähigkeit reicht es nicht mehr, sich im Klein-Klein und im ständigen kleinsten gemeinsamen Nenner zu verlieren. Für Handlungsfähigkeit muss man den Mut haben, zu sagen, europäisch denken heißt auch europäisch handeln (Abg. Gudenus: Schön gesagt!  Abg. Deimek: Das definieren Sie?!), und natürlich in wesentlichen Fragen vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrstimmigkeits­prinzip zu kommen. (Abg. Deimek: Eine diktatorische Maßnahme!) Das bedeutet selbstverständlich auch, weil es eine Wettbewerbsfrage ist  und die Frage der Wett­bewerbsfähigkeit und damit des Wohlstands der nächsten Generationen ist essen­ziell –, dass wir auch auf europäischer Ebene über eine Ökologisierung des Steuer­systems nachdenken müssen.

Und ja: Wir haben eine kraftvolle und mutige Vision, die legen wir auf den Tisch. Was ist denn Ihre ehrliche? – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: Also die Letzten, die von kraftvoll und mutig geredet haben, ... belastet! Passen Sie auf, was Sie sagen!)

11.11

Präsidentin Doris Bures: Die nächsten drei Rednerinnen und Redner sind Mitglieder des Europäischen Parlaments.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Othmar Karas. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Der Karas ist sicher auch für die Aufhebung der Neutralität!)