11.50

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr In­nenminister! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein Mann hat vor 14 Tagen 50 Menschen ermordet. An dem Massenmord in Christchurch sehen wir, was auf die Spitze getriebener paranoider Hass und Rechts­extremismus anrichten können – eine Ideologie, die durchtränkt ist von Hass und Hetze gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Kultur, anderer Sprache, ande­rer Religion. An dem Massenmord in Christchurch sehen wir, dass sich auch in gefes­tigten Demokratien rechtsextremes Gedankengut unbemerkt verbreiten und zu Taten mit vielen Opfern führen kann.

Wir müssen daher auch in Österreich wachsam sein, nicht erst seit wir wissen, dass der Massenmörder von Christchurch an den Obmann der Identitären Bewegung Öster­reich Martin Sellner gespendet hat. Es bestehen auch inhaltliche Verbindungen. Der Attentäter teilte ein Manifest mit dem Titel „The Great Replacement“ – der große Aus­tausch –, ein Slogan, den auch die Identitäre Bewegung verwendet. Und da ist der Punkt, an dem wir als Opposition gegenüber den Regierungsparteien wachsam wer­den müssen, denn ähnlicher Slogans bedienen sich auch Strache und andere FPÖ-Politiker in teils abgewandelter Form. „Bevölkerungsaustausch“ – in Anführungszei­chen – ist lediglich eine moderne Variante des NS-Begriffs der Umvolkung. Wir haben also mit der FPÖ eine Partei in der Regierung, die mit der Identitären Bewegung ver­flochten ist.

Ja, der Vizekanzler hat gestern gemeint, die FPÖ hätte mit den Identitären nichts zu tun. Das behaupteten auch Sie noch, Herr Innenminister, als FPÖ-Generalsekretär in den sozialen Medien. Der Vizekanzler und seine Aussagen zeugen eher von Vergess­lichkeit, denn er hat als Parteichef der FPÖ noch vor ein paar Jahren öffentlich via Facebook viel von Identitären geteilt und Loblieder auf sie gesungen. (Die Rednerin hält Ausdrucke der erwähnten Postings in die Höhe.)

Es gibt aber auch noch eine ganze Menge anderer Leute in den Reihen der FPÖ, die sich mit den Identitären pudelwohl fühlen, und da geht es nicht um Zufallsfotos wie das mit dem Herrn Bundespräsidenten. Ich verweise auf Mario Eustacchio (Zwischenruf bei der FPÖ), Grazer Vizebürgermeister, Dominik Nepp, Wiener FPÖ-Gemeinderat, Ger­hard Kurzmann, Dritter Landtagspräsident in der Steiermark, Luca Kerbl, Grazer Be­zirks-FPÖ, Heinrich Sickl, Grazer Gemeinderat, ehemaliger „Aula“-Herausgeber und Vermieter des Identitären-Vereinslokals, sowie den FPÖ-Gemeinderat aus Sollenau Heinz Peter Stanko, der sich sein Facebook-Profilbild mit einem Identitären-Logo (ei­nen entsprechenden Ausdruck in die Höhe haltend) verschönert hat.

Ich verweise auf unseren Kollegen Herrn Zanger (Abg. Yildirim: Aha! Aha!), der am 13. Februar 2016 bei einer Kundgebung der Identitären Bewegung Steiermark (ein entsprechendes Foto in die Höhe haltend) in Judenburg eine Rede hielt. (Hallo-Rufe bei der SPÖ.) Weiteres finden Sie auf FPÖ-Fails unter dem Titel – ich zitiere nur –: „Strache: Die Identitären-Lüge“. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie sehen, liebe Bürgerinnen und Bürger, die Regierungspartei FPÖ ist verflochten mit einer rechtsextremen Bewegung, die auch paramilitärischen Charakter hat und damit verfassungsgefährdendes Potenzial. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Nun wird es absurd, denn für unseren Schutz vor diesen Gefahren ist Innenminister Kickl zuständig, der als FPÖ-Generalsekretär 2016 beim Kongress Verteidiger Europas mit rechtsextremem Einschlag als Stargast sprach. Leiter der Kommunikationsabtei­lung ist Mag. Marakovits, der Chef der Identitären Bewegung war; er war in das be­rüchtigte E-Mail gegen kritische Medien eingebunden, in dem die Landespolizeidirek­tionen auch aufgefordert wurden, ausländische Straftäter besonders hervorzuheben. – Sie sehen, das passt alles zusammen. Die Kommunikation unserer Sicherheitsbehör­den läuft über die Identitären; so macht man den Bock zum Gärtner.

Die Identitäre Bewegung ist also mit ihrer Wortwahl, ihren Inhalten in den Reihen unse­rer Regierung angekommen, und sie hat mit Herbert Kickl – sagen wir es freundlich – beste Verbindungen zum Sicherheitsapparat. Morgen tagt auf Anregung von uns NEOS mit SPÖ und JETZT der Geheimdienstausschuss. Ich habe schon vorab eine lange Liste an Fragen geschickt, denn nur so, wenn Sie uns die Antworten geben, be­weisen Sie uns, dass Sie es mit Ihrem Versprechen, den Rechtsextremismus im Auge zu behalten und zu bekämpfen, auch ernst meinen.

Der Herr Bundeskanzler vermittelte gestern den Anschein, es mit den Gefahren, die von den Identitären ausgehen, ernst zu meinen und diese ernst zu nehmen. Er verkün­dete die Prüfung der Auflösung des Vereins. Das klingt gut, das klingt nach einer Schlagzeile – gute Schlagzeilen beherrscht unser Bundeskanzler –, doch er glaubt doch nicht ernsthaft, dass sich so eine Sache mit einem kleinen vereinsbehördlichen Bescheid abschließend regeln lässt, abgesehen davon, dass es rechtlich auch nicht möglich sein wird. Ich erinnere hier auch an die Schließung der Moscheen: Da blieb ja auch nur eine Schlagzeile.

Wenn es der Kanzler in der Sache ernst meint, sollte er sich auch substanziell mit Rechtsextremismus in Österreich auseinandersetzen. Und ob er und ihr, liebe ÖVP, es mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus ernst meint, könnt ihr beweisen, wenn ihr unseren Anträgen zustimmt.

In dem einen Antrag fordern wir eine personelle Aufstockung im Extremismusreferat des BVT, damit wir diese rechtsextremen Umtriebe auch im Blick behalten können; im anderen Antrag fordern wir, eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen, in­klusive einem Aussteigerprogramm, gegen Rechtsextremismus zu erarbeiten.

Hinsichtlich Dschihadismus ist die Regierung sehr aktiv, und wir NEOS wollen mit diesen Anträgen dafür sorgen, dass unser Sicherheitsapparat nicht auf dem rechten Auge blind ist; daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausrei­chende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen. Damit soll eine effek­tive, rasche und umfassende Aufklärung der aktuellen Enthüllungen rund um rechts­extreme Netzwerke sowie auch in Zukunft eine engmaschige Informationsgewinnung und Überwachung extremistischer Tendenzen gewährleisten werden.“

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Weiters stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strate­gie gegen Rechtsextremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des ‚bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung‘ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogamme) gegen Rechts­extremismus zu erarbeiten.“

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Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.56

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 68. Sitzung des Nationalrats über über die Er­klärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terror­anschlags in Neuseeland"– TOP 1

Die jüngsten Enthüllungen rund um rechtsextreme Netzwerke in Deutschland, die möglicherweise auch nach Österreich reichen, zeigen, wie wichtig der Kampf gegen Extremismus im Allgemeinen und auch gegen Rechtsextremismus im Besonderen ist. Von diesen Netzwerken geht ein enormes Gefahrenpotential aus, als diese zumindest in Deutschland versuchen sich direkt in staatliche Institutionen, wie etwa Polizei, Bun­desheer und Justiz einzunisten und somit Zugriff u.a. auf Exekutivgewalt zu erhalten.

Anhand der aktuellen Medienberichterstattung verdichten sich überdies die Indizien, dass der australische Attentäter von Christchurch in den letzten Jahren nicht nur mehr­mals in Österreich aufhältig war, sondern auch direkte Kontakte mit Vertretern der rechtsextremen Szene in Österreich hatte. So dürfte er den Betrag von € 1500.- an die Identitäre Bewegung Österreich überwiesen haben.

Auch in Österreich gab es in der Vergangenheit bereits rechtsextrem motivierten Ter­ror, etwa die Bombenanschlagserie durch Franz Fuchs. Dass rechtsextreme Ideologie auch heute in gefestigten westlichen Demokratien zu Gewalt führen kann, zeigt der jüngste Massenmord in Christchurch/Neuseeland. Der Umgang mit Extremismus und radikalen Strömungen innerhalb der Bevölkerung stellt unsere demokratische Gesell­schaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit für den gesellschaftlichen Frieden vor große Herausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

So wie es zu befürworten ist, dass Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus mit hoher Priorität und Intensität nachgegangen wird, so ist dies auch für Rechtsextremis­mus sicherzustellen. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämp­fung (BVT) kommt hier eine zentrale Rolle zu. Dessen Leiterin erwähnte im BVT-Un­tersuchungsausschuss mangelnde Ressourcen, und auch BVT-Direktor Mag. Peter Gridling führte im Rahmen der ORF-Sendung "Im Zentrum" am 24. März 2019 aus, dass weitere Ressourcen in diesem Bereich wünschenswert wären.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen. Damit soll eine effekti­ve, rasche und umfassende Aufklärung der aktuellen Enthüllungen rund um rechts­extreme Netzwerke sowie auch in Zukunft eine engmaschige Informationsgewinnung und Überwachung extremistischer Tendenzen gewährleisten werden."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Strategie gegen Rechtsextremismus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 68. Sitzung des Nationalrats über die Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Na­tionalrates zum Thema "Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroran­schlags in Neuseeland"– TOP 1

Dass rechtsextreme Ideologie auch in gefestigten westlichen Demokratien zu Terror und Mord in großem Ausmaß führen kann, zeigen die jüngsten Anschläge auf zwei Mo­scheen in Christchurch/Neuseeland. Der Umgang mit Extremismus und radikalen Strö­mungen innerhalb der Bevölkerung stellt unsere demokratische Gesellschaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit für den gesellschaftlichen Frieden vor große He­rausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

Am 23. Oktober 2018 wurde im Innenministerium im Rahmen eines "Präventionsgip­fels" die "österreichische Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung" vor­gestellt. Diese Strategie enthält dabei sehr unterstützungswürdige Rahmenvorstellun­gen gegliedert in acht Themenfelder:

1.         Sicherheit, Strafvollzug und Resozialisierung

2.         Politik und Demokratiekultur

3.         Kooperation und Ressourcen

4.         Bildung, Arbeitsmarkt und Resilienz

5.         Soziale Verantwortung und Gesundheit

6.         Wissenschaft und Forschung

7.         Internet und Medien

8.         Gender

Das vorgestellte Strategiepapier enthält jedoch nicht mehr als eine Zusammenfassung bereits bekannter allgemeiner politischer, wenn auch sehr unterstützungswürdiger Ziel­vorstellungen. Das Strategiepapier weist gleich an mehreren Stellen darauf hin, dass Extremismusprävention und Deradikalisierung einen interministeriellen Ansatz erfor­dert. In seinem Vorwort erklärt sich der Herr Bundesminister für Inneres für das Thema aus der Perspektive der inneren Sicherheit für zuständig. Die Generaldirektorin für öf­fentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, kündigte im Rahmen des Gipfels einen Aktions­plan zur Umsetzung konkreterer Schritte und Maßnahmen im Bereich an.

Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das staatliches Handeln in vielen Bereichen fordert, insbesondere in der Inneren Sicherheit, der Justiz, der Bil­dungseinrichtungen, der sozialen Sicherheit. Am 27.03.2019 kündigte der Bundeskanz­ler aufgrund der kurz zuvor bekannt gewordenen Spendenzahlung des Christchurch Attentäters an, die Auflösung der Vereins der "Identitären" zu prüfen.

Neben solchen restriktiven Maßnahmen ist es es jedoch unumgänglich, sich auch auch substantiell wie inhaltlich mit rechtsextremen Gruppierungen und Individuen aktiv aus­einanderzusetzen und gezielte Deradiaklisierungsmaßnahmen (wie sie etwa auch für islamistisch radikalisierte Personen existieren) zu entwickeln. Weiters hat das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (dBfV) bereits im Jahr 2001 ein "Aussteigerpro­gramm für Rechtsxtreme" initiiert, um Einzelpersonen den Ausstieg aus der rechts­extremistischen Szene zu ermöglichen. Das dBfV bietet vielfältige und individuelle Maßnahmen:

•           Beratung von Eltern, Familienangehörigen und Lebenspartnern der Betroffenen

•           Persönliche Begleitung und Betreuung während des Ausstiegs

•           Hilfe bei der Vermittlung von schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaß­nahmen

•           Hilfe bei Behördenkontakten

•           Gespräche mit Arbeitgebern und Bewährungshelfern

•           Vermittlung von externen Hilfsangeboten, z. B. bei Alkohol-, Drogenproblemen oder Überschuldung

•           Unterstützung bei Bedrohung durch Angehörige der rechtsextremistischen Sze­ne, z. B. durch Hilfe bei Wohnungssuche und Umzug.

•           In Einzelfällen und für zwingend erforderliche Umzugsmaßnahmen können auch einmalig finanzielle Hilfen gewährt werden.

Auch im Schulbereich gilt es hier einen noch stärkerer Fokus auf die Problematik von Radikalisierung zu legen. In diesem Zusammenhang wäre beispielsweise anzuregen, die neue geschaffenen Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bildungsmi­nisterium auch explizit mit dem Thema Rechtsradikalisierung zu betrauen und mit dem­entsprechenden (personellen) Ressourcen auszustatten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des "bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung" (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogamme) gegen Rechts­extremismus zu erarbeiten."

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Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung. (Abg. Krisper legt die von ihr in die Höhe gehaltenen Ausdrucke vor Bundesminister Kickl auf die Regierungsbank. – Bundes­minister Kickl: Unglaublich! Wie einem sowas passieren kann! Das kann ja kein Lap­sus sein!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte.