12.17

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie, herzlich willkom­men! Ich glaube, es ist gerade für jüngere Menschen ein extrem spannendes Thema, wenn es um den digitalen Raum, um das Internet geht.

Vielleicht auch ein paar Worte zur Aufklärung: Ich habe bei der Rede der Abgeord­neten Gamon fleißig mitgeschrieben und mir ein paar Zitate herausgenommen, die, glaube ich, besser beleuchtet werden müssen. Zunächst einmal ist ganz am Beginn von Freiheitsrechten im Internet gesprochen worden, die jetzt auf die eine oder andere Art und Weise beschnitten werden sollen – es ist nicht genau gesagt worden, wie das passieren soll.

Worum geht es da? Was ist Freiheit? Die individuelle Freiheit soll angeblich be­schnitten werden. Offenbar definieren die NEOS Freiheit so, dass man alles tun und lassen darf, was man will. Das ist nur nicht die Definition von Freiheit, die es in einem liberalen Rechtsstaat gibt (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn genau dafür gibt es Rechte, nämlich um zu garantieren, dass die Freiheit des einen dort endet, wo die Freiheit des anderen beginnt. Totale Freiheit, wie sie gerade proklamiert wurde, ist Anarchie. Wir haben das in verschiedenen Bereichen in der Geschichte gesehen. Man könnte sagen, im Wilden Westen, als er noch nicht erschlossen war, herrschte totale Freiheit, da hat man machen können, was man wollte, die Desperados, die Gesetzlosen, haben ausgeraubt, geplündert, haben getan, was sie wollten. Es war kein Sheriff dort, der sie eingesperrt hat, der sie verfolgt hätte. Das war auch totale Freiheit. – Das wird wohl nicht die Freiheit sein, die wir in einem liberalen Rechtsstaat haben wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist vielleicht auch ein gutes Beispiel, um zu beginnen, denn die digitale Revolution, in der wir uns befinden, ist eine solche, ist eben eine Revolution, die in vielen Be­reichen auch an das erinnert, was frühere industrielle Revolutionen mit sich gebracht haben. Ich darf daran erinnern, mit technischer Weiterentwicklung war es in der Geschichte der Menschheit immer so, dass diese zwar große Chancen geboten hat, aber auch mit Risiken verbunden war, die Gesellschaft verändert hat, und es war jedes Mal so, dass die Menschen sich haben überlegen müssen, in welcher Form man mit dieser technischen Weiterentwicklung umgeht.

Wie will man sie domestizieren, nutzbar machen, sodass sie am Ende des Tages ihre positiven Seiten für alle entfaltet – und nicht nur für einige wenige, für die Stärksten, wenn man so will? Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert, die wir alle aus den Geschichtsbüchern kennen, hat zweifellos langfristig zu sehr viel mehr Wohlstand in unserer Gesellschaft geführt. Wir alle profitieren heute von den Errungenschaften des technischen Fortschritts, der Massenproduktion et cetera, aber wir wissen auch, was zu Beginn die gesellschaftlichen Effekte waren: Es hat Massenverarmung gegeben, viele Menschen haben mehr gearbeitet, als sie konnten, und weniger davon gehabt, als sie gebraucht haben. Und die, die das ausgenutzt haben, sind mit ähnlichen Argu­menten wie Sie gerade herumgegangen und haben gesagt: Man darf die Freiheit des Unternehmers nicht einschränken. Das ist ja meine Freiheit, Eigentum an Pro­duktionsfaktoren, und wenn so viel Arbeit da ist, dann kostet sie halt weniger. Das einzuschränken ist ein Einschnitt in die unternehmerische Freiheit, deswegen darf man das im Sinne des liberalen Grundgedankens nicht machen.

Heute wissen wir zum Glück, dass diese sozialen Probleme, die es damals gegeben hat, durch Sozialgesetzgebungen, durch Sozialversicherungen, durch Gesundheits­sys­teme erst domestiziert werden mussten, durch Arbeitszeitregulierungen domestiziert werden mussten, sodass wir heute alle in einer Gesellschaft leben dürfen, in der wir eben eine 38-Stunden-Woche haben (Rufe bei der SPÖ: 60!), in der wir gut ausge­baute Gesundheitssysteme haben. Wir haben einen gewissen Wohlstand erarbeitet, leben in einem Sozialstaat, der dieses Wort auch verdient, in dem die Schwächsten der Gesellschaft auch Hilfe bekommen. Das alles hat erst durch die Einschränkung dieser absoluten unternehmerischen Freiheit, wie sie damals gegolten hat, erreicht werden müssen.

In einer sehr, sehr ähnlichen Situation sind wir heute mit der digitalen Revolution. Die digitale technische Weiterentwicklung bietet unfassbare Möglichkeiten. Sie wird unsere Gesellschaft noch mehr verändern, als sie das schon getan hat. Sie wird viele Prob­leme lösen, die wir heute haben oder von denen wir noch gar nicht wissen, dass wir sie vielleicht haben werden; wichtig ist aber, dass die Digitalisierung nicht unsere Grund­prinzipien ändern darf, sondern dass unsere Grundprinzipien die Digitalisierung ändern und gestalten müssen – denn nur, wenn wir diese Digitalisierung gestalten, wird sie auch für alle Menschen den Nutzen entfalten. Und genau darum geht es bei diesem Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein paar Beispiele, was ich mit diesen Gesetzen meine: Zum Beispiel ist es einfach ungerecht, wenn das kleine, mittlere Unternehmen in Österreich, der Greißler ums Eck mehr Steuern zahlt als ein riesiges Unternehmen – Google, YouTube, Facebook et cetera, die in Österreich Millionen verdienen, aber hier keine Steuern zahlen müssen. Das kann einfach nicht sein. Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir in dieser Koali­tion gemeinsam mit dem Finanzminister auch die digitale Konzernsteuer eingeführt ha­ben (Abg. Gamon: ... Werbe ...!), damit auch diese globalen Giganten hier in Öster­reich zum Sozialstaat beitragen – und das nennen Sie Einschränkung der Freiheit! Ich sage: Das ist nur gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Sie haben viel von Uploadfilter und Zensur gesprochen. Das ist sehr, sehr spannend. Vielleicht zur Erklärung für alle: Da geht es um die berühmte Copyright Directive. Das heißt, um die Leistungsschutzrichtlinie, die jetzt im Europäischen Parlament beschlos­sen worden ist. Zunächst einmal: Uploadfilter kommen in dieser gesamten Richtlinie in der Form nicht vor. Dieses Wort steht nicht drinnen.

Worum geht es? – Es geht schlicht und ergreifend darum, dass geistiges Eigentum im digitalen Raum auch ein schützenswertes Gut ist und große Plattformen, die Aber­millionen und Milliarden mit dem Eigentum von Dritten verdienen, denen natürlich auch etwas abgeben müssen, dass sie kontrollieren müssen, wem gehört denn das, was ich da verwende, mit dem ich viele Leute anlocke, mit dem ich da Milliarden mache – und wenn diese Person da ist und sagt: Das gehört mir!, dann muss ich dieser Person auch etwas geben. Das ist nur gerecht. Das ist nicht Zensur, sondern das ist Schutz von Eigentum. Das ist das Gegenteil von Diebstahl, der momentan im digitalen Raum gang und gäbe ist. Das wollen wir verhindern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Wenn Sie den Schutz von Eigentumsrechten als Zensur im digitalen Raum bezeich­nen, ist das ungefähr so, wie wenn – (sein Smartphone in die Höhe haltend) ich weiß, Vergleiche mit der analogen Welt haben immer das Potenzial, dass sie hinken und manchmal vielleicht auch Blödsinn sind – ich Ihnen Ihr Handy wegnehme und es dann verkaufe und mir das Geld einstecke und Sie dann sagen: Das geht doch nicht, das ist doch mein Eigentum!, und ich dann sage: Hey, das ist Zensur, was Sie da machen! – Das ist absurd.

Genauso ist es mit geistigem Eigentum: Wenn ich einen Film produziere, ein Lied schreibe, ein Video mache, gehört das mir, das ist mein geistiges Eigentum. Wenn das dann irgendjemand auf Facebook, YouTube et cetera hochlädt, und die dann ganz viel Geld damit machen, auch dadurch, dass sie das Leuten vorspielen, die Daten vermarkten und dann damit Geld machen und mir nichts geben, dann ist das nicht Zensur, dann ist das schlicht und ergreifend Diebstahl. (Abg. Gamon: Sie sprechen von etwas anderem! Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Dagegen müssen wir uns wehren, und deswegen bin ich sehr, sehr froh, dass die Leistungsschutzrichtlinie auf europäischer Ebene umgesetzt worden ist. Wir haben jetzt die Möglichkeit, sie im Feintuning auf österreichisches Recht herunterzubrechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zur Meinungsfreiheit: Bitte, ich verstehe nicht, wie man überhaupt auf die Idee kom­men kann, dass es in diesem Bereich, bei der Copyright Directive eine Einschränkung der Meinungsfreiheit gibt. (Abg. Scherak: Das ist ja das Problem, dass du es nicht checkst!) Es geht schlicht und ergreifend darum, wenn jemandem etwas gehört, dass man das nicht einfach so für etwas anderes verwenden darf, ohne die Person zu fragen. Wenn Sie ständig Inhalte, die Ihnen nicht gehören, irgendwo hochladen und sagen: Hey, jetzt darf ich das vielleicht nicht mehr, das gehört zwar jemand anderem, aber ich hätte das gerne hochgeladen, damit ist meine Meinungsfreiheit beschnitten!, dann ist das schlicht und ergreifend Diebstahl, was Sie da früher getan haben. Das geht so nicht. Das war auch damals unrechtmäßig. Es gab nur keine Möglichkeiten, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. (Abg. Scherak: Das stimmt doch auch nicht! Unfassbar!)

Warum? – Weil die Basis für das Recht, anhand dessen diese Plattformen, wie YouTube, Facebook und Google et cetera, reguliert werden, aus 2001 ist. 2001 gab es noch gar kein Facebook, 2001 gab es noch keine Smartphones, und das ist trotzdem noch immer die Rechtsgrundlage dafür, wie diese Plattformen agieren. Sie sagen, sie sind neutral. Sie sagen, sie haben nichts damit zu tun, was sich auf ihrer Plattform abspielt, weil das ja nur die Nutzer sind, die Inhalte hochladen. – Das stimmt nicht.

Warum stimmt das nicht? – Weil diese Plattformen natürlich gezielt Inhalte abspielen, Ihr Suchverhalten tracken, dann herausverifizieren, was Sie interessiert und Ihnen entsprechend ihrer Algorithmen gezielt die Inhalte, die zu Ihrem Suchverhalten passen, vorgespielt werden, damit sie gut Werbung verkaufen, damit sie Milliarden verdienen – und alles, ohne dass die Besitzer, die Eigentümer etwas davon haben. Das ist Dieb­stahl, das ist nicht gerecht und das gehört geändert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum digitalen Vermummungsverbot: Auch das ist ein Aspekt, der schlicht und ergrei­fend zu mehr Durchsetzung des Rechts im digitalen Raum führen wird. Nichts anderes tun wir hier. Es kann einfach nicht sein, dass es zwar illegal und verboten ist, wenn man Verhetzung betreibt, wenn man Menschen herabwürdigt, wenn man verleumdet, wenn man beleidigt, aber dass das nicht einklagbar ist, dass es nicht möglich ist, diese Tatbestände, wenn sie begangen werden, auch im digitalen Raum zu verfolgen. Es kann nicht sein, dass die Opfer im digitalen Raum strukturell nie zu ihrem Recht kom­men. (Zwischenruf der Abg. Gamon.) Genau aus diesem Grund braucht es das digitale Vermummungsverbot, und genau aus diesem Grund haben wir dieses Gesetz auch auf den Weg geschickt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch darauf aufmerksam machen, dass unsere elektronische Erfassung der Redner noch nicht funktioniert und mir hier daher nur die Liste der angemeldeten Redner vorliegt.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.