20.08

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen! Wir führen hier eine längst überfällige Debatte über die Rolle von Religion im öffentlichen Raum, konkreter noch über die Rolle von Religion in öffentlichen Schulen. (Ruf bei der ÖVP: Nein, hier!) – Ja, ganz be­wusst, ich spreche nicht nur über Mädchen im Volksschulalter, die kein Kopftuch tra­gen sollen – und das können Sie, Herr Minister, auch Frau Staatssekretärin Edtstadler ausrichten –, ich spreche auch nicht nur von den Kreuzen in den Klassenzimmern, sondern mein Beitrag zu dieser Diskussion ist ein größerer. Er beinhaltet viel mehr, denn ich wünsche mir, dass unsere Kinder und Jugendlichen in religionsfreien Schulen sein können und auf diese Weise zu mündigen BürgerInnen heranwachsen können. (Beifall bei JETZT. – Rufe bei der ÖVP: Ja, ja, ganz super!)

Das heißt auch, dass öffentliche Schulen endlich religionsfreie Räume sein müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was bedeuten für mich religionsfreie Räume? – Für mich bedeuten religionsfreie Räume, dass es keine sichtbaren religiösen Symbole in den Klassenzimmern gibt. Damit meine ich wirklich alle. (Beifall bei JETZT. Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Im Gegensatz zu Ihnen, die gerade die Stimme erheben, werte KollegInnen von den Regierungsfraktionen, bleibe ich nicht nur bloß beim Verbieten. Kein Verbot, dem keine entsprechenden Gegenmaßnahmen folgen, verhindert etwas Grundlegendes. Deshalb braucht es mehr als nur Verbote, denn nur, weil man etwas nicht darf, lernt man noch nicht daraus.

Es finden kein Dialog und kein Austausch statt, und ich wünsche mir Austausch. (Zwi­schenruf des Abg. Höbart.) Ich wünsche mir einen Dialog, ich wünsche mir einen Aus­tausch und ich wünsche mir einen Dialog und einen Austausch für unsere Schülerin­nen und Schüler in den Schulen. Wie kann so ein Austausch stattfinden? (Abg. Ham­mer: Das ist nicht „Wünsch Dir was“!) – Beispielsweise durch verpflichtenden Ethikun­terricht für alle Kinder (Beifall bei JETZT), und das unabhängig von ihrem persönlichen Glauben. Das würde auch bedeuten, meine Damen und Herren, der konfessionelle Religionsunterricht ist kein Pflichtfach mehr, aber, und das steht auch so in meinem Antrag, er kann zusätzlich und autonom von den Schulen als freiwilliges Wahlfach an­geboten werden.

Warum dieses Maßnahmenpaket? Warum fordere ich einen religionsfreien Raum Schule? (Abg. Neubauer: Das versteht keiner! Ruf bei der FPÖ: Warum eigentlich?) Ich könnte mich ja beispielsweise darüber freuen, dass zumindest ein religiöses Sym­bol, nämlich das Kopftuch, aus der Volksschule verschwinden soll. Ich freue mich aber deswegen nicht darüber, weil dieser aktuelle Gesetzentwurf eine populistische Einzel­maßnahme gegen eine religiöse Minderheit ist. Da muss man sich schon auch in Erin­nerung rufen: Der Staat ist verpflichtet, alle religiösen Gemeinschaften gleich zu be­handeln. (Beifall bei JETZT.)

Es ist feig, wenn sich die verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen als BeschützerIn­nen von muslimischen Mädchen darstellen, aber gleichzeitig den konfliktbehafteten Diskurs mit den betroffenen Eltern, die Diskussion mit der Öffentlichkeit nicht zulassen, und auch mit uns genau diesen Diskurs und diese Diskussion scheuen und somit diese Mädchen nicht unterstützen. Ja, man muss sich auch mit den betroffenen Eltern wirk­lich auseinandersetzen, da reicht es nicht, nur zu strafen. (Zwischenruf der Abg. Schwarz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die öffentliche Schule ist ein Ort, wo Kinder unterschiedlicher Herkunft über lange Zeit im engsten Kontakt zusammen aufwachsen und zusammenwachsen. Dieser Ort sollte ein Ort sein, an dem das Wir-Gefühl gestärkt wird. Eine öffentliche Schule sollte ein Ort sein, an dem man verbunden mit gemein­samen Grundwerten der Menschlichkeit lebt und gemeinsam wachsen kann, wo Kinder zu mündigen BürgerInnen werden, das heißt auch zu religiös mündigen BürgerInnen, und somit nicht radikalen Ideologien verfallen.

Ich wünsche mir auch, dass die öffentliche Schule, die Schule an sich, einen interreli­giösen Dialog, einen Austausch und eine Diskussion zulässt. (Beifall bei JETZT.)

Herr Minister Faßmann! Sie haben in einem Interview Anfang September eine breite Debatte mit allen Parteien angekündigt. Das Ziel war, und ich möchte Sie an das Ziel erinnern, einen gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, wie es mit der Reli­gionsthematisierung in der Schule weitergehen soll. – Wo bleibt diese Debatte? (Ruf bei der FPÖ: Wir führen sie eh gerade!)

Wenn wir es schon nicht schaffen, einen faktenbasierten, neugierigen, einen wert­schätzenden Dialog über das Thema Religion und Ethik zu führen, geben wir zumin­dest unseren Kindern die Chance dazu. Genau deswegen bringe ich folgenden Ent­schließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine reli­giösen Symbole an öffentlichen Schulen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, folgende Maßnahmen einzuleiten, um die Schule zu einem religionsfreien Raum zu machen und einen interreligiösen Dialog in der Schule zu ermöglichen:

•           Verbot aller sichtbaren religiösen Symbole in allen öffentlichen Schulen

•           Schaffung des Pflichtfachs ,Ethik‘ für alle SchülerInnen an der Stelle des derzei­tigen konfessionellen Religionsunterrichts

•           Ermöglichung der Abhaltung des konfessionellen Religionsunterrichts als Wahl­fach“

*****

(Beifall bei JETZT.)

20.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Kolleginnen und Kollegen

betreffend keine religiösen Symbole an öffentlichen Schulen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 5: Bericht des Unter­richtsausschusses über den Antrag 495/A der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Karl Nehammer, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (612 d.B.)

Begründung

Das von der Regierung vorgeschlagene Kopftuchverbot in den Volksschulen ist eine Einzelmaßnahme, die sich nur auf eine einzige Religionsgemeinschaft bezieht. In ei­nem säkularen Land, in welchem die Trennung von Kirche und Staat eine maßgebliche Säule unseres Werte- und Rechtssystems darstellt, ist es unumgänglich, die Rolle von religiöser Symbolik im öffentlichen Raum zu diskutieren.

Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir in einer heterogenen Gesellschaft, die von verschiedenen Weltanschauungen und religiösen Einflüssen geprägt ist, ein „Wir-Ge­fühl“ im Hinblick auf unsere Grundwerte schaffen können und wie wir es bewältigen, ei­nen Dialog über weltanschauliche, religiöse oder traditionsbedingte Unterschiedlichkei­ten zu führen. Und hier rückt die Schule in den Fokus der Aufmerksamkeit. Denn dort sind Kinder unterschiedlichster Herkunft über lange Zeit in engstem Kontakt und das in den besonders prägenden Kindheits- und Jugendjahren. Durch die Schule sollten die Kinder zu mündigen BürgerInnen – auch zu religiös mündigen BürgerInnen – werden, sodass sie keinen radikalen Ideologien verfallen. Dafür braucht es einen religionsfreien Raum, in dem interreligiöser Austausch und Diskussionen stattfinden. Religionsfreier Raum bedeutet die Abwesenheit sichtbarer religiöser Symbole.

Der konfessionelle Religionsunterricht darf nicht mehr länger ein Pflichtfach sein, son­dern kann schulautonom als zusätzliches freiwilliges Wahlfach belegt werden. Statt des konfessionellen Religionsunterrichts soll ein Ethikunterricht für alle Kinder – unabhän­gig von ihrem persönlichen Glauben – geschaffen werden. In diesem Pflichtfach findet nicht nur Religionskunde statt, sondern man verständigt sich auch auf gemeinsame Werte und führt einen interreligiösen und interkulturellen Dialog. Soziales Lernen und gewaltfreie Kommunikation stehen im Mittelpunkt des Unterrichtsfachs und die Lehr­kräfte haben eine dementsprechende Ausbildung.

Um nicht nur Einzelmaßnahmen zu setzen, sondern ein gemeinsames Ziel zu definie­ren, stellen die unterfertigenden Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, folgende Maßnahmen einzuleiten, um die Schule zu einem religionsfreien Raum zu machen und einen interreligiösen Dialog in der Schule zu ermöglichen:

•           Verbot aller sichtbaren religiösen Symbole in allen öffentlichen Schulen

•           Schaffung des Pflichtfachs „Ethik“ für alle SchülerInnen an der Stelle des der­zeitigen konfessionellen Religionsunterrichts

•           Ermöglichung der Abhaltung des konfessionellen Religionsunterrichts als Wahl­fach“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht worden und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter.