10.41

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind auch der Meinung, dass es Reformen beim Rechtsberatungssystem in Asylverfahren bedürfte, aber gerade die wichtigen Punkte wurden unserer Meinung nach nicht angegangen, nämlich bei der Qualität der Dolmetscher und bei den Qualitätsanforderungen an Rechtsberater etwas zu tun. Das ist Ihnen, Herr Innenminister, aber leidlich egal, und Sie machen das Ganze noch viel schlimmer.

Sie werden jetzt natürlich behaupten, Sie lassen Ihren Worten nun Taten folgen; Sie von der FPÖ sprechen ja durchgehend von der Asylindustrie, die bei den Asylverfahren vermeintlich so viel verdient. (Abg. Deimek: Richtig! Ja, das ist so! Sie kommen ja aus diesem Bereich, Sie haben ja Erfahrung!)

Apropos Asylindustrie: Die aktuellen Entgelte für die Rechtsberatung sind nicht kosten­deckend, allein die Arge Rechtsberatung muss im Jahr 2019 voraussichtlich 860 000 Euro eigenfinanzieren – eine sehr arme Industrie. Das muss in Zukunft der Staat zahlen.

Es gibt viele, viele andere Gründe, warum es teurer wird und es nicht, wie Sie in der Wirkungsfolgenabschätzung meinen, zu einer Kostensenkung und zu Einsparungen kommen wird.

Es sind in der Berechnung die Tagessätze der Betreuungsleistungen unhaltbar. Die Mietkosten haben Sie in der von Ihnen berechneten Variante niedriger berechnet als in der ORS-Variante, was völlig unschlüssig ist. Sie haben die Kosten für das Sicher­heitspersonal, das Sie brauchen werden, weggelassen, die fallen aber an, wenn ORS aussteigt. Sie haben vergessen, die einmaligen Kosten von 10,9 Millionen Euro für die Errichtung der BBU reinzunehmen. Sie haben vergessen – was die Diakonie ausge­rechnet hat –, die einmaligen Mehrkosten von mindestens 17,6 Millionen Euro für die Übernahme der Rechtsberatung und -vertretung in bereits anhängigen Verfahren rein­zunehmen. Sie haben sehr eng geplant, Sie haben nur 15 Dolmetscher vorge­sehen. Das geht sich schon für die Einvernahmen nicht aus, aber schon gar nicht für die beratenden Gespräche. Sie reduzieren die Zahl der Rechtsberater auf 110, wobei völlig unklar ist, wie das reichen soll.

Das heißt, es ist davon auszugehen, dass es viel teurer wird, als Sie annehmen. Ihre Berechnung in der Regierungsvorlage ist ohnehin auch schon falsch, also wird es noch teurer, als es die falsche Berechnung ausweist. Es kommt noch dazu zu einer unfass­baren Bürokratisierung. Laut Wirkungsfolgenabschätzung werden 251 Mitarbeiter in der Grundversorgung als Betreuer, 73 bis 79 BMI-Beamte und 43 als Overhead tätig sein. Wir haben dann 33 Prozent administrativen Überbau für 67 Prozent von Perso­nen, die dann wirklich für die Menschen arbeiten.

Das Absurde ist dabei: Sie von ÖVP und FPÖ wollen da verstaatlichen. Das macht das Ganze für mich unfassbar unverständlich. Es wird nicht nur teurer, sondern in der Qualität auch schlechter. Das ist Ihnen ja sehr recht, weil Sie diese unabhängige Rechtsberatung, die es jetzt gibt, abschaffen und in eine abhängige Rechtsberatung umwandeln wollen. Das wird so passieren: Es wird eine abhängige Rechtsberatung werden, weil diese Agentur unter Ihrem Einfluss steht und Sie gleichzeitig auch Oberbehörde des verfahrensführenden Bundesamtes für Asylwesen sind.

Jetzt werden Sie sagen, der Justizminister bestellt zwar die Bereichsleitung, aber die ist weiterhin der von Ihnen wiederum bestellten Geschäftsführung weisungs­unter­worfen. – Also da ist eine Abhängigkeit klar gegeben.

Der Rechtsanspruch auf Rechtsberatung wird in vielen Fällen eingeschränkt. In manchen Fällen hat sich sogar das VMÖ kritisch geäußert, zumindest dann sollten Ihre Alarmglocken schrillen.

Von der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch Sie sind nur die Rechts­berater ausgenommen, nicht aber auch andere Mitarbeiter wie Dolmetscher oder Be­treuer.

Unserer Meinung nach verletzt deswegen Ihr System, das Sie hier einführen wollen, viele menschenrechtliche Vorgaben: das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, demnach EMRK- und auch Grundrechtecharta-Bestimmungen.

Warum ignorieren Sie das alles? Es haben sich diesbezüglich die Rechtsanwalts­kammer und viele, viele seriöse und nicht nur involvierte NGOs zu Wort gemeldet. – Sie, Herr Minister, wollen die Beschwerdezahl reduzieren. Sie haben im Innenaus­schuss klar gesagt, in Österreich erheben 70 bis 80 Prozent eine Beschwerde, in der Schweiz sind es unter 20 Prozent. Woran liegt das vielleicht? – Daran, dass in Österreich eine unfassbare, inakzeptable Fehlerquote in erster Instanz vorherrscht, näm­lich eine von 42 Prozent, und sich deswegen natürlich sehr viele beschweren müssen.

Der richtige, rechtsstaatliche Weg zu einer Senkung der Beschwerdequote wäre, die Qualität der Verfahren und der Entscheidungen zu heben. Das ist Ihnen aber leidlich egal. Wir brauchen faire und schnellere Verfahren, und dazu bräuchte es bessere Qualität und auch mehr Ressourcen in der zweiten Instanz beim Justizministerium, wo mittlerweile zigtausend Fälle anhängig sind. Dafür werden wir uns einsetzen.

Ihre neue Systematik der BBU lehnen wir strikt ab. (Beifall bei den NEOS.)

10.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mahrer. – Bitte.