19.33

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! „Und die werden auch in Zukunft ein Kinderbetreuungsgeld bekommen, selbst wenn sie die Kinder nicht drei Monate haben.“ Diese Aussage im September vorigen Jahres hat die Krisenpflegeeltern und auch mich sehr gefreut, und ich bin zutiefst überzeugt, dass das auch ehrlich gemeint war. Es kam dann aber anders, und als Begründung wurde eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien genannt, dass die Unterbringung bei Krisenpflegeeltern immer nur vorübergehend ist und daher kein Kinderbetreuungsgeldanspruch besteht.

Bereits 2013 gab es aber schon Urteile, die grundsätzlich den Anspruch auf Kin­derbetreuungsgeld bejahen. Es gab auch ein Urteil vom Oberlandesgericht Graz. Dort steht Folgendes: Laut Judikatur besteht bei Krisenpflegeeltern „bereits ab dem ersten Tag der Übernahme des Kindes ein gemeinsamer Haushalt“. Weiter: „Dass eine Unter­bringung bei Krisenpflegeeltern oder einer Krisenpflegemutter von vornherein nicht auf Dauer angelegt ist, liegt in der Besonderheit dieser aus einer Gefährdung des Kindes resultierenden Situation“.

Das heißt aber nicht, dass damit dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld die Grund­lage entzogen wird. „Zweck des Kinderbetreuungsgeldes ist es ganz grundsätzlich, einem Elternteil zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, die Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls finanzielle Nachteile [...] abzumildern. Primäre Anspruchsvoraus­set­zung ist somit die Erbringung von Betreuungsleistungen“, was bei Krisenpflegeeltern vom ersten Tag an gegeben ist.

Ausgehend von dieser Feststellung, dass bei der Unterbringung eines Kindes die Dauer nicht absehbar ist und daher auch eine monatelange Unterbringung möglich ist, „ist dem vom Gesetz geforderten Kriterium der dauerhaften Wohn- und Wirtschafts­gemeinschaft schon durch die Besonderheit der Situation per se entsprochen“.

Dass bei einer 91-tägigen tatsächlichen oder voraussichtlichen Abwesenheit der Eltern oder des Kindes der gemeinsame Haushalt als aufgelöst gilt, heißt keinesfalls, dass eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft mindestens 90 Tage dauern muss. Würde man also feststellen, dass ein Aufenthalt unter 91 Tagen keinen Haushalt begründet und dass das nur in ganz wenigen Fällen überhaupt möglich ist, dann werden Krisenpflegeeltern quasi gleichsam vom Bezug des Kinderbetreuungsgeldes ausgeschlossen. Das steht aber nicht nur im Gegensatz zu der Judikatur, sondern auch zur Absicht und dem Zweck des Gesetzes.

Sie erhalten dann meist nur mehr ein Krisenpflegekindergeld aufgrund von Landes­gesetzen, das eigentlich die Aufwendungen für das Kind abdecken soll und keinen sozialrechtlichen Anspruch erwirkt. Wenn Sie sagen, dass Krisenpflegeeltern ein Ge­halt bekommen, so muss man auch sagen, dass dies sehr geringe Beträge sind, mit denen nicht die besonders aufwendige Betreuung abgegolten wird, sondern die Stun­den, die für die Weiterbildung und die Dokumentation aufgewendet werden.

Den vorliegenden Antrag empfinden viele der betroffenen Eltern als unglaubliche Ge­ring­schätzung ihrer Tätigkeit. Mit der expliziten Nennung der 91-Tage-Frist und der Gefähr­dungsabklärung entsteht ein Ungleichgewicht hinsichtlich der Anspruchsberech­tigung.

Ich glaube ja, dass Sie sich selber nicht sicher sind, ob die 91 Tage wirklich so ge­scheit sind, denn sonst würde es die Ausschussfeststellung über eine Evaluierung nicht brauchen. Wenn nach einer Evaluierung dann festgestellt wird, dass die Treff­sicherheit nicht gegeben ist und der Zeitraum verändert wird, liegt dann keine Un­gleichbehandlung mehr vor?

Wenn das aber so ist, können wir es ja gleich richtig machen. Daher bringen wir folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Birgit Sandler, Genossinnen und Genossen zum Antrag 494 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel 2 Ziffer 2 lautet wie folgt:

2. § 2 Abs. 6 lautet:

„(6) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu 10 Tage verspätet (§ 3 Abs. 1 Melde G) erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht. Der ge­mein­same Haushalt gilt bei mehr als 91 tägiger tatsächlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes als aufgelöst. Bei einem 91 Tage übersteigenden Krankenhausaufenthalt des Kindes wird bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch diesen Elternteil im Mindestausmaß von durchschnittlich vier Stunden täglich ausnahmsweise der gesamte Haushalt des Kindes mit diesem Elternteil im Sinne dieses Absatzes angenommen. Eine Krisenpflegeperson hat unabhängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisenpflege­kind vorliegt, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für dieses Krisenpflegekind.“

2. Artikel 3 Ziffer 1 lautet wie folgt:

1. Nach § 2 Abs. 3 wird folgender Abs. 3a angefügt:

„Bei einem Krankenhausaufenthalt des Kindes, der Mutter oder des Kindes gemeinsam mit der Mutter wird der gemeinsame Haushalt im Sinne des Abs. 3 angenommen. Ein solcher Krankenhausaufenthalt steht dem Vorliegen einer Familienzeit nach Abs. 4 nicht entgegen.“

*****

Unterstützen wir gemeinsam diese hoch engagierten, motivierten Eltern, die sich in traumatischen und dramatischen Phasen des Lebens um diese Kinder kümmern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Birgit Sandler,

Genossinnen und Genossen

zum Antrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (494 d.B)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wir wie folgt geändert:

1. Artikel 2 Ziffer 2 lautet, wie folgt:

2. § 2 Abs. 6 lautet:

„(6) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu zehn Tage verspätet (§ 3 Abs. 1 Melde G) erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht. Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als 91 tägiger tatsächlicher Dauer einer Abwe­senheit des Elternteils oder des Kindes als aufgelöst. Bei einem 91 Tage überstei­genden Krankenhausaufenthalt des Kindes wird bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch diesen Elternteil im Mindestausmaß von durchschnittlich vier Stun­den täglich ausnahmsweise der gesamte Haushalt des Kindes mit diesem Elternteil im Sinne dieses Absatzes angenommen. Eine Krisenpflegeperson hat unabhängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisen­pflege­kind vorliegt, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für dieses Krisenpflegekind.“

2. Artikel 3 Ziffer 1 lautet wie folgt:

1. Nach § 2 Abs. 3 wird folgender Abs. 3a angefügt:

„Bei einem Krankenhausaufenthalt des Kindes, der Mutter oder des Kindes gemeinsam mit der Mutter wird der gemeinsame Haushalt im Sinne des Abs. 3 angenommen. Ein solcher Krankenhausaufenthalt steht dem Vorliegen einer Familienzeit nach Abs. 4 nicht entgegen.“

Begründung

Wenn Familien in akute Krisensituationen geraten, kommen geschulte passagere Pflegeeltern zum Einsatz, die im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe Kinder für einen bestimmten Zeitraum in Pflege und Erziehung übernehmen. Diese Pflegeeltern sprin­gen immer dann ein, wenn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis für eine nicht bloß verhältnismäßig kurze Zeit eintritt, das die leiblichen Eltern an der Betreuung hindert. Zu diesem Zeitpunkt ist aber noch unklar, wie es konkret weiter­geht: Ob eine Rückführung zu den Eltern, zu Verwandten oder zu Personen aus dem sozialen Umfeld möglich ist oder ob eine andere Form der Betreuung gefunden werden muss. Für diesen Zeitraum der Klärung betreuen meist eigens ausgebildete Krisen­pflegefamilien vor allem sehr junge Kinder im Familienverband.

Krisenpflegeeltern stellen ein äußerst bewährtes Betreuungsinstrument im Kinder­schutz dar und es ist erforderlich ihre anspruchsvolle Kinderschutztätigkeit auch in die­ser Hinsicht attraktiv zu gestalten. Die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes für Krisenpflegeeltern ab dem ersten Tag ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Es ist erforderlich im Kinderbetreuungsgeldgesetz eine Klarstellung einzu­fügen, damit auch Krisenpflegeeltern unabhängig von der Dauer des Betreuungs­ver­hältnisses vom Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld umfasst sind. Zudem wird im Initiativantrag der Regierungsfraktionen ein Nachweis verlangt, dass Vater und Mutter während des Spitalsaufenthalts des Kindes während einer Familienzeit das Kind je­weils täglich 4 Stunden durchschnittlich pflegt und betreut. Diese Voraussetzungen sind kaum in die Praxis umzusetzen, wenn das Kind im Inkubator liegt. Kranken­haus­hygiene und betriebliche Abläufe im Spital werden sich mit dieser Regelung kaum vereinbaren lassen. Das Spitalspersonal hat aber anders zu tun, als dies zu über­wachen und dann eine Bestätigung darüber auszustellen. Bei Frühchen, die noch im lnkubator liegen müssen, ist eine vierstündige Betreuung schon aus rein medizinischen Gründen unmöglich. Diese bürokratischen Hürden werden mit dem vorliegenden Abänderungsantrag entschärft.

Die Familienzeit in der Dauer von 28 bis 31 Tagen kann laut dem Familien­zeitbonus­gesetz ab dem Tag der Geburt in Anspruch genommen werden. Überschneidet sich die Familienzeit jedoch mit dem Krankenhausaufenthalt der Mutter und des Kindes wird in der Praxis der Familienzeitbonus nicht ausgezahlt. Da es laut dem Gesetz die Möglichkeit geben soll mit der Familienzeit ab dem Tag der Geburt zu beginnen und es im Vorhinein schwer abschätzbar ist, wie lange der Krankenhausenthalt von Mutter und Kind nach der Geburt dauern wird, soll geregelt werden, dass auch in einem solchen Fall ein gemeinsamer Haushalt vorliegt und eine zeitliche Überschneidung der Fa­milien­zeit und des Krankenhausaufenthaltes der Mutter und des Kindes nicht mehr zu einem Verlust des Familienzeitbonus führt. Zusätzlich wird auch klargestellt, dass, wenn nur noch die Mutter im Krankenhaus und das Kind bereits zu Hause ist, der Fa­milienzeitbonus auszuzahlen ist.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­ge­bracht und ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.