15.01

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Außenministerin! Hallo an die Jugendli­chen, die da sind, und an die Damen und Herren vor den Bildschirmen! Warum habe ich heute den Dringlichen Antrag mit dem Titel „Die Jugend ernst nehmen, Klimakata­strophe verhindern.“, eingebracht? – Ich stehe heute und jetzt hier für meine zukünfti­gen Kinder, für meine Zukunft, für die Zukunft Ihrer Kinder und für die vielen jungen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, um für ihre Zukunft zu kämpfen, aber auch für die Jugendlichen, die daran gehindert wurden, auf die Straße zu gehen. (Bei­fall bei JETZT.)

Einige von Ihnen im Raum haben vielleicht auch Kinder, die am 15.3. beim Fridays-for-Future-Marsch, beim Klimastreik dabei waren. Ich war auch dort. Ich war eine von 25 000 in Wien und eine von 1,5 Millionen in 2 000 Städten weltweit.

Es war unglaublich spannend für mich, diese Demonstration zu sehen, und zwar nicht nur, weil ich mit meinem kleinen Bruder dorthin gegangen bin und auch seine Sicht der Dinge sehen konnte. Ich habe dort auch beeindruckende Schilder gesehen und habe für diejenigen, die nicht dort waren, Fotos mitgebracht. (Die Rednerin zeigt Fotos von Demonstranten, die Plakate in die Höhe halten.) Da waren Plakate zu sehen wie: „There is no planet B“ – es gibt keinen Planeten B –, „Save our earth, you coward“ – rette unsere Welt, du Feigling (Abg. Kassegger: Das ist aber nicht freundlich!) –, aber auch: „Take action not our future“ – übernehmt Verantwortung, nicht unsere Zukunft!

Das sind sehr klare, sehr provokante, sehr wichtige Botschaften und vor allem auch ein Appell an uns, nämlich an uns, die wir hier sitzen, aber auch an die Regierung bezie­hungsweise an jene, die am Hebel der Macht sitzen.

Es war ein sehr friedvoller Marsch. Es war ein sehr friedvoller, aber energiegeladener, sehr bestimmter, aber vor allem auch ein sehr wichtiger Protest, weil die Schülerinnen und Schüler, die Jugendlichen da für ihre Zukunft gekämpft haben.

Das Spannende war, dass Jugendliche dann zu mir gekommen sind und gefragt ha­ben: Warum nimmt uns die Politik nicht ernst? Was verstehen die Politiker und Politi­kerinnen nicht am Ernst der Lage?

Sie können sich das so vorstellen: Ich bin unterwegs mit meinem zehn Jahre jüngeren Bruder, und es war sehr emotional für mich, dazustehen und keine Antwort auf die Fra­ge zu haben, warum die Politik nicht so agiert, wie sie agieren sollte – es ist ihre Zu­kunft, es ist auch meine Zukunft –, nicht die nötigen Antworten zu haben, vor allem nicht die umgesetzten Maßnahmen. Wir hätten schon vor 30 Jahren – ich bin dieses Jahr 30 geworden – damit anfangen müssen, dann müssten wir nicht im Moment sol­che drastischen Maßnahmen setzen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Duzdar.)

Eines kann ich Ihnen versichern: Diese Jugendlichen, diese Schülerinnen und Schüler meinen es ernst. Es ist eine unglaubliche Ernsthaftigkeit da gewesen, und diese Ernst­haftigkeit bleibt, denn sie veranstalten diesen Streik schon seit etlichen Wochen und Monaten wöchentlich und fordern sehr vehement eine mutige und radikale Klimapolitik.

Was bedeutet mutige und radikale Klimapolitik? – Das bedeutet, schnelle und weitrei­chende und beispiellose Maßnahmen der Umweltschutzpolitik im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel und globaler Klimagerechtigkeit zu setzen. Das ist eine klare Forderung, die von denen kommt, die vielleicht 20 Prozent unserer Gesellschaft sind, aber 100 Pro­zent unserer Zukunft. (Beifall bei JETZT.)

Ich spreche hier von Jugendlichen, die fordern, dass es seitens der Regierung eine kla­re und angemessene Kommunikation mit der Bevölkerung zur Dringlichkeit der Lage der Klimakrise gibt. Vielen Menschen da draußen ist die Vehemenz und die Wichtigkeit gar nicht bewusst, und wir müssen hier mit Fakten und Daten kommunizieren, die der Realität entsprechen, denn es geht hier um unsere Zukunft, es geht hier um eine Ernst­haftigkeit der Lage.

Die Jugendlichen fordern als dritten Punkt einen ambitionierten Plan zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und ein Ende der Finanzierung derselben. Dazu gehören auch eine ökosoziale Steuerreform und das Aussetzen von Subventionen und Steuerbe­günstigungen für alle fossilen Brennstoffe. – Das ist eine sehr klare Forderung, und nein, das sind keine Kinderträume, und es dürfen auch keine Kinderträume bleiben. Es sind keine Kinderträume und wir dürfen sie auch nicht so behandeln, zumal die vielen jungen Menschen, wir, die wir auf die Straße gegangen sind, von 23 000 Wissenschaft­lern und Wissenschaftlerinnen aus Österreich, aus der Schweiz und aus Deutschland unterstützt werden, die eine Stellungnahme zu den Forderungen von Fridays for Future abgegeben haben.

Diese besagt: „Nur wenn wir rasch und konsequent handeln, können wir die Erderwär­mung begrenzen, das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten aufhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren und eine lebenswerte Zukunft für [...] kom­mende Generationen gewinnen. Genau das möchten die jungen Menschen von ‚Fridays for Future/Klimastreik‘ erreichen.“

Meine Damen und Herren, hier geht es um die Zukunft! Ich wiederhole: Sie wollen eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen. Ist das zu viel verlangt? Die Ju­gendlichen meinen es ernst. Diejenigen, die dort waren, haben es nicht nur spüren, se­hen und erleben dürfen. Das Tragische ist, dass die Dringlichkeit von ihnen kommen muss, dass sie aufzeigen müssen. Ein Plakat beim Streik hat das sehr gut dargestellt. Die Aufschrift war: „Ihr habt verschlafen, wir sind der Wecker“. – Wir sind der Wecker, der euch aufwecken muss.

Das Spannende ist, wir drücken schon sehr lange auf den Snooze-Button, und das können wir nicht weiter verantworten. Wenn uns Jugendliche sagen, dass wir verschla­fen haben und sie uns hier aufwecken müssen, dann ist das ein trauriges Zeugnis. Das heißt: kein Snooze-Button mehr, meine Damen und Herren, liebe Regierung! Das be­deutet: Aufstehen und tun! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Klimakrise ist da, wir stecken mittendrin, es lässt sich nicht beschönigen. Es geht da nicht um eine Elitendiskussion, es geht da auch nicht um ein Bobo-Thema, da geht es um die Realität, da geht es um die Zukunft. Wie Greta Thunberg es auch schon sehr richtig gesagt hat: „Unser Haus steht in Flam­men.“ – Wir sind zwölf Jahre davon entfernt, dass wir unsere Fehler nicht mehr wett­machen können. Zwölf Jahre – aber jetzt können wir noch etwas tun. Nicht umsonst heißen die Streiks Fridays for Future, denn es geht um die Zukunft. (Abg. Vogl: Na ja, Streik ...!)

Und was macht die Regierung? – Sie klatscht, vor allem nach dem Fridays-for-Future-Marsch, angesichts der Aufmerksamkeit, die dieser Marsch bekommen hat. Sie klatscht, holt die Kameras raus, lenkt ab. Ministerin Köstinger war, wie ich vernommen habe, „begeistert, dass Klimaschutz endlich Titelseiten füllt“. – Ja, auch ich bin begeistert, dass das Thema Klima- und Umweltschutz endlich die ersten Seiten der Magazine, der Web­sites, aller Medien füllt, aber es darf nicht bei Schlagzeilen bleiben. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Bißmann.) Wir dürfen uns nicht nur freuen, dass Schlagzeilen da sind, es müssen Handlungen folgen.

Kanzler Kurz freut sich darüber, dass „junge Menschen ihre Stimme erheben“. Minister Faßmann freut sich auch, lenkt dann aber gleichzeitig vom Thema ab und bestraft nun Jugendliche, die auf die Straße gehen, wegen unentschuldigter Fehlstunden. (Abg. Gödl: Das ist ja keine Bestrafung! Hallo! – Abg. Schimanek: Die können ja am Sams­tag auch demonstrieren!)

Es scheint mir, als hätten es einige hier noch immer nicht verstanden. Diese jungen Menschen, wir, wollen keine offenen Ohren, wir wollen keine Handshakes, wir wollen keine netten Fotos, keine Versprechungen. Wir wollen Handlungen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese jungen Menschen meinen es ernst. Bei der Regierung hingegen habe ich den Eindruck, dass sie das Thema Klima- und Umweltschutz nicht so ernst nimmt, wie sie es zu diesem Zeitpunkt eigentlich ernst nehmen müsste.

Ministerin Köstinger, Sie haben in Ihrer Amtszeit bis auf das E-Mobilitätspaket keine Eigeninitiativen, Rechtsakte zur Verbesserung von Klima- und Umweltschutz einge­bracht. Ich freue mich natürlich - - (Abg. Gödl: Dann stimmen Sie den Biomassezielen zu!) – Herr Kollege! Sie können schreien, was Sie wollen. Das ist die Realität, ich gebe sie Ihnen wieder, und wir müssen etwas tun! Wir müssen jetzt etwas tun! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gödl: Sie müssen zustimmen bei Bio­masse!)

Ich freue mich natürlich, und da bin ich bei Ihnen, Frau Ministerin Köstinger, dass auf EU-Ebene die CO2-Reduktion für neue Pkw und ein Verbot von Einwegplastik be­schlossen wird. Das sind zwar sehr wichtige Entscheidungen, aber das ist trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist nur ein Anfang, da muss noch vieles, vieles folgen.

Es beunruhigt mich sehr, wenn ich dann lese, dass trotz dieser wichtigen Entscheidun­gen, die getroffen werden, weitere Flugzeuglandebahnen gebaut werden und Milliar­den in den Ausbau von Autobahnen gesteckt werden, auf denen 140 km/h gefahren werden sollen. Dieser Zugang besorgt mich, macht mich wütend. Ich finde, das ist nicht die Antwort auf die Klimakrise, in der wir gerade stecken, das sind nicht die Maßnah­men, die es im Moment hier braucht! (Beifall bei JETZT. – Abg. Neubauer: Sie können ja 100 fahren! Fahren Sie 100! Ist ja keine Verpflichtung!)

Die Frage ist natürlich auch: Wie ernst nehmen Sie den Klimaschutz wirklich, Frau Mi­nister? Wie ernst nehmen Sie den Hashtag Nachhaltigkeit, der auf Ihrer Facebook-Seite überall zu sehen ist? Klimaschutz darf kein PR-Gag sein! Es geht da nicht um Wählermagneten, die man installiert, es geht um die Zukunft unserer Kinder. Es geht um meinen Neffen oder meine Nichte, der oder die bald auf die Welt kommen sollte. Es geht darum, dass wir eine Zukunft schaffen, in der ich leben möchte, in der er oder sie leben möchte, in der wir leben möchten und können. Es ist mittlerweile nicht mehr nur ein Umweltthema, es ist ein gesellschaftliches Thema, es ist ein soziales Thema, es ist ein Gerechtigkeitsthema. (Beifall bei JETZT sowie der Abgeordneten Hammerschmid und Bißmann.)

Um noch einmal auf Österreich zurückzukommen und darauf, was hier auf diesem Ge­biet passiert, um zu den Daten und Fakten zu kommen, die wir auf dem Tisch haben: In Österreich haben wir einen jährlichen Treibhausgasausstoß, der zum dritten Mal in Folge angestiegen ist. Weltweit haben wir erst kürzlich wieder Höchstwerte erreicht. Starkniederschläge, extremer Frost, Waldbrände, Hitzewellen und Dürren sind Realität. Meine Damen und Herren, ist das die Welt, in der wir leben wollen? Ist das die Zukunft, die wir haben wollen? Dürren, Hitzewellen, Frost – ich wiederhole es noch einmal – dürfen nicht der Status quo sein, denn wir stehen kurz vor der Klimakatastrophe!

Obendrein müssen wir alle als Steuerzahler und Steuerzahlerinnen Folgendes beden­ken: Wenn wir das EU-Klimaziel 2030 nicht erreichen, drohen Strafzahlungen und Kos­ten für Emissionszertifikate in Milliardenhöhe. Das bedeutet, die Klimasünde heißt nicht nur, die Erde zu verbrennen, sondern auch Geld zu verbrennen. Da geht es nicht nur um Milliarden, die dann in Strafzahlungen gesteckt werden müssen, sondern das hat ja noch weitere Ausmaße, gesellschaftlich, wirtschaftlich, und diese Kosten sind in diesen Milliarden noch nicht einmal beziffert.

Frau Ministerin! Herr Kanzler! Liebe Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns heißt das und für uns muss die Devise lauten: Jetzt handeln! Nehmen wir die Stimme der jungen Menschen ernst! Nehmen wir ihre Forderungen ernst! Einige davon können Sie auch in meinem Antrag sehen.

Machen wir Klima- und Umweltschutz zu einer Haltung! Bringen wir sie in unsere Schu­len! Da geht es auch um Förderungen von Kooperationen mit außerschulischen Part­nern. Um das Thema Klima- und Umweltschutz in die Schulen zu bringen, muss es Ko­operationen geben. Es geht darum, Schulen dabei zu unterstützen, dass pro Schule ei­ne Schülerin oder ein Schüler als Klima- und Umweltschutzbeauftragte, -beauftragter ausgebildet wird. Wir müssen bereits in den Schulen die Schüler und Schülerinnen mit der Zukunft konfrontieren, aber sie auch darin unterstützen, dass sie Expertinnen und Experten, Botschafterinnen und Botschafter sein können.

Frau Ministerin, wir brauchen eine stärkere Einbindung in der Schule bei der Überar­beitung der Lehrpläne und Schulbücher hinsichtlich Nachhaltigkeit. Das ist das Mate­rial, das sind die Bücher, das ist die Realität, mit der die Schülerinnen und Schüler in der Schule konfrontiert werden, und da muss man eben Maßnahmen setzen. (Abg. Neu­bauer: Sie sind aber nicht in der Schule, sie demonstrieren!)

Unser Ziel muss es nämlich sein, diese Generation zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen, sich für unsere Gesellschaft und die Mitmenschen einzusetzen und sich politisch einzumischen. Ja, wir müssen sie ermutigen, und das fängt in der Schule an. Wir haben auch gesehen, dass es viele gibt, die sich engagieren. Ihnen müssen wir Gehör schenken. (Beifall bei JETZT.)

Im Moment sieht es nämlich so aus – und ich lese das aus einer Studie, die das fest­stellt –, dass Jugendliche sich von Parteien und Politikern weder wahrgenommen noch ernst genommen fühlen. Sie sind von deren Performance enttäuscht beziehungsweise erwarten sich auch nicht viel mehr von ihnen. So stimmt eine Mehrheit der Aussage zu, dass PolitikerInnen nur leere Versprechungen machen; das bedeutet, dass 44 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sie sich nicht um Dinge kümmern, die den Be­fragten wichtig sind.

Das ist ein trauriges Zeugnis für das Hohe Haus, da sich doch fast die Hälfte der Ju­gendlichen nicht abgeholt fühlt, nicht ernst genommen fühlt. Das kann nicht die Realität sein, in der wir uns befinden wollen!

Ich stehe heute nicht hier, weil ich Applaus ernten möchte. Es geht nicht um Lob, es geht hier nicht um Anerkennung. Ich will, dass die jungen Menschen endlich ernst ge­nommen werden. Ich will, dass Sie denen applaudieren, die auf die Straße gehen, die sich für ihre Zukunft, für unsere Zukunft einsetzen; und ich fordere Sie, liebe Regie­rung, zum Handeln auf.

Ich würde mir wünschen, dass es, wenn ich jetzt das Rednerpult verlasse, keinen Ap­plaus gibt. Ich möchte, dass Sie sich den Applaus für die Jugendlichen sparen, die Sie dann auf der Straße sehen, wenn Sie hoffentlich bei der nächsten Demonstration, bei der nächsten Diskussion, bei der nächsten Begegnung dabei sind. Geben Sie den Ap­plaus diesen Jugendlichen, die sich für die Zukunft einsetzen! Die Devise heißt: „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastrophe verhindern.“

15.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Elisa­beth Köstinger. – Bitte.