16.21

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Absurderweise muss ich der Regierung wieder danken, wie schon am Vormittag, und diesmal der FPÖ, nämlich dafür, dass Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage an Ihre eigene Ministerin die aktuellen Zahlen zur Armutsentwicklung der letzten Jahre in Österreich darlegen. Warum? – Weil es uns die Gelegenheit gibt, aufzuzeigen, dass es einen Riesenunterschied macht, wer für die Menschen im Land die politische Verantwortung trägt, denn diese Erfolgsbilanz, diese Armutsentwicklung, die Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage präsentieren, ist das Er­gebnis einer Politik aus den Jahren 2008 bis 2017. Veröffentlicht wurde der Bericht 2018; das ist bei Berichten immer so, dass sie im Nachhinein veröffentlicht werden. Es ist aber sicher nicht der Erfolg einer türkis-blauen Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber und Zadić.)

Sie wissen es genau: Wer war damals in Regierungsverantwortung? (Abg. Hafen­ecker: ... abgewählte ...!) – Richtig, es waren sozialdemokratische Regierungschefs und es waren sozialdemokratische Sozialminister. Blicken wir zurück, wodurch diese Zeit, nämlich 2008 bis 2017, eigentlich geprägt war! Was ist damals passiert? – Es war die größte Wirtschafts- und Finanzkrise der Zweiten Republik seit dem Zweiten Welt­krieg, mit schweren Folgen für die Wirtschaft, mit wenig Wirtschaftswachstum und fi­nanziell engen Spielräumen, auch was den Staatshaushalt betroffen hat. Trotz alldem haben es die sozialdemokratisch geführten Regierungen in dieser Zeit zustande ge­bracht, Investitionen in die Menschen und in die Wirtschaft zu tätigen, und es wurde erfolgreich gegen diese Wirtschafts- und Finanzkrise gegengesteuert – mit einem Ziel: den sozialen Ausgleich in Österreich zu erhalten und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich zu stärken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Höchste Arbeitslosigkeit ...!)

Und was macht diese türkis-blaue Bundesregierung heute, bei einem weitaus besseren Wirtschaftswachstum, bei vollen Steuertöpfen, sehr geehrte Damen und Herren? – Sie macht das Gegenteil. Frau Bundesministerin, Sie kürzen die Mindestsicherung, Sie streichen Beschäftigungsmaßnahmen für ältere Arbeitslose, Sie kürzen bei den Lehr­lingen, und ich könnte diese Liste fortsetzen. (Abg. Jarolim: Eine Schande!) Kurzum: Sie betreiben Sozialabbau und gefährden den sozialen Frieden in Österreich.

Auch am Beispiel der Steuerreform, die heute ja Thema ist, zeigt sich der Unterschied, wie es sich für die Menschen auswirkt, wenn Sie oder wir Verantwortung in diesem Land tragen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Der Frust muss so tief sitzen, so groß sein!) Es war in den Jahren 2015 und 2016, unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler (Abg. Hafenecker: Wo ist denn der ...?), als eine echte Steuerentlas­tung für Österreich sozial gerecht durchgeführt wurde. 90 Prozent kamen damals bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als echte Entlastung an. Ja, damals be­kamen die arbeitenden Menschen in Österreich mehr zurück, als sie durch die kalte Progression, Stichwort schleichende Steuererhöhung, eingezahlt haben.

Schauen wir uns jetzt Ihre sogenannte Steuerreform an, sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme jetzt Ihre Zahlen, die Rechnung der Bundesregierung, um mir das genauer anzuschauen. Laut Ihren Angaben beträgt das Volumen der Steuerreform für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2021 5 Milliarden Euro. Laut Ihren eigenen Angaben, sehr geehrte Damen und Herren, beträgt 2021 über den Zeitraum gerechnet die kalte Progression 7,5 Milliarden Euro. (Abg. Hanger: Das stimmt ja nicht! Die Zahlen stimmen nicht!) Eine Milchmädchenrechnung: Irgendetwas stimmt bei dieser Rechnung nicht, weil Sie von einer Entlastung reden. (Zwischenruf der Abg. Bela­kowitsch.) Ich kann da für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich nur ein Minus von 2,5 Milliarden Euro sehen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Schellhorn.)

Das heißt, die Menschen bekommen nicht einmal das zurück, was sie im selben Zeit­raum vermehrt in die Staatskasse eingezahlt haben. Das heißt, die Menschen zahlen sich diese sogenannte Entlastung nicht nur selbst, nein, sie zahlen sogar drauf. Das ist keine Entlastung, das ist eine Belastung. (Abg. Hammer: ... ist eine Belastung, ja!) Unsere Meinung zu Ihrer sogenannten Steuerreform ist klar: Sie kommt zu spät, sie ist zu klein und sie bevorzugt die Falschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist Ihre Bundesregierung, sehr geehrte Frau Bundesministerin, die auch Milliarden verteilt, aber nicht an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, und nicht an die kleinen und mittleren Unternehmen, nein, an die großen Konzerne. Ja, die Men­schen in Österreich, die kleinen und mittleren Unternehmer haben gar nichts davon. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Stimmt überhaupt nicht!)

Die große Frage ist: Woher kommt das Geld? Woher kommen diese 1,6 Milliarden Euro, Frau Bundesministerin? Wer bezahlt das in Österreich? Wir wissen, wer es nicht bezahlt, denn es sind Ihre Kollegen Kickl, Kunasek und Moser, die sich in den letzten Tagen und Wochen zu Wort gemeldet haben, dass sie in ihren Ressorts diese not­wendigen Einsparungen nicht leisten werden. Ich sage Ihnen also, woher dieses Geld kommen wird: aus dem Sozial- und Gesundheitsbudget. Sie werden es bei den Pen­sionistinnen und Pensionisten einsparen, bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerin­nen, bei den Arbeitslosen, bei den Lehrlingen, bei den Patientinnen und Patienten, ja, und bei den Menschen, die mehr denn je Pflege brauchen. (Ruf bei der FPÖ: Mein Gott! Die SPÖ haben Sie noch vergessen!)

Ich frage mich, wie Sie da Ihrem Ziel, nämlich den Menschen eine staatliche Pflegesi­cherung, die Sie ja versprochen haben, zu finanzieren, näher kommen wollen. Es wird Ihnen nicht gelingen, wenn Sie aus Ihrem Budget, Frau Bundesministerin, diese 1,5 oder 1,6 Milliarden Euro an Steuerzuckerln an die 5 Prozent der Konzerne leisten müssen. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Ja, das bedeutet in Zukunft, die Menschen zahlen sich nicht nur die Steuerreform selbst, am Ende werden sie auch ihre Pflege selbst bezahlen müssen.

Ja, sehr geehrte Bundesregierung, sie schwächen den sozialen Zusammenhalt in Ös­terreich, das Rückgrat des sozialen Friedens und setzen damit leichtfertig das aufs Spiel, was jahrzehntelang mit harter Arbeit in Österreich aufgebaut wurde. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

16.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.