15.29

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ge­schätzte Regierungsmitglieder! Das ist ein Thema, bei dem wir eigentlich keinen Populismus brauchen würden, Herr Bundeskanzler. Pflege geht uns alle an. Warum geht sie uns alle an? – Weil niemand davor gefeit ist, dass ihn das Thema selbst einmal betrifft. Die Zahlen sprechen klar für sich: 460 000 pflegebedürftige Menschen und über 900 000 Angehörige, die sich mit diesem Thema befassen. Ich glaube, jeder hier in diesem Raum hat in seinem Umfeld, in seiner Familie aktuell mit Pflege zu tun. In meinem Fall ist es meine Schwester, die meine Mutter seit dem 24. Jänner rund um die Uhr betreut. Den Menschen, die das tagtäglich tun, gebührt höchster Respekt, große Anerkennung und Dankbarkeit dafür, dass sie das tun! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Herr Bundeskanzler, es geht wirklich nicht um Angstmache. Es geht darum, dass wir heute wissen, dass 440 000 – Sie sagen 450 000 – Menschen in Pflege sind. (Abg. Wöginger: 460 000!) – 460 000. Die Zahlen sind ja nicht aktuell angepasst, aber Fakt ist, das sagen alle voraus, dass wir in elf Jahren, also 2030, 600 000 Menschen in Pflege haben werden. Es ist daher schon wichtig, ein durchaus gut funktionierendes System auch weiterzuentwickeln. Ich möchte das jetzige nicht schlechtreden, ich möchte nur eines sagen: Wir müssen dieses System weiterentwickeln, das ist die Bot­schaft.

Fakt ist, dass das Thema Pflege in der Vergangenheit ganz klar eine rote Handschrift getragen hat: sei es die Einführung des Pflegegeldes 1993, sei es die Einführung des Pflegefonds 2011, sei es die Pflegekarenz – all das ist unter sozialdemokratischen Bundesministern geschehen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Warum macht ihr es dann so schlecht?!)

Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Bundesministerin, ich durfte auch bei diesem Pflegegipfel am 21. März dabei sein, und ich habe dort durch­aus von allen politischen Vertretern eine Einigkeit gehört. Ich habe auch genau zuge­hört, was vor allem August Wöginger und Walter Rosenkranz gesagt haben. Am 21. März um 10.18 Uhr hat sich Walter Rosenkranz eindeutig gegen eine Pflegever­sicherung ausgesprochen. Er hat gesagt, dass wir das, was in Deutschland schon gescheitert ist, in Österreich nicht noch einmal zu probieren brauchen. (Abg. Rosenkranz: Ja!) Wir werden die FPÖ diesbezüglich beim Wort nehmen.

Lieber Walter Rosenkranz, du hast ganz klar gesagt, kein Crashtest betreffend die Pflege in Österreich (Abg. Rosenkranz: Richtig!), keine Pflegeversicherung; umso weniger verstehe ich den Widerspruch, der in dieser Koalition herrscht, wenn dann August Wöginger sagt, man müsste sich „die verschiedensten Modelle“ ansehen, wenn der Herr Bundeskanzler in einer APA-Meldung vom 18. März zurückrudert und sagt, man müsse sich schon auch noch andere Systeme anschauen. Sie haben im Koalitionsabkommen auf Seite 119 ein klares Bekenntnis zum staatlich finanzierten Pflegesystem abgelegt – bitte stehen Sie dazu und rudern Sie jetzt nicht wieder zurück!

Sie haben, Herr Bundeskanzler, die Einladung zur Zusammenarbeit angesprochen: Wir merken von dieser Einladung leider nichts. Am 20. März haben wir als SPÖ im Sozial­ausschuss genau das eingebracht, was Sie mit den vier Punkten heute angesprochen haben. Herr Bundeskanzler, Sie haben drei Hauptziele formuliert – dann bin ich eh schon fertig –: Pflegende noch besser unterstützen, bedarfsorientiertes Angebot auf­stellen, Ausbildung des Pflegepersonals – das sind die drei Hauptpunkte der Bundes­regierung. Wir als SPÖ haben all diese Ziele formuliert, Sie haben dem nicht zuge­stimmt, Sie haben das wieder vertagt! (Abg. Gödl: Das ist ein parteipolitisches Spiel!)

Jetzt gibt es hier heute eine riesengroße Chance. Es gibt ein Koalitionsabkommen, in dem Sie sich auf Seite 119 ganz klar gegen eine Pflegeversicherung aussprechen, und wir alle können heute hier im Hohen Haus gemeinsam den ersten Pflock einschlagen und sagen: Wir wollen keine Angst machen, wir wollen keine Verunsicherung ausüben. Wir alle, alle Parteien hier in diesem Parlament, stehen für ein staatlich finanziertes Pflegesystem. Wenn Sie dazu stehen, stimmen Sie heute dem SPÖ-Entschließungs­antrag zu! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Schieder: So einfach ginge es! Zustimmen ...!)

15.34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte.