18.34

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Ministerin, also Sie haben schon provoziert mit Ihrer an Simplizität kaum zu überbietenden Aussage: „Die Wirtschaft schafft die Arbeit“. Das erinnert mich stark an die Siebzigerjahre, als solche Meldungen der Industriellen üblich waren. Die Antwort darauf kam damals von Floh de Cologne, einer deutschen Politrockgruppe: Der Arbeiter arbeitet, der Unternehmer un­ternimmt; würden endlich auch die Arbeiter etwas unternehmen, müssten auch Unter­nehmer arbeiten. – Das war genauso stumpfsinnig, aber es war auf ähnlichem Niveau. (Beifall bei JETZT.)

Zum Thema: Ich muss oder ich will etwas Persönliches vorausschicken. Wer von Ihnen kennt Firmian? (Abg. Rosenkranz: Den Salzburger Bischof oder was?) – Kollege Rosenkranz ist der historisch Gebildete. Was hat Herr Erzbischof Firmian mit den Protestanten Mitte des 18. Jahrhunderts gemacht? – Er hat sie zuerst pfählen und vernichten und töten lassen, und dann hat er 20 000 von ihnen hinausgeschickt. Ich als Salzburger empfinde das nach wie vor als Schmach für das Land Salzburg, die Bizarrerie, dass Tirol und Bayern damals die Grenzen für die Protestanten dicht ge­macht haben. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) – Ja, 1966 hat sich der Erzbischof von Salzburg dafür entschuldigt. (Abg. Rosenkranz: ... gute Ausstellung in Goldegg 1981 ...!) Ich empfinde es als Salzburger, der getauft worden ist und Ministrant in Salzburg war, bis heute als eine Geste der Wiedergutmachung gegenüber Protestan­ten in diesem Lande, dass sie einen Feiertag hatten, den andere nicht hatten. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Ich habe damit nie ein Problem gehabt. (Beifall bei JETZT.)

Ich halte es bis heute und jetzt noch mehr für eine herabwürdigende Geste gegenüber den Protestanten in diesem Lande, dass ihnen dieser Feiertag damit de facto genom­men wird, auch wenn er jetzt als persönlicher Feiertag immerhin theoretisch gesetzlich noch möglich ist. Nach meinem Verständnis – und das war auch die Überlegung, die zum Generalkollektivvertrag 1952/1953 geführt hat; da gibt es ja das Beiblatt, das das dann um Jom Kippur ergänzt hat – war das auch eine Lehre aus dem Zweiten Welt­krieg und daraus, dass es sich um Religionsgemeinschaften handelt, die in diesem Land über Jahrhunderte hinweg von Katholiken verfolgt und gedemütigt worden sind und die auch im Naziregime verfolgt wurden. Diese Feiertagsregelung im Generalkol­lektivvertrag Anfang der Fünfzigerjahre war dem gemeinsamen Bewusstsein von ÖGB und Wirtschaftskammer geschuldet, dass es nur gerecht ist, wenn wir diesen Glau­bensgruppen diese Feiertage möglich machen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Damit haben Sie jetzt Schluss gemacht, und ich sage Ihnen als atheistischer Linker: Ich halte das für eine Entwürdigung einer ganzen Religionsgruppe. Dass diese sich das gefallen lässt, ist nur den faktischen Verhältnissen in diesem Land geschuldet, weil das Verhältnis von fünf Millionen Katholiken zu 300 000 Protestanten halt nun einmal so ausschaut, wie es ausschaut. Es ist aber eine Herabwürdigung des höchsten religiösen Feiertags der Protestanten in diesem Land. Ich finde das unanständig. – Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Das Gesetz ist natürlich nicht oder nicht nur aus den Gründen, die Kollege Schellhorn schon genannt hat, zum Teil ein ziemlicher Stuss. Es macht etwas möglich, was ich eigentlich so lange wie möglich in diesem Land verhindern will: einen muslimischen Feiertag. Dass ausgerechnet Sie jetzt die Möglichkeit schaffen, dass durch kollektives Handeln der von der Islamischen Glaubensgemeinschaft dirigierten Muslime in diesem Land ein gemeinsamer Opfertag gefeiert werden wird und wir in der Republik Österreich einen muslimischen Feiertag haben werden, ist wirklich absurd – und genau das provozieren Sie mit Ihrer Regelung.

Dritte Sache: Es ist natürlich klar, warum Sie aus politischen Gründen in den Gene­ralkollektivvertrag eingreifen, wie das sonst nur in ständestaatlichen Regimen denkbar und möglich ist, und warum Ihr Autoritarismus da so durchschlägt; dass Sie den Jom-Kippur-Tag natürlich nicht abgeschafft haben, ist verständlich, nachvollziehbar, wird aber zu genau zu einer Klage wie jener führen, die jetzt Anlass für die Neuregelung geworden ist, denn hinsichtlich der Diskriminierung Andersgläubiger ist jetzt nichts anders als zuvor, und das ist einfach legistischer Schwachsinn. (Beifall bei JETZT.)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, sich in der Aus­drucksweise zu mäßigen. Ich kann es konkret sagen, ohne Ihnen jetzt gleich einen Ordnungsruf zu erteilen: Das Wort „Schwachsinn“ hat hier keinen Raum.

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (fortsetzend): Entschuldigung! Ich nehme „Schwach­sinn“ zurück und sage: Das ist legistisch ein bisschen suboptimal. (Heiterkeit bei den NEOS.)

Der eigentliche Punkt ist: Sie verkaufen das so, als ob Sie den Westfälischen Frieden neu erfunden hätten. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Loacker.) Tatsächlich geht es hier um eine Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital in diesem Land. Bei circa 130 000 protestantischen Arbeitnehmern im Land ist das eine direkte Finanzspritze für die Unternehmer im Umfang von circa 30 Millionen Euro jährlich. Das ist einmal über den Daumen gerechnet, das wird man mit den Jah­ren präzisieren.

Das, was Sie hier aber machen, ist Klassenkampf von oben (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ), und Sie dürfen sich nicht wundern, dass es da immer weiter zu Verbitterungen kommt (Abg. Belakowitsch: Bei wem?!), über die Sie sich dann aufregen, selbst wenn sie in der freundlich-fairen Art und Weise des Kollegen Muchitsch kommen, der eh immer nur darum bittet, doch mit ihm zu sprechen. Das tun Sie aber nicht. Sie stehlen einem Teil der österreichischen Erwerbstätigen 30 Millionen Euro jährlich (Abg. Belakowitsch: Sind das jetzt die Kapitalisten oder sind das nicht die Kapitalisten?), und das ist, finde ich, nicht nur nicht fair – das hat Kollege Muchitsch schon ausgeführt –, es ist Lohnraub; das ist es in Wirklichkeit.

Letzter, allerletzter Punkt, um nicht alles auszuschöpfen, was ich hier eingemeldet habe: Wie Sie rechtfertigen, dass Sie in § 285 Abs. 76 Landarbeitsgesetz eine Grundsatzbe­stimmung formulieren, die keine Grundsatzbestimmung, sondern schon die Ausfüh­rungsbestimmung und deshalb verfassungswidrig ist, das mag verstehen, wer will – ich verstehe es nicht. Wäre ich ein Bundesland in diesem Lande, dann würde ich das sofort beim VfGH anfechten. Das ist nämlich keine Grundsatzbestimmung, das ist schon die Ausführungsbestimmung, die eine individuelle Ausführungsgesetzgebung durch die Länder unmöglich macht.

Sie werden das nicht überdenken, da ist die SPÖ viel zu euphorisch und viel zu optimistisch. Sie werden das durchziehen, wie es ist. Ich sage aus den erstgenannten Gründen: Genieren Sie sich, dass Sie eine Religionsgemeinschaft auf diese Art und Weise herabwürdigen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Gödl und Deimek.) Schämen Sie sich auch für die Art und Weise, in der Sie hier autoritär und auch ohne Not in den Generalkollektivvertrag, in alle Branchenkollektivverträge eingreifen! Das wäre nicht notwendig gewesen, die Bestimmungen in den Kollektivverträgen sind auch dann obsolet, wenn Sie diesen gesetzgeberischen Eingriff unterlassen. Und tun Sie nicht so, als ob Sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes etwas zum Besseren verändert hätten! Sie haben es zum Schlechteren verändert. (Abg. Deimek: Genau, wir haben einen Feiertag genommen! Einen bösen, kommunistischen Feier­tag!)

Als Fußnote: Was machen eigentlich die Schulkinder derjenigen, die einen persön­lichen Feiertag gewählt haben? Haben die an dem Tag auch schulfrei? (Abg. Gödl: Entschuldigung, das ist ja beim Urlaub auch so! – Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

18.43

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz. – Bitte. (Oje-Rufe bei der SPÖ.)