16.22

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, Herr Kollege Scherak, ich stehe zu dem, wie ich im Wahlkampf in Bezug auf die Abschaffung des Pflegeregresses abgestimmt habe. Würde es heute eine Abstimmung geben, würde ich wieder so abstimmen wie im Herbst 2017. (Beifall bei JETZT und SPÖ.) Wenn ich Ihnen aber zuhöre, Herr Scherak, so vermisse ich Lösungsansätze für die Finanzierung des Pflegesystems. Oder habe ich schlecht zugehört? – Das glaube ich nicht. Sie haben nur Herrn Landeshauptmann Doskozil kritisiert und gesagt, er glaube, das Geld komme aus dem Bankomaten.

Diskutieren wir bitte ernsthaft! Wir stehen wirklich vor einem ernsthaften Problem, vor einem demografischen Problem, das es zu lösen gilt. Das ist eine große Heraus­forderung. Die langfristigen Schätzungen zeigen, dass wir kein Problem mit der Pen­sionsfinanzierung haben. Das ist vernachlässigbar. Da werden die Ausgaben sehr langfristig, bis 2060, von 14 auf 14,5 Prozent des BIP steigen – um einen halben Prozentpunkt. Das ist nicht nichts, aber das ist bewältigbar. Die Ausgaben für die Pflege aber werden bis 2060 von derzeit rund 1,8 Prozent auf 3,4 Prozent des BIP ansteigen. Da geht es um andere Dimensionen. Das sind um 1,6 Prozentpunkte mehr, als wir heute dafür ausgeben, und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Ich gebe ja dem jetzt nicht mehr anwesenden Herrn Bundeskanzler recht: Es ist ein Problem, das nicht dazu geeignet ist, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. Was aber macht Herr Bundeskanzler Kurz im nächsten Atemzug? – Im nächsten Satz schiebt er die Schuld dafür, dass wir keine Lösung für die Finanzierung der Pflege haben, der SPÖ zu und tut so, als wäre die ÖVP nicht seit 1986 in der Bundes­regierung und damit in politischer Verantwortung für die Lösung dieses Problems. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Werfen wir einen Blick in das Regierungsprogramm, dort steht klipp und klar drinnen: Wir bekennen uns zu einer Steuerfinanzierung, das heißt zu einer solidarischen Finan­zierung des Pflegesystems. Vergangene Woche hat es einen Pflegegipfel gegeben, da hörte sich das schon ganz anders an; auch Kollege Wöginger hat es ja heute etwas anders gesagt. Herr Kollege Wöginger hat gesagt: Wir wollen uns alle Modelle anschauen! – Ja, wie lange wollen wir uns noch Modelle anschauen? (Zwischenruf des Abg. Gödl.) Wir wollen Studien in Auftrag geben! – Dazu gibt es zig Studien vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Herr Kollege, Sie müssen es sich nur einmal anschauen, es lesen, und dann müssen Entscheidungen getroffen werden! (Beifall bei JETZT. – Abg. Gödl: Alles gelesen!)

Was Sie wollen, ist eine Verschleppung, und demgegenüber sagte Frau Bundes­minis­terin Hartinger-Klein vor dem Gipfel, eine private Pflegeversicherung dürfe sicher nicht kommen – da bin ich ganz bei Ihnen –; entweder müsse die Pflege steuerfinanziert oder ähnlich wie die Sozialversicherung finanziert werden. Auch da bin ich ganz bei Ihnen, denn ich bin der Ansicht, dass die Finanzierung des Pflegesystems eine öffentliche Aufgabe ist, die auch öffentlich finanziert werden muss.

Wenn Herr Kollege Wöginger einen breiten Diskussionsprozess einfordert: Dafür bin ich auch, aber für einen wirklich breiten Diskussionsprozess unter Beteiligung aller, keine politische Inszenierung, wie wir sie beim Pflegegipfel letzte Woche erlebt haben. (Abg. Gödl: Sie waren ja gar nicht dort! Sie waren ja gar nicht dabei! Sie haben gefehlt!) Inszenierungen zu machen und keine Lösungen anzubieten ist überhaupt das Kennzeichen dieser Regierung. Welche Lösung hat der Herr Bundeskanzler in Aussicht gestellt? Das ist ja dasselbe wie bei der Steuerreform, schauen Sie her: Da ist in Mauerbach etwas beschlossen worden, das ist so unkonkret, da ist etwas ange­kündigt worden, aber bis heute wissen wir nicht, wie das umgesetzt werden soll. Ganz ähnlich erlebe ich das im Zusammenhang mit der Pflegefinanzierung.

Es muss also eine solidarische Pflegefinanzierung sein. Und was kommt da infrage? – Natürlich kommen da die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer ebenso wie eine Vermögensteuer infrage. (Abg. Schellhorn: Wir haben kein Einnah­men-, sondern ein Ausgabenproblem!) Und warum? – Dafür gibt es mehrere gute Gründe: Wir haben in Österreich ein Steuerstrukturproblem, das heißt, die Steuern auf Arbeit sind zu hoch, die Steuern auf Vermögen sind zu niedrig. Das kann man durch Steuerstrukturverschiebungen ausgleichen.

Wir haben eine extreme Ungleichverteilung von Vermögen, sie ist etwa ähnlich un­gleich wie in den USA: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung besitzen zwei Drittel des gesamten Nettovermögens. Wenn wir bei der Wiedereinführung einer Erbschafts­steuer einen Freibetrag in der Größenordnung von 500 000 Euro vorsehen, dann be­ziehen wir uns dabei auf die reichsten 10 Prozent des Landes; die untersten 90 Pro­zent des Landes werden dabei steuerfrei gestellt. Eine Erbschaftssteuer ist also ein wichtiger Baustein zur Finanzierung des Pflegesystems, die – und das ist unverzicht­bar – solidarisch erfolgen muss. Aus diesem Grund werde ich natürlich auch dem Antrag der SPÖ zustimmen.

Wenn es darum geht, rasch zu handeln, dann hätte man das heute schon machen können. Wir hätten heute hier in diesem Haus über einen Initiativantrag von mir, der vergangenen Mittwoch im Sozialausschuss behandelt wurde, abstimmen können. Es war ein Antrag auf Valorisierung des Pflegegelds. Dieser Antrag wurde mit den Stim­men von FPÖ und ÖVP vertagt. Vonseiten der FPÖ wundert es mich, weil die FPÖ ja früher, als sie noch nicht in der Regierung war, zahlreiche Anträge auf Valorisierung des Pflegegelds gestellt hat. Jetzt aber, wo Sie in der Regung sind und das umsetzen könnten, wollen Sie nichts mehr davon wissen.

Das Schlimme an der Vertagung meines Antrages ist, dass am selben Tag eine Sitzung des Verfassungsausschusses stattgefunden hat, in der beschlossen wurde, die Parteienförderung zu valorisieren. Das halte ich wirklich für eine Riesensauerei (Beifall bei JETZT), die klar zeigt, worauf Sie in dieser Bundesregierung hinauswollen. Sie wollen nicht den Menschen, die in Not sind, die zu pflegen sind, und deren Ange­hörigen helfen; nein, es geht Ihnen um pralle Parteikassen – in einem Land, in dem die Parteienförderung ohnehin viel zu hoch ist und in dem wir eine Parteispendensituation haben, die intransparent ist wie in wenigen anderen Ländern. Das ist es, worum es Ihnen geht, aber nicht um Hilfe für Menschen, die in Not sind.

Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Valorisierung des Pflegegeldes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung soll sicherstellen, dass das Pflegegeld spätestens ab 2020 jährlich entsprechend des Verbraucherpreisindex valorisiert wird.“

*****

Sie haben also heute hier noch einmal die Chance, diesem Antrag zuzustimmen, und ich fordere Sie auf, das zu tun.

Im Übrigen werde ich neuerlich einen Initiativantrag einbringen, mit dem ich auf eine Valorisierung des Pflegegelds hinauswill. Ich werde in dieser Situation nicht locker­lassen. (Beifall bei JETZT.) Ich will nicht, dass Sie auf der einen Seite eine Valo­risierung der Parteienförderung beschließen, aber auf der anderen Seite den Men­schen nicht geben wollen, was ihnen zusteht, und jenen Menschen, die in Not sind, nicht helfen wollen.

Schauen wir uns an, was die Nichtvalorisierung des Pflegegelds bedeutet: in der Pflegestufe 7 gegenüber 2015 ein Verlust von 100 Euro, seit 1993 ein Verlust von 600 Euro. Das ist viel Geld für diese Menschen. Ich verstehe das ehrlich gesagt nicht, und daher fordere ich Sie auf, diesem Antrag hier und heute zuzustimmen und die Lösung oder zumindest eine Teillösung hinsichtlich der Finanzierung des Pflege­sys­tems nicht weiter zu verhindern. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

16.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

betreffend die Valorisierung des Pflegegeldes

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag betreffend „Die Bundes­regierung muss Farbe bekennen: Solidarische Finanzierung aus den öffentlichen Budgetmitteln statt neuer Belastungen durch eine Pflegeversicherung“ in der 66. Sit­zung des Nationalrates

Begründung

Am 20.03.2019 wurde ein Antrag (563/A) zum Pflegegeld und dessen automatischer Anpassung an die Inflation im Sozialausschuss diskutiert, am Ende jedoch mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt. Am selben Tag stimmten die Regierungs­parteien im Verfassungsausschuss für eine automatische Anpassung an die Inflation, nämlich jene der Parteienförderung. Im zugehörigen Antrag (619/A) wird diese Politik für die eigene Tasche damit gerechtfertigt, dass eine Erhöhung der Parteienförderung seit 2015 ausgeblieben ist.

Doch auch die Höhe des Pflegegeldes wurde zuletzt mit dem BGBl. I Nr. 12/2015 angepasst. Um der seither verzeichneten Steigerung des Verbraucherpreisindex auch Rechnung zu tragen, müssten in der höchsten Pflegestufe mittlerweile bereits 100 Euro mehr bezogen werden. Berücksichtigt man die Entwicklung des Verbraucherpreisindex seit der Einführung des Pflegegeldes 1993, müsste der Auszahlungsbetrag in der höchsten Pflegestufe sogar um 600 Euro höher liegen, um die seither eingetretenen Kaufkraftverluste auszugleichen.

Die Bundesregierung befindet sich also auf einem Scheideweg. Entweder ihr ist die gepredigte Entlastung der Menschen ein Anliegen und sie entschließt sich für die überfällige Wertsicherung des Pflegegeldes, oder aber sie beschränkt sich auf die ent­behrliche Valorisierung der in Österreich ohnehin weit überhöhten Parteienförderung, Obergrenzen für Wahlkampfkosten und Spendenoffenlegungen – eine Valorisierung, die bloß der intransparenten Finanzierung politischer Apparate zugutekommt. An dieser Stelle offenbart sich das wahre Verständnis von sozialer Gerechtigkeit in diesem Haus.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung soll sicherstellen, dass das Pflegegeld spätestens ab 2020 jährlich entsprechend des Verbraucherpreisindex valorisiert wird.

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Abgeordnete Sandler zu Wort. – Bitte.