10.44

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Geschätztes Publikum auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Ich muss sagen, nach dem, was Sie jetzt be­richtet haben, Herr Innenminister – einiges war ja medial bekannt, anderes mir persön­lich nicht so –, bin ich noch entsetzter als zuvor. Es war Marcellus in „Hamlet“, der die Umstände in Dänemark mit dem berühmt gewordenen Satz: „Something is rotten in the state of Denmark“ charakterisiert hat. Die Umstände heute in Österreich lassen einen ähnlichen Satz zu: Da ist etwas faul im Staate Österreich – aber ordentlich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Das Gespenst des Rechtsextremismus droht in diesem Land zu einer realen Plage zu werden. (Ruf: Warum?) Die Gefahr von rechtsextremem Terror ist real, und das ver­wundert nicht, denn, Herr Innenminister, was haben Sie für die letzten eineinhalb Jahre zu verantworten? – Sie haben das BVT erwähnt, aber sollte es wieder funktionieren, ist es nicht Ihr Verdienst, denn kurz nach Ihrem Amtsantritt, Herr Kickl, haben Sie eine illegale Razzia initiiert, bei der diese Behörde lahmgelegt worden ist. Sie, Herr Kickl, haben zu verantworten, dass die Leiterin des Rechtsextremismusreferats aus dem Amt gemobbt werden sollte (Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja gar nicht!) und auch der Leiter des BVT aus dem Amt gemobbt werden sollte. Sie haben zu verantworten, dass wir inter­national isoliert waren. Ich frage Sie: War das Ihre Absicht, Herr Kickl, dass Sie das ge­macht haben? (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Und das alles ist passiert, während in Deutschland gegen ein rechtsextremes Netzwerk ermittelt wurde, wo – Sie haben es erwähnt – Todeslisten mit Namen von Menschen geführt wurden, die anderer politischer Auffassung waren, wo man sich auf den Tag X vorbereitet hat, an dem man mit Waffengewalt die Macht ergreift und seine politischen Gegner umbringt.

Das war nicht nur irgendein Netzwerk, es war ein Netzwerk in den innersten Sicher­heitsstrukturen der Bundesrepublik Deutschland, und Spuren haben eindeutig auch nach Österreich geführt. Gerade in dieser Zeit, Herr Kickl, haben Sie uns de facto wehrlos gemacht. Das war Ihre Leistung in den letzten eineinhalb Jahren, und das muss man hier auch einmal festhalten, Herr Kickl! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Ich frage Sie: Wo gab es in dieser Zeit die österreichische Ermittlungen? – Ich fürchte, sie haben nicht stattgefunden; und das alles, als sich langsam herausgestellt hat – und das ist ja das für mich überhaupt Unbegreiflichste –, dass dieser Christchurch-Atten­täter nicht nur in Österreich war, sondern scheinbar – beziehungsweise nicht schein­bar, sondern jetzt weiß man es – die Identitäre Bewegung unterstützt hat.

Das ist jene Bewegung – und da schaue ich jetzt Sie von der FPÖ an –, die nicht nur von vielen FPÖ-Funktionären sehr freundlich behandelt wurde (Zwischenruf des Abg. Deimek); das ist jene Identitäre Bewegung, die von Ihnen, Herr Vizekanzler, auf Face­book hofiert wurde – Sie haben das Posting jetzt gelöscht, aber Sie haben es ge­macht –, jene Identitäre Bewegung, Herr Vizekanzler (Abg. Gudenus: Da spricht die Salafisten-Partei!), mit deren Mitgliedern Sie in der Südsteiermark im Gasthaus geses­sen sind, und jene Identitäre Bewegung, Herr Innenminister, bei der Sie mit großer Be­geisterung eine Rede gehalten haben und – das man muss auch sagen – jene Iden­titäre Bewegung, die anscheinend Kontakte in höchste Regierungsstellen in Österreich hat, während der Bundeskanzler bis jetzt kein Wort der Kritik an diesen Kontakten gefunden hat. Das muss man auch einmal festhalten. (Beifall bei SPÖ und JETZT.) Herr Bundeskanzler, Sie sind hier mitverantwortlich!

Unter diesen Umständen ist es klar, dass das Parlament aktiv werden muss, weil das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Regierung in dieser Causa nicht mehr gegeben ist. Die Öffentlichkeit ist erschüttert. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Ja, Sie lachen darüber, aber dann lesen Sie einmal Zeitungen und schauen Sie, was die Menschen empfinden: Die haben inzwischen Angst vor Rechtsextremismus, und da gibt es nichts zu lachen. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Gudenus: Das ist so peinlich!)

Deshalb hat dieses Parlament den Herrn Innenminister gebeten, zu kommen, deshalb ist der Unterausschuss des Innenausschusses eingesetzt worden, und deshalb tagt der Nationale Sicherheitsrat: weil diese Situation eine Gefahr für die nationale Sicher­heit Österreichs ist, geschätzte Damen und Herren, und die haben Sie mitzuverantwor­ten. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Wenn es Todeslisten gibt, wenn es Vorbereitungen für den Tag X gibt, wenn Rechts­extreme die staatlichen Institutionen unterwandern, ist es Zeit, dass der Rechtsstaat mit all seinen Mitteln zurückschlägt, geschätzte Damen und Herren, und das ist Ihre Verantwortung. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

An dieser Verantwortung wird Sie die Geschichte messen. Diese Bundesregierung wird an dieser Verantwortung gemessen werden, und ich hoffe in unser aller Interesse, dass Sie da nicht scheitern, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Wir bieten aber auch unsere Unterstützung an (Ruf bei der FPÖ: Danke!), und deshalb stellen wir einen Entschließungsantrag, den ich nun einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umge­hende Einsetzung einer Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremis­tischen Terrors in Österreich – Berichterstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenheiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, um­gehend eine Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich einzurichten, welche längstens bis 30. Juni dieses Jahres einen Bericht an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorlegen soll.“

*****

Wenn Sie gegen rechtsextremen Terror auftreten wollen, werden Sie heute an dieser Resolution und Ihrer Unterstützung gemessen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie der Abg. Bißmann.)

10.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leichtfried,

Genossinnen und Genossen

betreffend „umgehende Einsetzung einer Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich – Berichterstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenheiten“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundesministers für Inneres über „Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroranschlags in Neuseeland“

Die Aussagen einer Reihe von Expertinnen und Experten zum Thema Terrorismus ha­ben gezeigt, dass in Europa eine aktuelle Bedrohung durch rechtsextremistische Netz­werke latent vorhanden ist. Während im Nachbarland Deutschland dies erkannt wurde und umfangreiche Ressourcen für die Beobachtung und Bekämpfung dieser Gefahr in­vestiert werden – so wurden die Personalressourcen in diesem Bereich um 50 % er­höht –, ist in Österreich nicht erkennbar, dass angesichts dieser Bedrohung und auch der jüngsten Ereignisse entsprechend reagiert wird. Vielmehr wurde in der Diskus­sionssendung „Im Zentrum“ am 24. März dieses Jahres durch den Leiter des BVT Pe­ter Gridling bekannt, dass dem BVT keine Ressourcen im Bereich von Ermittlerinnen und Ermittlern für Social-Media-Aktivitäten zur Verfügung stehen, obwohl alle Expertin­nen und Experten der Überzeugung sind, dass gerade in diesen Foren die Netzwerke gebildet werden und dort der inhaltliche Austausch stattfindet.

Auch bei der Einvernahme von Auskunftspersonen im laufenden BVT-Untersuchungs­ausschuss werden solche Sachverhalte laufend bekannt. Es sollen daher im Rahmen dieser Sonderkommission und deren Berichterstattung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten auch Vorschläge formuliert werden, in welche Ressourcen investiert werden muss, um die rechtsextremen Netzwerke, die auch Österreich betreffen, zu zerschlagen. Diese Berichterstattung soll längstens bis 30. Juni dieses Jahres erfolgen. Damit hätte der Ausschuss für innere Angelegenheiten die notwendigen Informationen, um allfällige Gesetzesinitiativen voranzutreiben sowie budgetäre Vorschläge zu erstat­ten.

Welche wertvolle Arbeit eine solche Sonderkommission leisten kann, zeigt der Bericht der Sonderkommission Brunnenmarkt, der klare Empfehlungen aus den Erkenntnissen seiner Arbeit formuliert hat und diese auch transparent der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, um­gehend eine Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich einzurichten, welche längstens bis 30. Juni dieses Jahres einen Bericht an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorlegen soll.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.