16.23

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs etwas festhalten, das mich – ich sage das offen – sehr verärgert hat. Herr Rosenkranz, Herr Gerstl, ich finde, es ist unglaublich schäbig, wenn man ein schweres Verbrechen, das bestraft gehört, instrumentalisiert, wenn man das Leid der Betroffenen instrumentalisiert, um politisches Kleingeld zu wechseln. Das ist wirklich schäbig! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Steger: Sie ignorieren es!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben eingangs Ihrer Rede berichtet - - (Bundeskanzler Kurz blickt auf sein Mobiltelefon.) – Nehmen Sie das Handy, rufen Sie den Kickl an, fragen Sie vielleicht, wo er ist! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das wäre eine Möglichkeit. (Bun­deskanzler Kurz spricht mit einem Mitarbeiter.) – Jetzt braucht man zum Candy-Crush-Spielen schon einen Assistenten? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist schon interessant. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident, ich rede mit dem Herrn Bundeskanzler und er spielt mit dem Handy. Tun Sie etwas – außer zu nicken! (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Herr Bundeskanzler, danke, dass Sie jetzt Zeit haben, ich wollte Ihnen nämlich etwas sagen. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, Sie sind auf dieses Zitat von Herrn Kickl angesprochen worden (Abg. Hafenecker: Ihre Klubobfrau war am Vormittag gar nicht da ...!) und die Leute haben nicht recht ge­wusst, was das ist. Ich weiß nicht, wer Sie da angesprochen hat. Mich hat eine junge Frau angesprochen, die Mutter von zwei Kindern ist. Sie hat zu mir gesagt: Ich wollte eigentlich etwas zu diesem Thema schreiben, aber ich traue mich nicht mehr. – Ich habe gefragt, wieso sie sich nicht mehr traut, darauf hat sie gesagt: Ja schau dir einmal die Facebook-Seite „FPÖ Fan Club“ an! (Abg. Hafenecker: Ihre Mitglieder trauen sich gar nichts mehr zu sagen, die werden sofort hinausgeworfen! – Ruf bei der FPÖ: War es ein Gewerkschafter?) Auf dieser Facebook-Seite „FPÖ Fan Club“ hat einer der FPÖ-Fans einen Aufruf österreichischer Künstlerinnen und Künstler gepostet, die zu Recht den Rücktritt des Innenministers gefordert haben. Das waren an die 250 Künst­lerinnen und Künstler – darunter Peter Turrini, die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und viele andere. (Abg. Rosenkranz: Wirklich, das wundert mich aber jetzt?!)  Jetzt hören Sie einmal zu!

Dann hat ein weiterer FPÖ-Fan darunter gepostet: „Super jetzt haben wir eine Liste und wenn es [...] soweit ist wissen wir wer abgeholt werden muss“. – Das hat er gepostet (Rufe bei der FPÖ: Silberstein!), und das ist dieser Geist, den diese Bun­desregierung und Ihr Innenminister, Herr Bundeskanzler, und Ihr Vizekanzler verbrei­ten. (Ruf bei der FPÖ: Das war ein Silberstein! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es ist ein Skandal, dass in diesem Land so etwas gepostet wird! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Ruf bei der FPÖ: Ein lupenreiner Silberstein! – Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Wenn Sie, Herr Rosenkranz, und wenn gestern Herr Nehammer Vergleiche zwischen dem Bundeskanzler und einem Vorgänger kritisiert und sich darüber empört haben (Abg. Rosenkranz: Sprechen Sie aus, wen sie meinen! Nicht nur „Vorgänger“, sprechen Sie es aus! Trauen Sie sich! Sprechen Sie es aus!), so meine ich dazu: Ich würde das auch nicht so vergleichen. Diese Empörung wäre aber viel glaubhafter, wenn man sich dann auch über den Innenminister empört, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist kein Wunder, dass diese Stimmung im Land entsteht, wenn der Minister, der für Ordnung, für Sicherheit (Zwischenrufe bei der FPÖ), für die bewaffneten Polizeikräfte zuständig ist, nicht diese Ordnung und Sicherheit verkörpert, sondern in seiner kurzen Amtszeit den Geheimdienst stürmen lässt (Abg. Stefan: Echt, der Innenminister? Wir glauben, das war die Justiz!), die ersten Zensurmaßnahmen bei Zeitungen seit 1945 geltend macht und den demokratischen Rechtsstaat infrage stellt, denn das hat er nämlich gemacht, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Warum müssen wir in diesem Land eine Debatte führen, ob wir an den Rechtsstaat glauben oder nicht? Warum müssen wir diese Debatte überhaupt führen? – Wir müs­sen sie führen, weil wir einen Innenminister haben, der den Grundsatz vor sich herträgt: Recht ist das, was ich will, und Recht ist nicht das, was im Gesetz steht! – Geschätzte Damen und Herren, das ist die Situation, die wir haben. (Abg. Deimek: Und jetzt einmal noch eine Schreierei zu den Opfern!)

Es ist aber nicht nur das, sondern es ist unter Ihrer Regierung auch noch etwas anderes passiert, Herr Bundeskanzler (Ruf bei der FPÖ: Ja, da geht etwas weiter! Das kennen Sie nicht!): Dieses Land ist durch Diskutieren (Ruf bei der FPÖ: Respekt, Aner­kennung!), durch gegenseitigen Respekt – ja, der Kollege hat es gerade gesagt –, durch Kompromisse, durch ein Aufeinanderzugehen aufgebaut worden. (Abg. Stefan: Pflastersteine und Grabkerzen, die uns hingelegt wurden, das ist Diskussion?!) Was jetzt passiert, geschätzte Damen und Herren, das ist ein Spalten (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), das ist, die Menschen gegeneinander auszuspielen und den Menschen Angst zu machen.

Sie stehen für ein Land, in dem nicht die Stärke des Rechts gilt, sondern das Recht des Stärkeren, in dem Rechtsstaatlichkeit und parlamentarische Demokratie, Presse­frei­heit, Gewaltenteilung als obsolet empfunden werden. (Abg. Steger: Ich sage es noch einmal: SPÖ Wien! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Geschätzte Damen und Herren, das kann nur eine Folge haben: den Rücktritt des Innenministers – und das sofort! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

16.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenkranz. – Herr Klubobmann, bitte.