16.08

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man die Debatte aktiv verfolgt, dann erschließt sich sofort und auf den ersten Blick, warum viele Menschen weltweit und auch in Österreich für eine aktivere Klima­politik protestieren. Wenn wir uns anhören, was hier tatsächlich an Debattenkultur und an inhaltlichem Austausch von Argumenten stattfindet, dann kommt man zum Schluss, dass das erschütternd ist.

Ich möchte, bevor ich auf das, was die Ministerin gesagt hat, eingehe, zwei wesentli­che inhaltliche Punkte der Beiträge dieser Debatte hervorstreichen.

Die Frage ist: Wo stehen wir heute? – Wenn sich die Weltgemeinschaft tatsächlich zu dieser Zielsetzung von maximal 2 Grad Erderwärmung bekennt und wenn man das Ziel auch erreichen will, gibt es eine Art weltweites CO2-Budget. Wenn man das über­schreitet, dann ist es schlicht so, dass man auch diese maximale Erderwärmung von 2 Grad nicht erreichen kann. Da ist es wiederum so, wenn man das auf Österreich he­runterbricht, dass es sich um 1 000 Millionen Tonnen CO2 handelt.

Das sind immer große Zahlen, die man nicht so leicht einschätzen kann. Was bedeutet das? Was verbrauchen wir derzeit?

Wir stehen in Österreich derzeit bei knapp 80 Millionen Tonnen CO2, das bedeutet in weiterer Fortschreibung: Unser CO2-Budget wäre 2035 erschöpft. Ab 2035 wäre also, wenn wir so weitermachen wie bisher, kein Benziner, kein Diesel, keine Heizungsan­lage, keine Industrie und vieles mehr, das Emissionen ausstößt, mehr in Betrieb. Die Frage ist – evidenzbasiert –: Schaffen wir das technologisch? – Nein. Bis 2035 schaf­fen wir das keinesfalls.

Was muss man also machen? – Man muss jetzt und sofort Schritt für Schritt jedes Jahr jene Emissionen einsparen, die leicht einzusparen sind. Und genau das macht Öster­reich derzeit nicht. Wenn man sich anschaut, was ganz konkret gefordert wird, dann erkennt man, dass gesagt wird: Heute soll das erledigt werden, was auch schon mög­lich ist.

Schauen wir uns an, wo Österreich im europäischen Vergleich steht! Ich vergleiche das jetzt bewusst nicht mit Industrienationen, die teilweise noch vor dem Umstieg sind. Ös­terreich hat von 1990 bis heute an CO2-Emissionen ein Plus von 1 Prozent. Das hört sich nicht dramatisch an, man könnte sagen, es gab deutlich mehr Wirtschaftsleistung, einen Zuwachs an Wohlstand, aber nur plus 1 Prozent an CO2-Emissionen. Wo stehen vergleichbare Staaten, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, nämlich Großbritan­nien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Dänemark? – Die stehen irgendwo zwi­schen minus 30 und minus 40 Prozent an Emissionen. Was in den west-, mittel- und nordeuropäischen Staaten mehrheitlich geglückt ist, ist, dass man das Wirtschafts­wachstum von den Emissionen tatsächlich vollständig oder beinahe vollständig losge­löst hat. (Abg. Gödl: Mit Atomkraftwerken, das muss man sagen!)

Österreich hat diesbezüglich massive Versäumnisse. Weil der Kollege von der ÖVP gerade so hereinruft – das ist wie das Melden vom Letzten hinten im Schulbus –: Ja, es ist die ÖVP gewesen, die das Umweltministerium lange Jahre innehatte, und es ist die ÖVP gewesen, die unabhängig vom Regierungspartner immer nichts gemacht hat.

Was allerdings gemacht werden müsste – und darauf beruft man sich auch –, ist, sich anzusehen, in welchen Sektoren ganz klar Handlungsbedarf besteht. Es wird immer vom Energiesektor gesprochen. Steckenpferd jedes ÖVP-Umweltministers und jeder ÖVP-Umweltministerin ist es, dass man sagt, das ginge über die erneuerbare Energie. Tatsächlich ruht man sich da aber auf Ergebnissen aus, die vor Dekaden entschieden worden sind. Von den 20 Wasserkraftwerken, die Österreich hat und die dafür verant­wortlich sind – wobei vor allem unsere Geografie dafür verantwortlich ist –, dass wir so viel an erneuerbarer Energie haben, sind lediglich zwei in den letzten 25 Jahren gebaut worden. Alles andere ist deutlich länger als 25 Jahre her. Österreich präsentiert sich al­so als Musterschüler, es gibt aber evidenzbasiert kein einziges Datenblatt, das das rechtfertigen würde.

Wenn wir uns anschauen, wo wirklich etwas passieren müsste, dann kommen wir auf das Thema Mobilität. Ich habe vorhin gesagt, dass es 1 Prozent Zuwachs an CO2-Emissionen von 1990 bis heute gab; man kann aber genauso sagen, dass es im Be­reich der Gebäude ein Minus von 37 Prozent gab. Es gab auch bei der Abfallwirtschaft ein Minus von 28 Prozent. Das wird alles aufgefressen von einem Bereich, nämlich von der Mobilität, denn da gab es ein Plus von 66,7 Prozent.

Schauen wir uns da also genau an, wer denn dafür verantwortlich ist! Warum steigt das so an? Sind es die Menschen, die verantwortungslos handeln? – Nein, sie sind es nicht! Es sind die Umstände, die in Österreich einfach andere als beispielsweise jene in Belgien, den Niederlanden, Dänemark oder auch in Schweden sind. Es ist eine Form von Verantwortungslosigkeit, dass man in Österreich auf kommunaler Ebene weiterhin die Flächenwidmungen durchführt. Es sind jene Menschen, jene Politikerinnen und Politiker, die geliebt und gewählt werden wollen, die deswegen keinen Widerstand leis­ten, wenn ökologisch sinnlose bis schädliche Entscheidungen getroffen werden.

Genau jene Flächenwidmungen führen zu einer viel stärkeren Zersiedelung in Öster­reich, als es tatsächlich auch in anderen Staaten der Fall ist. Das bedeutet wiederum, dass die Menschen gezwungen sind, mehr zu pendeln, dass es weitere Distanzen gibt. Diesbezüglich fehlt es massiv an Politik.

Was ich jetzt zu Ihnen sagen möchte, Frau Ministerin Köstinger: All das, was Sie bis jetzt gemacht haben – vielleicht mit ganz wenigen Ausnahmen –, steht für all das, wo­gegen die jungen Menschen demonstrieren. Sie haben bis jetzt Lippenbekenntnisse, einen Marketingplan, eine #mission 2030; Sie haben tatsächlich keine ernsthaften Maßnahmen, die auch wirklich eine Wirkung in Österreich entfalten, auf die Schiene gebracht – auf die Straße will ich gar nicht sagen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie haben auch heute auf diesen Dringlichen Antrag nicht mit Inhalten geantwortet, Sie haben über ganz andere Themen gesprochen: Sie haben über das Plastik gesprochen, Sie haben über Eigeninitiativen gesprochen, die keine Auswirkungen auf die CO2-Emissionen haben. Das, was wir von Ihnen erwarten, was die Menschen jeder Alters­gruppe in Österreich von Ihnen erwarten, sind Taten. Diese Taten haben Sie nicht ge­setzt, daher ende ich mit einem Appell an die Opposition – denn die Regierungsfrak­tionen kann man in dieser Sache leider tatsächlich vergessen (Zwischenruf des Abg. Neubauer) –: Lassen Sie uns gemeinsam als Opposition einen Konsens finden und in diesem Parlament eine gemeinsame Klimapolitik vorantreiben, denn von diesen schwarz-blauen Menschen können wir nichts erwarten. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.