13.03

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Damen und Herren vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Bis vor wenigen Jahren war es ganz selbstverständlich, dass der Staat dafür verantwortlich ist, für Wohlstand und Beschäftigung zu sorgen, alle Grundvorausset­zungen für die Gesundheitsversorgung, für die Bildungsversorgung, für die Mobilität et cetera zu liefern. Doch vor nicht allzu langer Zeit haben die Gerichte begonnen, ein­zelne Staatsziele über Wirtschaft und Beschäftigung zu setzen; daher, meine Damen und Herren, ist es einfach notwendig, dass wir den Staatszielkatalog ausgewogen ge­stalten.

Wir brauchen ein neues Gleichgewicht im Staatszielkatalog, und für dieses Gleichge­wicht ist es wichtig, dass man hier nicht von einer Über- oder Unterordnung spricht, wie die Frau Bundesminister schon gesagt hat, sondern es geht darum, dass man den Verwaltungsbehörden, den Gerichten eine Möglichkeit in die Hand gibt, im Einzelfall zu entscheiden, was gerade wichtiger ist: der Umweltschutz als Gesamtes gesehen oder der Umweltschutz für den Anrainer gesehen.

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele, warum es wichtig ist, ein solches Staatsziel aufzu­nehmen: Denken wir an den Ausbau der Westbahn, Hochleistungsbahn. Die Strecke von Wels nach Salzburg ist noch nicht fertig ausgebaut. Dort bedarf es einer neuen Streckenlegung. Da geht es um Anrainerrechte auf der einen Seite, und auf der an­deren Seite geht es darum, Treibhausgase zu reduzieren; daher ist der Ausbau der Schiene sinnvoll. Ein Gericht muss in die Lage versetzt werden, in dieser Abwägung zu urteilen. Wenn wir jetzt den Ausbau dieser Infrastrukturstrecke nicht auch in die Ver­fassung hineinschreiben, dann laufen wir Gefahr, dass die Anrainerrechte über den Schutz (Abg. Erasim: Das stimmt doch nicht! Wissen Sie’s nicht oder tun Sie nur so?) der Rechte der anderen gestellt werden, nämlich dass wir weniger Treibhausgase emittieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt noch andere Beispiele, Frau Kollegin: Ausbau der Breitspurbahn. Das war Ih­nen auch einmal ein Anliegen; ich kenne sozialdemokratische Bundeskanzler, die sich besonders dafür eingesetzt haben. Ausbau der Breitspurbahn von Košice nach Wien: Das ist ein großes Projekt, dafür brauchen wir auch die Unterstützung.

Oder andere Projekte, zukunftsorientierte Projekte: Schaffen wir doch endlich einmal einen autonomen Verkehr auch für Lkws auf unseren Autobahnen, vielleicht elektro­gesteuert noch dazu – denken wir an die Zukunft –, dann brauchen wir den Ausbau vollkommen neuer Strecken. Das reduziert Treibhausgase, ist modern, ist innovativ und würde unserer Umwelt sehr helfen. Dafür brauchen wir auch diese Verfassungsbe­stimmung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Oder denken wir an Wohnhausprojekte größerer Art in Wien: Die Ziesel in Floridsdorf haben es oft verhindert, ein größeres Wohnhausprojekt zu verwirklichen. Es ist auch notwendig, ein dringendes Wohnbedürfnis der Bevölkerung zu befriedigen.

Meine Damen und Herren, das hat die SPÖ vor gar nicht langer Zeit auch noch so ge­sehen, daher darf ich nun zitieren: Antrag 2172/A, vom 17. Mai 2017, „der Abgeordne­ten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Heinzl,“ – aus der SPÖ – „Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicher­stellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird“: „Nach § 3 wird folgender § 3a eingefügt: [...] Die Republik Österreich [...] bekennt sich zu Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort.“ – Herr Kollege Wittmann, haben Sie es vergessen, dass wir gemeinsam den Antrag ein­gebracht haben? (Beifall bei der ÖVP.)

Sie von der SPÖ verlassen jetzt den Kurs, den Sie einmal eingeschlagen haben, näm­lich Verantwortung für Österreich zu übernehmen. Sie sind in das alte Fahrwasser zu­rückgekehrt, nämlich Arbeitsplätze gegen Klimaschutz auszuspielen. Meine Damen und Herren, Frau Rendi-Wagner, es wäre besser, Sie würden mehr auf die Arbeiter­kammer hören, es wäre besser, Sie würden mehr auf Ihre Gewerkschaft Vida hören, es wäre besser, Sie würden mehr auf die Gewerkschaft der Eisenbahnangestellten hören (Abg. Vogl: Es gibt keine Gewerkschaft der Eisenbahner!), denn für sie alle sind diese Infrastrukturprojekte wichtig, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das (den Ausdruck eines Wahlplakats mit der Aufschrift „Wir kämpfen um jeden Ar­beitsplatz.“ in die Höhe haltend) war einmal Ihr Plakat: Wir kämpfen um Arbeitsplätze! (Ruf bei der ÖVP: Lange ist’s her!) Das (den besagten Ausdruck des Wahlplakats zerreißend) haben Sie zerrissen. Das ist vorbei. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher, meine Damen und Herren, falls Sie noch immer nicht bereit sind, dieser Verfas­sungsbestimmung zuzustimmen, bringe ich noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „eine ausgewogene Berücksichtigung der gesamtstaatlichen Zielsetzun­gen in der Rechtsordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt die Bestrebungen der Bundesregierung, einen Ausgleich im Rahmen der staatlichen Interessen zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen. In diesem Sinne werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht, in ih­rem politischen Wirken, insbesondere bei der Erstellung von Regierungsvorlagen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökonomischen sowie ökologischen Interessen her­zustellen.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das und nicht weniger muss der Anspruch eines verantwortungsbewussten Rechtsstaates sein. Und denken Sie an Ihre eigene Werbung (den Ausdruck eines Wahlplakats mit der Aufschrift „Zusammenhalten statt spalten.“ in die Höhe haltend): Zusammenhalten statt spalten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kol­legen

betreffend eine ausgewogene Berücksichtigung der gesamtstaatlichen Zielsetzungen in der Rechtsordnung

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (110 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichts (598 d.B.)

Die Republik Österreich bekennt sich derzeit durch ein eigenes Bundesverfassungsge­setz zu den Staatszielen Nachhaltigkeit, Tierschutz, umfassender Umweltschutz, Si­cherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie der Forschung.

Ein Bekenntnis für einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als Voraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung fehlt allerdings bisher in den Staats­zielen. Dies hat zu einem Ungleichgewicht einzelner gesamtstaatlicher Zielsetzungen untereinander geführt, welche eigentlich alle auf gleicher Ebene stehen sollten und nicht wie bisher in einem ungerechtfertigten über- bzw. untergeordneten Verhältnis zu­einander.

Ein diesbezügliches ausdrückliches Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Österreich ist jedoch notwendig, um den Wohlstand Österreichs und seiner Bürgerinnen und Bürger zu erhalten und auszubauen.

Die Bundesregierung hat daher mit der Regierungsvorlage betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Le­bensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (110 d.B.) eine entsprechende Nachschärfung des bisher geltenden Staatszielkataloges vorgelegt, womit eine Ausge­wogenheit zwischen Ökologie und Ökonomie hergestellt werden soll.

Die Staatszielbestimmung für einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschafts­standort soll somit den Rahmen für eine nachhaltig gedeihliche Entwicklung und eine positive Erwerbs- und Unternehmensfähigkeit des Standorts Österreich schaffen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt die Bestrebungen der Bundesregierung, einen Ausgleich im Rahmen der staatlichen Interessen zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen. In diesem Sinne werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht, in ih­rem politischen Wirken, insbesondere bei der Erstellung von Regierungsvorlagen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökonomischen sowie ökologischen Interessen her­zustellen.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß unterstützt (Zwischenruf des Abg. Wittmann) und steht mit in Ver­handlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Jarolim. – Bitte schön.