11.40

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Innen­minister! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Es ist wirklich schwer, nach dieser Rede des Kollegen Gudenus Worte zu finden (Beifall bei der SPÖ – Abg. Gudenus: Ja genau! – Abg. Martin Graf: Weil er alles ge­sagt hat!), aber ich möchte ganz bewusst, weil es, so wie es notwendig ist, in dieser Form heute noch nicht getan wurde, der 50 unschuldigen Opfer von Christchurch hier auch seitens des Hohen Hauses und der Sozialdemokratie gedenken (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Kollege Amon!) und vor allem ihren Angehörigen unser Mitgefühl ausspre­chen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Kitzmüller: Amon hat das schon gesagt! – Abg. Rosenkranz: Das war zu wenig!)

Ich würde Sie auffordern, hier einige Sekunden im Gedenken an diese unglaubliche Tat innezuhalten! (Die Rednerin schweigt für einige Sekunden.)

Sehr geehrter Klubobmann Rosenkranz, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede begin­ne, möchte ich noch Folgendes sagen: Ich erachte es als wirklich unglaubliche, ja inak­zeptable Entgleisung, dass Sie hier unser Staatsoberhaupt, den Bundespräsidenten in eine vermeintliche Nähe zum oder in einen Zusammenhang – durch das Bild, das Sie hier an diesem Rednerpult gezeigt haben (Rufe bei der FPÖ: Aber umgekehrt geht es! – Abg. Gudenus: Unglaublich! – Ruf bei der FPÖ: Peinlich!) – mit dem Rechts­extremismus in diesem Land bringen. Ich erachte das als inakzeptabel. Ich erwarte mir, dass Sie dem Staatsoberhaupt dieser Republik hier mit allem Respekt begegnen, wie wir alle das tun, und ich erwarte mir, dass Sie sich dafür entschuldigen! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Kassegger: ... Vizekanzler dieser Republik ...!)

Ja, wir haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, dass in Österreich Rechts­extremismus nicht nur in der öffentlichen Debatte, im Diskurs um sich greift. Nein, das Problem ist konkreter, das Problem ist real. Das Problem sind rechtsextreme Netzwer­ke, die eine echte Gefahr darstellen. Das Problem ist auch, dass wir einen FPÖ-Innen­minister haben, der da offenbar im Vorfeld nichts unternommen hat (Abg. Hauser: So ein Blödsinn! Das ist unerträglich!), der in den letzten 15 Monaten offenbar seinen Bei­trag geleistet hat, dass unser Schutz gegen diese rechtsextremen Netzwerke sogar geschwächt wird; ein Innenminister, der durch die vermeintliche Nähe seiner eigenen Fraktion zu diesen Netzwerken auch eine fragwürdige Glaubwürdigkeit in der Aufklä­rung und Untersuchung dieser Netzwerke hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten von NEOS und JETZT. – Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Wahnsinn!)

Wir haben in den letzten Wochen auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie seit sechs Wochen jegliche Aufklärung betreffend den tragischen Mordfall in Dornbirn ver­weigern, Herr Innenminister. Sie haben von uns dazu zehn Fragen gestellt bekommen, um Klarheit zu schaffen; aber seit sechs Wochen haben Sie keine einzige Frage dazu beantwortet – keine einzige! (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das sind sechs Wochen, in denen Sie als für die Sicherheit zuständiger Minister dieses Landes offenbar jegliche Verantwortung dafür von sich weisen. Und Sie machen es erneut, wie Sie es immer in solchen Situationen machen: tarnen, täuschen und mit dem Finger auf andere zeigen.

In diesem Fall schieben Sie die Verantwortung auf den Vorarlberger Landeshauptmann Wallner. Ich verstehe den Landeshauptmann nur allzu gut, dass er Ihre Suppe nicht auslöffeln möchte, Herr Minister Kickl. Ich frage mich: Wo ist genau da die ÖVP und wo ist der Herr Bundeskanzler? Wollen Sie (in Richtung ÖVP) das zulassen? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wollen Sie zulassen, dass Ihr Innenminister die Verantwortung auf einen Landeshauptmann schiebt, Ihren Parteifreund und Kollegen, der da eingetunkt wird?

Ja, Herr Innenminister, wissen Sie, das perfide daran ist, dass Sie zuallererst einmal angeblich nicht verantwortlich sind, und dann gehen Sie noch weiter. Sie haben diesen tragischen Fall zum Anlass genommen, um über eine sogenannte Sicherungshaft in Österreich zu diskutieren (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl – Zwischen­ruf des Abg. Martin Graf) beziehungsweise in diesem Land diskutieren zu lassen. (Abg. Hauser: Ist auch gut!)

Wie immer: tarnen und täuschen. Anstatt zu untersuchen und Fakten zu schaffen (Bun­desminister Kickl: Doskozil ...! – Zwischenruf des Abg. Neubauer), treten Sie in eine höchst emotionale Debatte ein (Abg. Stefan: Wie ist das mit dem Doskozil?), brechen diese öffentlich vom Zaun und lehnen sich wie immer – wie auch jetzt – zurück. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Reden Sie da mit dem Doskozil darüber? – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ja, Herr Kickl kann zufrieden sein. Wieder einmal hat er die Verantwortung von sich geschoben, und das Land diskutiert. (Abg. Gudenus: Doskozil!)

Sie wissen, es gibt jüngste mediale Recherchen, die deutlich zeigen: Sie haben in der Frage Dornbirn völlig versagt. Es sind zahlreiche Expertinnen und Experten – und Sie wissen es –, die meinen, man hätte den mutmaßlichen Täter rechtzeitig in Haft neh­men können. Die rechtlichen Instrumente müssen nicht erst geschaffen werden, nein, wir haben sie bereits, Herr Innenminister! (Abg. Herbert: Das ist aber spannend! Nach welcher gesetzlichen Bestimmung wäre denn das möglich gewesen, Frau Kollegin?) Ja, ein neues Gesetz alleine sorgt nicht für ein Mehr an Sicherheit. Es braucht funktio­nierende Behörden, und es braucht einen Innenminister, der nicht wegschaut. (Zwi­schenruf des Abg. Gudenus.)

Der Mord in Dornbirn erschüttert bis heute die Öffentlichkeit, und Ihre Untätigkeit schafft jeden Tag immer mehr Verunsicherung, eine Verunsicherung, die Sie zu verantworten haben. Und die Frage ist: Warum? Warum wollen Sie nicht aufklären? Was gibt es da zu verbergen? – Keine Antwort, nur laut Sicherungshaft schreien! (Bundesminister Kickl – in Richtung SPÖ –: Sie sollte zur Sache kommen, oder!?) Auch das dient nur einem Zweck: tarnen und täuschen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Reden wir doch über ein weiteres massives Sicherheitsproblem, bei dem Sie erneut wegschauen, ein Sicherheitsproblem, das beängstigt (Abg. Gudenus: SPÖ!): die nun bekannt gewordene Verbindung des Christchurchattentäters zu rechtsextremen Netz­werken in Österreich. Diese Frage darf nicht unbeantwortet bleiben, wir fordern Sie auf, da tätig zu werden. (Abg. Stefan: Das hat er schon erklärt! Ich weiß nicht, ob Sie zugehört haben! Genau das hat er erklärt! Interessant, dass Sie das fordern, was er eh schon erklärt hat!) Wir fordern Sie auf, eine unabhängige und transparente Aufklärung des Dornbirner Mordfalls sicherzustellen. (Zwischenruf bei der ÖVP: Die Rede war schon vorher geschrieben!) Die Menschen haben ein Recht darauf. Wer da untätig bleibt, ist eine Gefahr für dieses Land und ist eine Gefahr für die Menschen. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei NEOS und JETZT. – Abg. Wöginger: Die Rede war für den Beginn geschrieben!)

11.47

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­toph Zarits. – Bitte.