13.25

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe KollegInnen! Sehr verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Dass wir heute die Möglichkeit haben, im Plenum des Nationalrates diesen Bericht zu disku­tieren, fußt darauf, dass wir in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses einen Antrag auf Nichtenderledigung gestellt haben.

Wir wollen, dass die aktuelle Situation breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Wa­rum? – Nicht, weil der Bericht so gut wäre, nicht, weil der Bericht so richtungs­weisend wäre, nein, sondern weil der Bericht zentrale wissenschaftliche Evidenz verschweigt. Das ist der einzige Grund, warum wir gesagt haben, wir wollen, dass hier im Sinne der vielen Tausenden PatientInnen eine öffentliche Diskussion darüber stattfindet, damit jeder hört, wie es um die aktuelle Situation in der Gesundheitspolitik in diesem Land steht.

Ich möchte es auch begründen, warum wir die Einschätzung teilen – wie auch Kollege Loacker bereits erwähnt hat –, dass es jeglicher wissenschaftlichen Evidenz entbehrt, was uns im Gesundheitsausschuss vorgelegt worden ist: Auf saloppen elf Seiten wurde zusammengetragen, was die Meinungen verschiedener Seiten sind; ohne jegliche Quellenangaben, ohne Zitate internationaler Studien einzubeziehen, wurden Behauptungen in den Raum gestellt. (Abg. Zinggl: So eine Schlampigkeit!) Es wurden auf der einen Seite Behauptungen aufgestellt, wie: Wir glauben, dass die Kosten für das Naturprodukt zu hoch sind!, aber dem Hauptverband liegen keine Daten darüber vor und, und, und. Dieser Tenor zieht sich durch den gesamten Bericht, und das ist meiner Meinung nach unhaltbar.

Es gab einen einstimmigen Beschluss. Ich kann nicht verstehen, warum die Regie­rungsfraktionen mit dem Bericht einverstanden sind, weil er nicht einmal den einstim­migen Beschluss des Nationalrates umsetzt. Wir haben beschlossen, dass die Stellungnahmen, die im Zuge der Ausschussbegutachtung eingeholt worden sind, einbezogen werden. Wo ist die Stellungnahme der Apothekerkammer, die sich für Cannabis zu medizinischen Zwecken in Apotheken ausspricht? Wo ist die Stellung­nahme der Stadt Wien? Wo ist die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung? – Diese sind allesamt positiv betreffend eine Liberalisierung im medizinischen Bereich. Wo ist die Stellungnahme der Präsidentin des Schmerzverbands? Wo ist die Stimme der 1,8 Millionen Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten in diesem Bericht? – Wiederum einfach ignoriert, weil es nicht in die Ideologie der aktuellen Bundesregierung passt! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es werden stattdessen ideologische Stehsätze in den Bericht aufgenommen. Es wer­den Stehsätze einbezogen, die den aktuellen Stand der internationalen Forschung überhaupt nicht miteinbeziehen.

Frau Ministerin, Sie mögen mir als Oppositionspolitikerin vielleicht keinen Glauben schenken, was die aktuelle wissenschaftliche Basis betrifft, aber vertrauen Sie wenigstens der Weltgesundheitsorganisation? – Die Weltgesundheitsorganisation hat in den letzten Tagen eine aktuelle Empfehlung herausgegeben, und zwar – das möchte ich zitieren – will sie die Restriktionen gegen Cannabis für medizinische und wissenschaftliche Zwecke lockern und die Einstufung als zu wenig wirksam in der Medizin fallen lassen. – Das sagt die WHO, das sagt die Weltgesundheitsorganisation.

Der Oberste Sanitätsrat muss Ihnen das nicht mitteilen. Ich würde es aber schon hinterfragen, warum der Oberste Sanitätsrat mir als Ministerin das nicht mitteilt oder warum es vielleicht gezielt verschwiegen wird. Der Auftrag an das Ministerium wäre gewesen, sich wissenschaftliche Erkenntnisse anzueignen und diese in Berichtsform niederzuschreiben. Auch wenn der Oberste Sanitätsrat die WHO nicht anruft und nachfragt, wie es um die aktuelle Situation steht, so wäre es doch sehr wohl möglich gewesen, dass sich dieser auf die Empfehlungen stützt.

Die WHO schreibt nämlich in ihrer Stellungnahme: Die aktuellen Empfehlungen, Can­nabis in der Medizin zuzulassen und die bisherigen Restriktionen zu lockern, stützen sich auf neue Studienergebnisse zum medizinischen Nutzen verschiedener Cannabi­noide. Die bisherige Einstufung sei, so die WHO, medizinisch nicht mehr haltbar. – Das schreibt die WHO an UN-Generalsekretär António Guterres.

Ich bitte Sie, überdenken Sie diese Haltung, die Sie hier aufgrund eines Berichtes, der wissenschaftlich keinerlei Evidenz beinhaltet, einnehmen!

Genau aus diesem Grund möchte ich hier gemeinsam mit den anderen Oppositions­fraktionen einen Antrag einbringen. Ich möchte, dass dieses wichtige und zentrale Thema im Sinne der Tausenden SchmerzpatientInnen in diesem Land, im Sinne von vielen PatientInnen behandelt wird.

Kollegin Povysil, Sie haben gesagt: Es gibt ja eh Medikamente, die am Markt sind und die wirken! – Ja, aber die müssen erst einmal verschrieben werden (Abg. Povysil: Das können sie ja ohne Weiteres! Die werden auch verschrieben!), und dann müssen sich diese vielen Tausenden Schmerzpatienten diese Medikamente erst einmal leisten können. Das sind Kosten von 600 bis 800 Euro im Monat, das ist untragbar! Es kann mir niemand erklären, dass das Naturprodukt teurer wäre als ein durch einen Pharma­konzern, der noch dazu seine Gewinnabsichten zu bedienen hat, hergestelltes medizi­ni­sches Produkt.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Mag. Gerald Loacker, Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „unabhängiger Bericht zum Stand der internationalen Forschung über die Wirksamkeit von Cannabis in der Medizin“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, das Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment mit einem Evaluierungsbericht über den Stand der internationalen Forschung zur Wirksamkeit von Cannabis in der Medizin (‚Medizinalhanf‘) zu beauftragen. Dabei soll ausdrücklich die Wirksamkeit synthetischer und natürlicher Produkte (‚Blüten‘) im Lichte inter­nationaler Studien dargestellt werden. Dieser Bericht ist bis September 2019 dem Nationalrat vorzulegen.“

*****

Ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient, und ganz im Sinne der vielen Schmerzpatientinnen und -patienten in diesem Land bitte ich Sie dementsprechend um Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

13.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Gerald Loacker, Philip Kucher, und FreundInnen,

betreffend unabhängiger Bericht zum Stand der internationalen Forschung über die Wirksamkeit von Cannabis in der Medizin,

eingebracht in der Debatte zum TOP 6: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Bericht in Entsprechung der Entschließung des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend Liberalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken, Nr. 27/E XXVI. GP, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Kon­sumentenschutz (III-233/538 d.B.)

Der aufgrund der einstimmigen Entschließung 27/E von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz angeforderte Bericht zur Libera­lisierung von Cannabis in der Medizin hat vom wissenschaftlichen und formalen Anspruch her dem Auftrag des Parlamentes nicht entsprochen. So wurden die Aus­schussbegutachtung und dabei die Argumente der zahlreichen positiven Stellung­nahmen zur Liberalisierung des Naturproduktes, ua der Bundesländer Tirol und Wien, nicht berücksichtigt.

Nun hat die WHO/Weltgesundheitsorganisation die Empfehlungen herausgegeben, die Restriktionen gegen Cannabis für medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu lockern und die Einstufung „zu wenig Wirksamkeit in der Medizin“ fallen zu lassen.

Diese Empfehlungen stützt die WHO ausdrücklich auf neue Studienergebnisse zum medizinischen Nutzen verschiedener Cannabinoide – die bisherige Einstufung sei medizinisch nicht mehr haltbar, so die WHO in einem Schreiben an UN-General­sekretär António Guterres.

Im Lichte dieser Entwicklung scheint es ratsam, die Politik in Österreich dem inter­nationalen Standard anzunähern. Diesen zu erheben hat der vorliegende Ministeriums-Bericht leider nicht geleistet. Daher ist es notwendig, das Ministerium erneut zu be­auftragen, eine unabhängige wissenschaftliche Institution mit einem Bericht zu diesem Thema zu beauftragen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, das Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment mit einem Evaluierungsbericht über den Stand der internationalen Forschung zur Wirksamkeit von Cannabis in der Medizin („Medizinalhanf“) zu beauftragen. Dabei soll ausdrücklich die Wirksamkeit synthetischer und natürlicher Produkte (‚Blüten‘) im Lichte internatio­naler Studien dargestellt werden. Dieser Bericht ist bis September 2019 dem National­rat vorzulegen.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Povysil zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.