15.53

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Jetzt spricht ein Vertreter der größten proeuropäischen Partei, der Europäischen Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist eine richtige Information – dass nicht zu viel an Sorge und Angst bei den NEOS hier aufkommt. (Abg. Loacker: Da lacht er selber! – Abg. Leichtfried: Nicht nur bei den NEOS.) Also die proeuropäische Stimmung ist gegeben, und die Gefahr, dass diese positive Ent­wicklung, die die Europäische Union trotz all der Krisen, die wir gehabt haben, nehmen konnte, nicht fortgesetzt werden könnte, die ist bei Weitem nicht so groß, wie Sie sie hier darstellen wollen.

Die Begründung der Dringlichen Anfrage der NEOS ist schon ein Konvolut an ver­schwörungstheoretischen Befürchtungen und an Behauptungen. Noch haben wir in Europa nämlich Nationalstaaten, die verantwortlich sind. Wenn etwas in Spanien, in Deutschland oder in Frankreich vorgefallen ist, dann können Sie doch nicht Sebastian Kurz und die österreichische Bundesregierung dafür verantwortlich machen, und erst gar nicht, wenn in den USA im letzten Präsidentschaftswahlkampf Cyberkriminalität betrieben worden ist.

Meine Damen und Herren von den NEOS, Sie haben als Dämon jetzt den russischen Präsidenten ausgemacht. Fürchten Sie sich bitte auch hier nicht zu sehr! Bundes­präsident Van der Bellen war gestern in Russland, und wissen Sie, was er gesagt hat? – Er sehe keine Vertrauenskrise zwischen Europa und Russland, es brauche aber Geduld, da man in 5 Minuten sehr schwierige Probleme nicht lösen könne.

Bundespräsident Van der Bellen hat den von Ihnen dämonisierten Präsidenten Putin nach Salzburg eingeladen. Der „Kurier“ schreibt heute: „Eineinhalb Stunden sprachen die Präsidenten miteinander – länger als geplant und [...] in bestem Klima.“ – Also fürchten Sie sich nicht! Zu viel gefürchtet ist auch gestorben, sagt man bei uns in der Oststeiermark! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sehen die Gefahren, und wir wollen diese Fragen viel offensiver angehen, als Sie es tun. (Abg. Meinl-Reisinger: Woher nehmen Sie das?) Was mich bei Ihnen als proeuropäischer Partei schon wundert, ist, dass Sie so wenig Vertrauen in die Europäische Kommission in dieser Frage haben und auch so wenig Vertrauen in die einzelnen Nationalstaaten, was ihre digitale Stärke betrifft. So hintennach sind wir nicht hier in Europa! (Abg. Scherak: ... Digital Native Reinhold Lopatka! – Weitere Zwi­schenrufe bei den NEOS.)

Was Österreich betrifft, hätten Sie heute Vormittag schon Innenminister Kickl zuhören können, denn da haben wir genau diese Fragen schon diskutiert, was Falschinfor­mationen und Manipulation betrifft. Auch die jetzige Anfragebeantwortung von Bun­deskanzler Sebastian Kurz war, glaube ich, sehr klar und überzeugend. Wenn es um unsere liberale Rechtsordnung geht, brauchen wir von Ihnen keine Aufforderungen. Das ist uns sehr, sehr wichtig. (Abg. Meinl-Reisinger: Doch, bedauernswerterweise schon!) – Nein, das ist uns sehr, sehr wichtig.

Wir treten für eine wehrhafte Demokratie im Sinne von Karl Popper ein. Wir sehen viel früher die Gefahren. Da sind wir dann in keiner Weise tolerant – wenn Sie Intolerante unterstützen (Ruf bei den NEOS: Unterstellen Sie uns nicht, ...!), wenn unsere Grund­werte gefährdet werden. Das hat gestern Kollege Taschner sehr schön heraus­gearbeitet bei der Diskussion, in der es um das Kopftuch gegangen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir wollen eine offene und freie Gesellschaft! Dafür treten wir ein. Wir wollen nicht, dass Frauen in Österreich aus falsch verstandener Toleranz auch nur etwas von dieser Freiheit genommen wird. (Abg. Scherak: ... am falschen Tag heute! – Ruf: Es ist Donnerstag!)

Eines sage ich Ihnen aber schon: Wir nehmen das Unbehagen der Menschen durch­aus ernst, und das unterscheidet uns von der SPÖ. Wenn wir das hier artikulieren und Bundeskanzler Sebastian Kurz richtigerweise Reformvorschläge macht, dann wird er von Ihnen als antieuropäisch abgekanzelt. Es gibt jedoch eine weitverbreitete Skepsis gegenüber der EU. Wir begegnen heute einer Stimmung der Verunsicherung und manchmal auch der Ablehnung. Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie machen Tür und Tor auf ...! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Kollege Drozda! Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert über die geringen Fortschritte, die die EU erreicht hat. Viele Menschen beklagen das Demokratiedefizit der EU und mangelnde Transparenz; und viele Menschen haben den Eindruck, dass sich die EU mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Problemen der Menschen. (Abg. Heinisch-Hosek: Was war während der Ratspräsidentschaft?) – Nein, das war vor unserer Ratspräsidentschaft. (Abg. Heinisch-Hosek: Was hat er gemacht?) Das haben im berühmten Brief Gusenbauer und Faymann gesagt – das waren Ihre beiden Bundeskanzler. Das war ihr berühmter Brief an die „Kronen Zeitung“, den ich zitiert habe, wo sie all das gesagt haben. Kennen Sie die beiden nicht mehr? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Professor Taschner hätte jetzt gesagt, damnatio memoriae ist das, was hier bei der SPÖ betrieben wird. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Ja, die kennen Sie beide nicht mehr.

Wir sind da viel offensiver als Sie. Diese Bundesregierung hat in ihrem Regie­rungsprogramm festgeschrieben, dass wir ein verlässlicher und aktiver Partner der EU sind (Abg. Heinisch-Hosek: ..., seine Ratspräsidentschaft hat nichts gebracht!), und es nicht so jämmerlich formuliert, wie das Ihre beiden Bundeskanzler, als Sie noch den Bundeskanzler gestellt haben, getan haben. Da sind Sie weit weg von dem, was diese Bundesregierung für Europa leistet. Wir bleiben nicht im Jammern stecken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Unser Ansatz ist ein positiver, aber es ist so, wie Bundeskanzler Kurz gesagt hat: Wir müssen diese Europäische Union näher zu den Menschen bringen, damit eben die Menschen bereit sind, auch an Wahlen teilzunehmen, und das gelingt uns nur, wenn wir menschennahe Regelungen treffen. Dort, wo die Gemeinde eine Lösung findet, braucht es nicht den Landeshauptmann dazu (Zwischenruf des Abg. Drozda), dort, wo die Bundesländer das schaffen, braucht es nicht die Bundesregierung dazu – und wir brauchen dort nicht Europa, wo wir zuständig sind!

Diesbezüglich hat es in Europa in der letzten Zeit eine schleichende Entwicklung gegeben, die ich hier schon ansprechen möchte. Bei delegierten Rechtsakten zum Beispiel haben wir als nationales Parlament keine Möglichkeit mitzuwirken. Die Zahl dieser delegierten Rechtsakte ist innerhalb der letzten Jahre von 38 im Jahr auf 133 angestiegen. Da kann ich nicht sagen, dass ich weniger Regelungen hatte!

Im Jahr 2000 hatten wir in Europa 16 Verordnungen – da können wir nicht mitreden – und 34 Richtlinien – wenn Richtlinien richtig abgefasst sind, haben wir noch Möglich­keiten, hier mitzureden. Das hat sich auf den Kopf gestellt: Wir haben jetzt jedes Jahr über 50 solch neue Verordnungen, neue Gesetze, und nur mehr 14 Richtlinien. (Abg. Leichtfried: Ja, aber wer ...? – Zwischenruf des Abg. Drozda.)

Wir sind gegen solche Tendenzen, dagegen, dass die Europäische Union schleichend auch auf Bereiche zugreift, für die sie nicht zuständig ist: Arbeitsmarkt, neue Be­richtspflichten, das ist so ein Beispiel. Reden Sie mit Ihrem S&D-Spitzenkandidaten Timmermans! Wir haben das im Detail besprochen. Sie finden die Ergebnisse der Taskforce auf der Homepage der Europäischen Union.

Daher sage ich Ihnen, ich bin den NEOS dankbar für diese Dringliche Anfrage. (Abg. Meinl-Reisinger: Also das ist ...!) Bundeskanzler Kurz konnte sehr klar darstellen, wofür diese Bundesregierung steht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Diese Bundesregierung steht für eine aktive Teilnahme am Prozess in der Euro­pä­ischen Union, dass sich die Europäische Union gut weiterentwickelt.

Sie wird sich nur dann gut weiterentwickeln, wenn sie auf das Grundprinzip der Subsidiarität Rücksicht nimmt – ein Grundprinzip, das schon die Gründungsväter der Europäischen Union für ganz, ganz wichtig erachtet haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie relativieren das ...! Sie relativieren! Einmal mehr ...!) Und das vergessen Sie immer mehr, wir nicht, was notwendig ist! Wir brauchen die Einbindung aller Ebenen, damit sich Europa gut weiterentwickelt. Es darf kein Kopfprojekt werden, es muss ein Projekt der Menschen bleiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: Das war absur­des Theater!)

16.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gäste der Präsidentin Kitzmüller recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.