9.58

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, es ist so weit: Der nächste große Wurf der Bundesregierung zeichnet sich ab. Die Mindest­siche­rung wird wieder zur Sozialhilfe. Anstatt durch bundeseinheitliche Standards die mindeste Absicherung eines menschenwürdigen Lebens festzuschreiben und zu ga­rantieren, anstatt sich zum Ziel zu setzen, Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämp­fen, so wie man das auch in der 15a-Vereinbarung zur Bedarfsorientierten Mindest­sicherung getan hatte, anstatt also den erfolgreichen Weg von zwischen 2010 und 2016 weiterzuführen und wieder aufzugreifen, haben sich die Türkisen und die Blauen hingesetzt und das Rad der Zeit weit, weit zurückgedreht.

Sie haben das Rad in eine gute alte Zeit zurückgedreht, in der noch die Armen bekämpft wurden und nicht etwa die Ursachen, die diese Armut hervorrufen. Es war eine sehr einfache und eine sehr selbstgerechte Zeit, in der es auch als Leistung galt, zu reich, zu schön oder aus zu gutem und wohlhabendem Hause zu sein. Aber was ist jetzt mit den Armen, die in dieser Situation sind und auf Hilfe durch die Gemeinschaft angewiesen sind? – Die waren damals selbst schuld, und das sind sie jetzt auch – Punkt.

Die Herren und Damen der Regierung haben nicht nur am Rad gedreht, Sie haben sich zudem auch neue Ziele gesteckt. Und diese neuen Ziele stellen nun an die Stelle von Armutsbekämpfung nur mehr die Unterstützung für Lebensunterhalt und Wohnbedarf; großzügig bereitgestellt natürlich aus Geldern und Mitteln der Sozialhilfe. So etwas wie einen Mindeststandard, wie eine Mindestunterstützung, eine Untergrenze, gibt es nicht mehr. Was es aber dafür gibt, ist eine Obergrenze.

Die uralte neue Sozialhilfe kann aber noch mehr: Durch erhebliche Kürzungen für Menschen, die zu geringe Sprachkenntnisse mitbringen, sagen Sie, wird das Ganze zum Integrationsturbo. Das ist natürlich nicht mit dem Kriminalitätsturbo zu verwech­seln, denn wer zum Leben zu wenig Geld hat oder als Unterstützungsleistung bereit­gestellt bekommt, weil er sich in einer Notsituation befindet, und vielleicht zudem noch zwei kleine Kinder hat, geht natürlich nicht stehlen, sondern wird sich in den nächsten Deutschkurs setzen. Das ist zumindest das, was die Regierung glaubt.

Um aber fair zu bleiben – das Vorhaben ist natürlich nicht nur negativ. Es ist zumindest der Versuch einer bundesweit einheitlichen Regelung, nämlich die neun unterschied­lichen Fleckerlteppiche und neun unterschiedlichen Sozialhilfegesetze zu vereinheit­lichen. Aber, großes Aber – Kollege Loacker möchte an dieser Stelle gerne ansetzen, wie ich seinen Aussendungen der letzten Tage entnehmen konnte –, auch das passiert nicht. Es werden lediglich Obergrenzen festgeschrieben. Den Bundesländern steht es aber, so wie es aktuell festgeschrieben ist, in ihrer Ausführungsgesetzgebung völlig frei und beliebig zu, diese Obergrenze zu unterschreiten, nämlich Sachleistungen, wie auch immer geartet, zur Verfügung zu stellen, um damit wiederum einen Fleckerl­teppich aus neun unterschiedlichen Länderregelungen zu schaffen. Und am Ende des Tages wird es die Postleitzahl sein, die wiederum den Grad der Unterstützung, der finanziellen Unterstützung bestimmen wird.

Das Problem also bleibt dasselbe, es wird nur verschlimmert. Wozu es am Ende des Tages führen wird, ist keine bundeseinheitliche Lösung, sondern ein Wettbewerb der Bundesländer untereinander, wer unattraktiver für Zuwanderer ist, wer unattraktiver für Menschen ist, die sich in einer Notsituation befinden; ein race to the bottom, könnte man auch sagen.

Die blauen Kürzungsfantasien sind ja für die Länder keine Grenze, nein, es gibt sogar die Möglichkeit, diese Obergrenze, die festgeschrieben ist, beliebig mit Sachleistungen und dementsprechend zusammengesetzten Sach- und finanziellen Leistungen zu unterschreiten. Jene Länder, die Ihre Vorgabe annehmen, werden am Ende des Tages jene sein, die dieses race to the bottom gewinnen; dann, Kollege Wöginger, könnte wiederum der Weg nach Wien angetreten werden. Ich gehe davon aus, dass dieses Beispiel aus der Luft gegriffen war. Selbst Sie haben den Weg nach Wien angetreten. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ich möchte hier aber schon betonen: Wenn wir wieder eine Situation haben werden, in der Menschen, die in einer Notsituation sind, in jene Bundesländer getrieben werden, in denen noch ein Mindestmaß an Unterstützung für ein menschenwürdiges Leben gewährleistet ist, dann ist die aktuelle Situation nichts anderes, als sie vorher gewesen ist, und stellt keine Verbesserung in diesem Sinn dar. (Beifall bei JETZT.)

Um zum Schluss zu kommen: Das Thema dieser Aktuellen Stunde der FPÖ ist meiner Meinung nach denkbar schlecht gewählt. Wir haben erst am 15. April ein öffentliches ExpertInnenhearing zur Mindestsicherungsreform und dem möchte zumindest ich nicht vorgreifen. Dementsprechend hoffe ich natürlich noch auf Verbesserungen, die wir vielleicht gemeinsam erreichen können, und deshalb möchte ich es auch vermeiden, zu sagen, was ich aktuell wirklich über diese Vorlage denke. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

10.04

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Grünberg ist zu Wort gemel­det. – Bitte.