9.41

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Tarnen, täuschen und mit dem Finger auf Menschen zeigen (Ruf bei der FPÖ: SPÖ also!), das ist die schwarz-blaue Regierungspolitik der letzten 15 Monate. (Ruf: ... nicht aufgepasst!) Wenn ich mir den Titel Ihrer heutigen Aktuellen Stunde anschaue und vor allem wenn ich Ihnen in den letzten Minuten zugehört habe – und das musste ich leider, muss ich fast sagen (Abg. Belakowitsch: Hallo, „leider“?! – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz) –, dann sehe ich, dass sich genau das heute wieder zeigt: mit dem Finger auf Menschen zeigen.

Ihre Worte heute, Frau Bundesministerin – ich wäre Ihnen (in Richtung Bundes­ministerin Hartinger-Klein, die mit einem Mitarbeiter spricht) dankbar, wenn Sie der Debatte aktiv folgen würden –, waren, und das möchte ich Ihnen schon persönlich sagen, das Menschenverachtendste (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!), das ich aus Ihrem Mund je gehört habe. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll. – Abg. Haider: Wenn euch nichts mehr einfällt, ist es menschenverachtend!) Sie sind Sozialministerin. Dass Sie nicht Gesundheitsministerin sind, haben wir schon in den letzten 15 Monaten gesehen, gehört und gespürt, aber Sie sind offenbar auch keine Sozialministerin. (Abg. Haider: Sie sind keine Oppositionsführerin!)

Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten haben eine andere Einstellung, und das ist kein Wunder. Wir sind der festen Überzeugung, dass Menschen arbeiten wollen; sie wollen arbeiten und ihren Beitrag leisten, für sich und für andere in der Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Bösch.) Und ja, es gibt viele, die nicht arbeiten können, gerade auch Menschen, für die wir da sein wollen und da sein müssen. Ich bin überzeugt, wir sind überzeugt – und das ist der grundlegende Unter­schied zwischen uns und Ihnen –: Menschen wollen ihren Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre Aufgabe der Politik, Menschen, die in einer schlechten Situation sind, die Hand zu reichen, statt mit dem Finger auf sie zu zeigen – jenen, die aus den ver­schiedensten Gründen arbeitslos sind, oder jenen, die nicht genug zum Leben haben, obwohl sie arbeiten gehen. Ja, es wäre Aufgabe der Politik, diesen Menschen eine Perspektive zu geben, wie wir es damals mit der Aktion 20 000 gemacht haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Fragen, die sich mir und anderen in diesem Land stellen, sind: Will diese Regie­rung überhaupt, dass Menschen mehr Möglichkeiten, mehr Chancen, mehr soziale Sicherheit haben? Will diese Regierung überhaupt, dass Menschen aus Notsituationen wieder gut rauskommen? Sind für Sie als Regierung und für Sie als Sozialministerin alle Kinder in diesem Land gleich viel wert? (Ruf bei der FPÖ: Hallo, zuhören! Wieder nicht zugehört! ... vorgeschriebene Rede!)

Wenn wir uns heute den Vorschlag Ihrerseits zur Mindestsicherung Neu beziehungs­weise Sozialhilfe anschauen, dann ist die Antwort drei Mal Nein. Sie wollen mit diesem sozialen Kürzungsprogramm Druck auf Menschen ausüben, Sie wollen ihn erhöhen, sodass sie es noch schwerer in ihrem Leben haben. Ja, Sie spielen eiskalt mit den Menschen. (Abg. Haider: Ich glaube, Sie spielen Theater, sonst spielt hier niemand!) Sie spielen mit den Menschen in den Niedriglohnsektoren und spielen sie gegen jene aus, die sich auf dem Arbeitsmarkt schwertun; das sind vor allem die Langzeit­arbeitslosen, das ist die große Zahl der Mindestsicherungsbezieher. Und Sie treiben wie immer einen Keil in unsere Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die schwarz-blaue Arbeitsmarktpolitik – und das ist Ihre Zustän­digkeit – der letzten 15 Monate an (Abg. Haider: Die ist gut! Die ist hervorragend, diese Politik!): 12-Stunden-Tag, Stopp der Aktion 20 000, Hungerlohn von 1,50 Euro pro Stunde für Asylwerber (Abg. Haider: ... in der Grundversorgung!), Zwangsarbeit für Asylwerber, Kürzungen beim AMS-Budget (Abg. Belakowitsch: Sie haben 1 Euro gezahlt!), Kürzungen bei der Sprachförderung, Personalabbau bei den AMS-Trainerin­nen und -trainern. – Der Grund für all diese Kürzungen und Ihre Arbeitsmarktpolitik ist ein einziger: Österreich soll ein Billiglohnland werden, Arbeit soll billiger werden. (Bei­fall bei der SPÖ.) Das ist nichts anderes als systematisches Lohn- und Sozialdumping auf dem Rücken aller Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Steinacker: Wie soll denn das gehen, bei den bestehenden Gesetzen ...? – Abg. Deimek: Den Kollektiv­vertrag ... die SPÖ nicht zur Kenntnis!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind überzeugt, eine gute Arbeit ist jene, die einen Lohn bietet, von dem man gut leben kann, die Arbeitsbedingungen bietet, die nicht krank machen, die Menschen in ihrem Leben Würde gibt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie wiederum glauben, dass Armut, Hunger und Angst vor Delogie­rung Menschen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben. Ist das Ihr Ernst? Glauben Sie wirklich, dass dieser Druck Menschen bessere Chancen auf dem Arbeits­markt eröffnet?

Aber nicht nur das: Mit dieser neuen Regelung verschärfen Sie die Kinderarmut in diesem Land. Sie kürzen Familien mit Kindern die Mindestsicherung um 40 Millionen Euro – dieselbe Summe übrigens, die Sie im letzten Jahr für Ihre Kabinette in der schwarz-blauen Bundesregierung für reine PR- und Werbeposten ausgegeben haben. (Beifall und Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Künftig soll jedes dritte Kind um 1,50 Euro am Tag leben – das hat kein Kind in diesem Land verdient. Kein Kind hat diese Unfairness verdient! (Beifall bei der SPÖ.) Sie verfrachten 70 000 Kinder in eine Perspektivlosigkeit – und ich frage mich: Wer ist als Nächster dran, Frau Bundesministerin? (Abg. Zanger: Redezeit!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für Kinderarmut, Spaltung, Sozialabbau und Lohn­dumping wird die Sozialdemokratie niemals zur Verfügung stehen. – Danke schön. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

9.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.