11.21

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Vi­zekanzler! Geschätzte Regierungsmitglieder! Die Gefahr, die von Rechtsextremismus ausgeht, wurde viel zu lange unterschätzt. Sie, Herr Innenminister, haben uns hier im Plenum erklärt – und ich zitiere wörtlich –: „die Begriffe Rechtsextremismus, Neonazi – alles Dinge, die unsere Rechtsordnung im Übrigen in der Form als Straftatbestände nicht kennt“. – Auch wenn Sie formell recht haben, so ist diese Aussage inhaltlich völlig verfehlt und äußerst bedenklich. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Dass das Verbot des Neonazismus oder der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn sogar in Verfassungsrang steht, wissen wir alle. Sind Sie etwa der Meinung, Herr In­nenminister, dass wir nichts gegen Rechtsextremismus tun sollten? (Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Ruf bei der FPÖ: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Steinacker: Die Rede ist vorbereitet, da kann ...!) Meines Erachtens, unseres Erachtens sollten wir uns alle mit aller Kraft und entschieden gegen jegliche Form von Extremismus zur Wehr setzen, und dazu gehört auch der Rechtsextremismus. Wir haben gestern entspre­chende Anträge eingebracht, die allesamt abgelehnt wurden.

Der Terror in Neuseeland hat uns vor Augen geführt, welche Gefahr von Rechtsextre­mismus ausgeht, welche Gefahr von dieser Ideologie ausgeht. Der Täter, der Terrorist in Neuseeland, war von der rechtsextremen Szene in Europa und auch in Österreich inspiriert. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die sogenannte weiße Rasse vor dem – unter Anführungszeichen – „großen Austausch“ zu schützen. Er will die – unter Anfüh­rungszeichen – „weiße Rasse“ vor den Andersgläubigen schützen, allen voran vor Muslimen, vor Afrikanern, vor Asiaten. Der Täter in Neuseeland hat diese Ideologie so verinnerlicht, dass er nicht davor zurückgeschreckt ist, auf Kinder zu schießen, auf Fa­milien zu schießen, auf Menschen zu schießen, die in ihrem Gotteshaus beten. Er hat sie auf brutalste Art und Weise ermordet, weil für ihn diese Personen keine Menschen waren.

Diese Ideologie, meine Damen und Herren, hat keinen Platz in Europa, und sie hat auch keinen Platz in Österreich! (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Genau diese Ideologie wird aber von sogenannten neuen Rechten be­feuert, und zu diesen neuen Rechten gehört auch die Identitäre Bewegung Österreich. Sie ist in Europa sehr gut vernetzt, und ihre Vernetzung reicht auch bis zu den höchs­ten politischen Ämtern – auch in Österreich. (Abg. Hauser: Ah geh! – Abg. Höbart: Bis zum Bundespräsidenten! Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch in Österreich werden ihre Inhalte und ihre Ideologie bereitwillig verbreitet.

Ich erinnere nur an den Ministerratsvortrag im Oktober letzten Jahres, als es um den UN-Migrationspakt gegangen ist. Da wurde ja sogar die Übersetzung dieses Migra­tionspakts, die von den Identitären selbst stammt, verwendet, und nicht die offizielle Übersetzung – die Übersetzung der Identitären!

Ich möchte daran erinnern, dass beispielsweise auch Abgeordneter Gudenus von einer systematischen Umvolkung gesprochen hat. Genau damit verbreiten Sie, liebe Abge­ordnete, Angst in Österreich und spalten die Gesellschaft.

Ich erinnere aber nicht nur an Abgeordneten Gudenus. Innenminister Kickl hat sich im Jahr 2016 bei einem Kongress, dem Kongress Verteidiger Europas, zu Wort gemeldet und dort eine Starrede gehalten. Dieser Kongress Verteidiger Europas ist – ich möchte es einmal kurz sagen – ein Treffen von Rechtsextremen, bei dem sich selbsternannte Retter des Abendlandes gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völ­ker versammeln und sich gegenseitig befeuern. Unterstützt und begleitet wurde dieses Treffen von Publikationsplattformen, zum Beispiel „Info-direkt“ oder unzensuriert.at, die heute mit Steuergeld aus FPÖ-geführten Ministerien gesponsert werden.

Bei Ihrer Rede, Herr Innenminister, bei diesem Kongress der rechtsextremen Verteidi­ger Europas, haben Sie sich gefreut – und ich zitiere wörtlich – „unter Gleichgesinnten“ zu sein. – Wollen Sie uns vielleicht heute erklären, zu welchen Gleichgesinnten Sie sich zählen? Wer sind denn diese Gleichgesinnten? (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Ich zitiere weiter aus Ihrer Rede, Sie haben gesagt: Es ist „ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich mir das vorstelle“. Dann erzählen Sie weiter: „Wir können tun und machen, was wir wollen“. Weiters sagen Sie bei diesem Treffen der Rechtsextre­men: Aber wir müssen diesen Kampf offensiv aufnehmen – das sind Ihre Worte! – und dürfen uns hier keinen Millimeter zurückdrängen lassen! Der Widerstand muss von uns allen überall mit gleicher Vehemenz geführt werden! – Zitatende.

Haben Sie, Herr Innenminister, tatsächlich vor Rechtsextremen zum Kampf aufgeru­fen? Zum Kampf gegen wen? Wollen Sie uns das vielleicht heute erklären? (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!) Sie haben dazu aufgerufen, dass dieser Widerstand mit gleicher Vehemenz geführt werden soll. – Um welche Vehemenz handelt es sich denn?

Weiters haben Sie gesagt, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstan­des sei ein „Verein, der an der Spitze der sogenannten Skala der unnötigen Vereine steht“. (Beifall und Bravoruf des Abg. Gudenus. – Ruf bei der SPÖ: ... klatschen?! – Abg. Gudenus: ... ja richtig!) Ist das Ihr Ernst? Ist das der Verein, gegen den Sie Eu­ropa verteidigen wollen? Oder sind es vielleicht die Schutzsuchenden, die Migranten, sind es Andersgläubige, gegen die Sie Europa verteidigen wollen?

Menschen, die zu uns kommen, bezeichnen Sie von der FPÖ als Invasoren. Auch Sie, Herr Minister Hofer, haben erwähnt, dass Menschen, die zu uns kommen, Invasoren sind. Auch Sie, Vizekanzler Strache, haben gesagt, dass Menschen, die zu uns kom­men, Invasoren sind. – Das sind alles Begriffe, die zum Kampf aufrufen. Der Duden de­finiert Invasion als ein „feindliches Einrücken von militärischen Einheiten in fremdes Gebiet“. – Befinden wir uns im Kriegszustand? Wie rufen Sie Ihre Gleichgesinnten auf, sich gegen Invasoren zu wehren? Sind Sie bereit – und ich stelle diese Frage an Sie alle hier –, zu akzeptieren, dass gewalttätig gegen Menschen vorzugehen ist, die Sie als Invasoren bezeichnen? Wenn Sie es nicht sind, dann müssen Sie das hier offen bekennen! (Abg. Stefan: Geh bitte! Das ist doch unerhört, so ein Vorwurf! – Zwischen­rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das war eine Frage! – Abg. Stefan:... ein Vor­wurf! Wir müssen uns ...!)

Diese Art, über Menschen zu sprechen, werte Abgeordneten, kennen wir nur allzu gut. Schauen Sie sich um! Schauen Sie sich in der Geschichte um! Schauen Sie sich um, wie in den 1920er- und 1930er-Jahren über Andersgläubige gesprochen wurde und wozu das geführt hat! (Abg. Stefan: Sie sind Juristin! Sie müssen das schon ordentlich formulieren!) Schauen Sie sich um! Sie brauchen gar nicht so weit zurückzugehen, bleiben wir in Europa: Schauen Sie sich die Reden an, die zehn Jahre vor dem Jugos­lawienkrieg von Politikern gehalten wurden! Schauen Sie sich an, welche Sprache, welche Worte, welche Reden dazu geführt haben, dass Nachbarn gegen Nachbarn aufgehetzt wurden, dass Familienmitglieder gegen Familienmitglieder aufgehetzt wur­den!

Man hat damit angefangen, die Gesellschaft in ein Wir und ein Sie aufzuspalten, dann hat man gesagt, die anderen gehören nicht dazu, sie sind Invasoren. Dann hat man angefangen, aufzurüsten, und dann hat man zum Kampf aufgerufen; dann hat man ge­sagt, man muss zu den Waffen greifen, um sich gegen diese anderen zu verteidigen.

Das, meine Damen und Herren, will ich nicht in Österreich haben! Ich will das nicht in Europa haben! (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit unsere Gesellschaft nicht aufge­spalten wird, damit andere Menschen nicht als Invasoren bezeichnet werden und damit morgen nicht zu den Waffen gegriffen wird. Ich werde alles tun, damit unsere Kinder nicht einen Krieg erleben, wie ich ihn erleben musste, sondern in Frieden und Freiheit aufwachsen. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei JETZT und SPÖ, bei Abgeordne­ten der NEOS sowie der Abgeordneten Bißmann und Dönmez.)

11.30

Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Gudenus. – Bitte. (Abg. Lindner – in Richtung des am Weg zum Rednerpult kurz mit Bundesminister Hofer sprechenden Abg. Gudenus –: Die letzte ... abgeholt!)